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Ich starrte eine ganze Weile die Decke an, bevor ich irgendwann bemerkte, dass das Zimmer dunkel geworden war. Es war Nacht und ich sollte eigentlich schlafen. Doch ich konnte nicht. Kellan kreiste in meinem Kopf herum. Ich wusste ich liebte ihn und er liebte mich und der Gedanke daran, nie mit ihm zusammen sein zu dürfen war grauenvoll. Mag sein, dass das ein sehr dramatischer Gedanke war, doch ich liebte diesen Mann. Ich hatte nie eine Beziehung gehabt, weil ich die Liebe nie wirklich als etwas Erstrebenswertes angesehen hatte, doch mit Kellan kam auch das Bedürfnis zu lieben und jetzt würde ich es nie auskosten können.

Trotz des Schmerzes, der mich mit jeder falschen Bewegung durchzuckte, schaffte ich es langsam aufzustehen und zur Tür zu gehen. Ich war zwar sehr langsam, aber ich schaffte es ohne Hilfe, was mich ermutigte meinen Weg fortzuführen. Behutsam trat ich durch die Tür auf den Flur und sah nach links und rechts. Die dunklen Flure waren nur durch Kerzen leicht erhellt und ich konnte gerade genug sehen, um links den Flur entlangzulaufen Richtung Besucherflügel. Ich kannte das Grafenhaus nicht besonders gut, nur die Teile, in die ich eintreten durfte zu meinen Zeiten als Verkäuferin, doch ich wusste, wo der Graf die Besucher unterbrachte. Ich hoffte dort eine Bedienstete zu finden, die mir sagen könnte, in welchem Zimmer Kellan zu finden war.

Ich schritt weiter den Flur entlang, bis ich tatsächlich auf eine Dienstmagd traf, die ich als Küchenmagd wiedererkannte. Sie sah mich freundlich lächelnd an und ich begrüßte sie. „Hallo. Bitte entschuldige, kannst du mir vielleicht sagen, in welchem Zimmer Kellan Oakland untergebracht ist?" Sie nickte. „Den Flur entlang, das dritte Zimmer rechts. Wenn Sie möchten, bringe ich Sie hin?" „Danke nein, das finde ich schon. Vielen Dank." Sie nickte noch einmal und machte sich dann wieder auf ihren Weg und ich auf meinen.

Vorsichtig klopfte ich an die Tür des dritten Zimmers auf der rechten Seite und wartete. Nach ein paar Minuten fiel mir auf, dass es mitten in der Nacht war – er schlief vermutlich. Enttäuscht drehte ich mich um, um zu gehen und machte mich auf den Weg zurück zu Rhakas Zimmer. Gerade als ich in den Flur zu ihrem Zimmer bog, sah ich jemanden vom anderen Ende auf mich zu rennen. Erst einige Meter vor mir erkannte ich Kellan und sah ihn irritiert an. „Ist alles ok? Wieso bist du so außer Atem?" „Verdammt Gwen, ich habe dich gesucht, du warst nicht in deinem Zimmer. Ich dachte du wärst schon wieder..." er sprach nicht weiter, doch wir beide wussten, was er sagen wollte. Er dachte ich wäre wieder entführt worden. „Wo warst du?" sein Ton war vorwurfsvoll. „Ich wollte zu dir." Kellan sah mich fragend an. „Was?" „Ich war an deinem Zimmer und habe geklopft, doch du warst nicht da." „Weil ich zu dir wollte." Überrascht presste ich die Lippen aufeinander. Er hatte mich auch sehen wollen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Meine Aufregung machte mich immer müder und ich stellte fest, dass ich mich unbedingt hinlegen musste. Meine Hand wanderte zu meiner Wunde und ich drückte leicht darauf, als das Ziehen immer schmerzhafter wurde. Kellan beobachtete meine Hand und keine Sekunde später trug er mich vorsichtig zurück zum Bett und legte mich hinein.

„Du musst schlafen. Falls was ist, ich bin vor deiner Tür." Kellan drehte sich zu gehen, doch ich griff nach seiner Hand und zog ihn zurück. Überrascht sah er mich an. „Nein. Bitte. Ich bin nicht ohne Grund zu dir gekommen." Ich deutete ihm sich zu setzen und richtete mich auf. Wir sahen uns eine Weile an. Ich erwischte mich dabei, wie ich mich in seinen grasgrünen Augen immer weiter verlor, bis er seufzte und zu Boden sah. „Was war der Grund?" Irritiert sah ich ihn an. „Was?" „Was war der Grund, dass du zu meiner Tür gekommen bist?" Er sah mich wieder an. Diesmal war es ein fordernder, irgendwie verzweifelter Blick. Mein Verlangen seine Lippen auf meinen zu spüren, wurde immer unerträglicher. Ich wusste nicht was genau ich bei ihm wollte, nur dass ich bei ihm sein wollte. Doch wie konnte ich ihm das sagen?

Ich bemerkte kaum, wie unsere Gesichter immer näherkamen, bis ich seinen Atem an meinen Lippen spüren konnte. Wie aus Reflex schloss ich die letzten Zentimeter, die unsere Lippen noch trennten und küsste ihn. Erst war er überrascht, doch dann wanderten seine Hände behutsam um meine Taille herum und meine zu seinem Nacken und versuchte ihn noch näher an mich zu drücken als er sowieso schon war.

Es war ein leidenschaftlicher sehnsüchtiger Kuss. Wir hatten beide so lange darauf gewartet und nun hatte ich kein Bedürfnis je wieder aufzuhören. Seine Lippen waren weich und sein Atem süß. Er saugte an meiner Unterlippe und ich konnte spüren, wie mir das Blut in den Kopf stieg. Ich war wie benebelt von diesem Mann. Mein Herz machte Saltos. Als wir voneinander abließen, lächelte Kellan mich breit an. Ich hatte ihn nie so lächeln sehen. „Du weißt gar nicht, wie lange ich darauf gewartet habe.", sagte er leise und ich grinste. „Doch, ich nämlich auch."

Kellan legte sich zu mir ins Bett, als ich ihm sagte, dass ich nicht schlafen könnte. Er nahm mich in den Arm und drehte kleine Kreise mit seinem Daumen auf meinem Arm, bis ich einschlief.

Kellan hatte recht. Meine Mutter wollte mich früh am Morgen nach Elysia mitnehmen. Sie weckte mich, als gerade die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster kamen. Kellan hatte mich immer noch in seinem Arm und schlief seelenruhig. Ich sah meine Mutter müde an. „Wir sollten aufbrechen.", flüsterte sie und legte eine Hand an meinen Arm. Ich sah rüber zu Kellan. „Ich soll gehen, ohne mich zu verabschieden?" „Es wird das Beste sein, meinst du nicht? Der Abschied ist schwer." „Aber es ist das mindeste das ich tun sollte." „Glaube mir mein Kind, wenn du dich verabschieden möchtest, dann mach das, aber es wird es dir schwerer machen zu gehen. Du musst aber das größere Bild betrachten. Du wirst Mutter Tag werden, das heißt du hast mehr Verpflichtungen als nur deinen Freunden gegenüber." Kurz sah ich zwischen Kellan und meiner Mutter hin und her, doch ich wusste sie hatte recht. Vorsichtig stand ich mit der Hilfe meiner Mutter aus dem Bett auf ohne Kellan zu wecken. Ich hatte keine Sachen, die ich mitnehmen wollte nach Elysia, alles Irdische war nicht für das Schloss der Götter geeignet. Allerdings entschloss ich Kellan einen Abschiedsbrief zu schreiben und diesen auf dem Kissen, auf dem ich geschlafen hatte, zu legen. Ich trat noch einmal an Kellan heran und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich abwandte, um zu gehen, doch ich hielt in der Bewegung inne, als mein Blick auf den Nachttisch fiel. Kellan hatte seine Uniform feinsäuberlich zusammengelegt, bevor er zu mir ins Bett gestiegen war, und ich entdeckte eine Münze, die scheinbar aus seiner Hosentasche gefallen und daneben auf dem Tisch liegen geblieben war. Ich nahm die Münze an mich, als Erinnerung an meine erste Liebe und hielt sie seufzend in meiner Faust, bevor ich mich dann endlich umdrehte und mit meiner Mutter durch die Tür verschwand.

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Natures HeritageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt