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Wir verbrachten den halben Tag am Strand und beschlossen noch eine Nacht hier zu bleiben, bevor wir nach Urselt aufbrechen würden.

Rhaka hatte nach einer Weile am Strand solchen Heißhunger auf Fisch gehabt, dass wir im Gasthaus nach einem Mittagessen mit Fisch baten und aßen stillschweigend, bevor Rhaka wieder unbedingt zurück ans Meer wollte. Marigold folgte ihr natürlich, doch ich kapselte mich ab und erkundete die Hafenstadt.

Ich schlenderte durch die gepflasterten Straßen und schaute mich neugierig auf dem kleinen Markt am Hafenpier um. Vieles der Dinge, die in Meran angeboten wurden, waren auch hier ausgestellt und es fühlte sich ein bisschen wie zuhause an. Der Gedanke, dass ich vermutlich nie wieder in Meran die schönen Töpferwaren verkaufen und mit Calima den Tag verbringen würde, machte mich etwas traurig und ich ging weiter durch die Straßen hin zu einem Laden in einem alten braunen Haus, an dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift Hellseherin stand. Von Neugier erfüllt öffnete ich die Tür und trat in den kleinen dunklen Laden voller kurioser Dinge. Überall hingen Schrumpfköpfe von der Decke herab und grinsten mich böse an. Alte Bücher standen in den Bücherregalen, bedeckt von Staub und dazwischen ab und zu ein Fläschchen mit einer bunten Flüssigkeit und Etiketten, die kaum noch lesbar waren. Es roch nach verbranntem Weihrauch und Salbei und in der Mitte des kleinen Raumes stand ein alter hölzerner Tisch mit einem Stuhl dahinter. Auf dem Tisch befand sich ein löchriger lila Stoff und darauf lagen Karten eines Kartendecks umgekehrt ausgebreitet. Außer mir befand sich niemand im Raum und ich trat unsicher näher an den Tisch heran. Die 23 Karten auf dem Tisch wirkten anziehend auf mich und ich kam nicht umhin eine von ihnen in die Hand zu nehmen. Als ich sie umdrehte musste ich stutzen. Die Karte war weiß, ohne Muster oder Abbildung. Irritiert legte ich die Karte zurück und wollte gerade gehen, als ich das Quietschen einer Tür hörte. Hinter dem Schreibtisch schwang ein Bücherregal zur Seite und eine Dame mittleren Alters trat hervor. Sie lächelte mich verschwörerisch an und setzte sich dann auf den Stuhl. „Willkommen Gwenneth. Ich habe dich bereits lange erwartet." Erschrocken trat ich einen Schritt zurück und beobachtete sie stumm dabei, wie sie die Karten zusammenräumte und zu mischen begann. „Du fragst dich sicher, woher ich deinen Namen kenne, aber du bist auch nicht ohne Grund in meinen Laden gekommen. Du hast bestimmt gelesen, dass ich eine Seherin bin und dazu gehört nun mal die Zukunft zu sehen." Sie lächelte breit und lachte dann. „Das ist eigentlich sogar genau das was eine Seherin tut. Nun komm näher und ziehe fünf Karten." Sie legte den Kartenstapel links auf den Tisch und wischte dann darüber, so dass sich die Karten wie ein Fächer auf dem Tisch ausbreiteten.

Langsam trat ich näher heran und blickte von ihr auf die Karten und wieder zu ihr. Sie nickte auffordernd lächelnd und ich nahm mir fünf Karten aus dem Stapel. Behutsam legte ich sie umgekehrt auf den Tisch. Mir starrten das Gericht, die Welt, der Gehängte, die Gerechtigkeit und die Liebenden entgegen und ich sah die Frau verwirrt an. Sie nickte nur und legte die anderen Karten zur Seite. „Sehr interessant." Begann sie dann und deutete auf das Gericht. „Du hast eine Aufgabe, nur dafür bist du auf dieser Welt und du musst sie erfüllen." Nacheinander zeigte sie auf die Karten und beschrieb mir ihre Bedeutungen. „Diese besondere Aufgabe wirst du erfüllen, indem du die Welt mit anderen Augen betrachtest und für die Gerechtigkeit kämpfst. Es ist wichtig, dass du deine Verantwortung annimmst und dich deinem wahren Selbst hingibst, um deine Bestimmung zu erfüllen. Doch du bist nicht auf dich alleine gestellt. Du wirst Freunde bei dir haben, die dich dabei unterstützen werden. Den wichtigsten Schritt jedoch kannst nur du tun." Blinzelnd starrte ich sie an. Was für eine Bestimmung? Kämpfen? Verantwortung? Ich trat einen Schritt zurück und sah die Karten verwirrt an.

„Auch sehe ich eine starke Liebe auf dich zukommen, doch du musst sie aufgeben, um dein Ziel zu erreichen. Du darfst dich ihr auf keinen Fall hingeben, sonst droht ein schlimmes Unheil. Sei gewarnt Gwenneth. Dein Weg zum Ziel hat bereits begonnen, lass dich nicht von unwichtigen Dingen wie der Liebe aufhalten, sondern konzentriere dich auf das Wesentliche. Nur das führt am Ende zum Sieg über die bösen Mächte." Unsicher lachend trat ich noch einen Schritt zurück und sah dann ungläubig zu der Frau, die nun auf mich zu kam. „Also wirklich, sie sollten Geschichten schreiben, das ist sehr fantasievoll." „Gwenneth, das ist keine Fantasie. Die Zukunft des Landes, nein, der ganzen Welt liegt in deinen Händen. Du musst dein Schicksal erfüllen." Kopfschüttelnd trat ich weiter zurück. „Hören sie auf." Ich schrie fast. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und eine Unruhe machte sich in mir breit. Ich wusste nicht wie mir geschah, als ich plötzlich durch die Tür hinaus rannte und nicht mehr anhielt, bis ich am Meer war. Oder wohl eher im Meer. 

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now