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Elysia war beeindruckend. Es gab unzählige Zimmer für die Götter, eine gigantische Bibliothek, viele Räume, in denen sich die Götter gemeinsam aufhalten konnten, einen großen Essenssaal, einen Wintergarten mit Pflanzen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, und vieles mehr. Ich konnte kaum den Überblick behalten. Die meisten Räume, waren wie die Flure kahl und weiß, doch die Bibliothek ähnelte sehr der Bibliothek in Agrev. Sie war nur deutlich größer und hatte höhere Wände. Die Regale waren alle weiß und es gab deutlich mehr Bücher und Schriften als in Agrev. Ich war beeindruckt von der Masse an Büchern, die sich über zwei Stockwerke zog, die man über eine Wendeltreppe erreichen konnte. Ich nahm mir vor, dort ab und zu mal vorbeizuschauen.

Am Abend ließ der Energieschub nach, genau wie Isodran gesagt hatte, und ich bat meine Mutter mich in meinem Zimmer zu Abend essen zu lassen. Sie stimmte zu und sagte mir, dass sie jemanden schicken lassen würde, der mir das Essen bringe. Kaum 10 Minuten vergingen, als es an der Tür klopfte und ein junges Mädchen mit einem Tablett voller Essen hereinkam. Sie stellte das Tablett auf meinem Tisch ab, lächelte und verließ den Raum wortlos. Mit einem Blick auf das Tablett erkannte ich, dass die Götter definitiv nicht zu hungern brauchten. Es standen drei Teller auf dem Tablett, einer voll mit exotischen geschnittenen Früchten, ein anderer voll mit verschiedenem Gemüse, von Karotten, Kartoffeln, Bohnen und Brokkoli bis hin zu Mais und Blumenkohl, und auf dem letzten Teller eine Masse an Fleisch, das ganz nach Hähnchen und Rind aussah, mit Soße. Ich fragte mich woher das Essen kam. Gab es in Elysia etwa Tiere und Felder zum Anpflanzen von Gemüse und Obst? Ich beschloss meine Mutter morgen früh danach zu fragen und begann genüsslich zu essen.

Nicht einmal die Hälfte schaffte ich zu essen, also stellte ich den Rest zurück aufs Tablett und wandte mich dem Schrank zu. Ich holte ein frisches Nachthemd heraus, zog mich um und setzte mich auf die Chaiselongue am Fenster. Der Blick nach draußen gab nicht viel mehr her als die Wolken. Weit und breit gab es nicht mehr. Es war irgendwie enttäuschend. Natürlich war es wunderschön beim Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, doch die Tagesphase dazwischen ist einfach nur weiß. Die Sonne war bereits dabei unterzugehen und kaum war sie unten beschloss ich ins Bett zu gehen.

Mir schwirrten tausend Dinge im Kopf herum, aber am meisten Kellan. Wie immer verließ er nicht meine Gedanken. Ich vermisste ihn mit jeder Faser meines Körpers und wünschte mir nichts mehr, als dass er neben mir lag und ich in seinen Armen. Sein Geruch fehlte mir. Dieser süße Geruch, der mich stark an frischgebackene Kekse erinnerte. Und seine Lippen, die so weich waren wie Kissen. Und seine grasgrünen Augen, die mir eine Gänsehaut bereiten konnten, ... überrascht fasste ich mir an die Schläfe. Mir waren die Tränen die Schläfe herunter in mein Ohr gelaufen. Ich wischte sie weg und legte mich auf die Seite. Mein Gedanke schweifte zur Münze und ich stand eilig auf, um sie mir zu holen und wieder ins Bett zu steigen.

Ich betrachtete sie eine ganze Weile. Eine gewöhnliche Soli-Münze. Sie war so viel Wert wie zehn Geza und man konnte sich nur für zwei Geza schon eine Pastete bei Miranda in Meran kaufen. Ich hoffte kurz, dass Kellan den Soli nicht vermissen würde, doch der Gedanke verflüchtigte sich schnell wieder. Irgendwann übermannte mich die Müdigkeit beim Gedanken an meine Freunde und ich schlief ein.

Meine Nacht war nicht ruhig. Ich hatte mich immer wieder hin und her gewälzt und war immer wieder aufgewacht. Ich konnte einfach keine Ruhe finden und das konnte man mir ansehen. Meine Augenringe waren so dunkel wie noch nie und ich hatte furchtbar schlechte Laune.

Meine Mutter hatte mir persönlich mein Frühstück ins Zimmer gebracht und erschrak sichtlich an meinem Gesicht. Sie stellte das Tablett neben dem gestrigen ab und setzte sich dann zu mir aufs Bett. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie mich besorgt und legte eine Hand an meine Stirn, um meine Temperatur zu messen. „Körperlich ja. So fit war ich lange nicht mehr. Doch emotional..." „Ich verstehe dich, glaub mir. Aber das wird sich bald bessern. Je länger du hier bist, desto schneller vergisst du dein Leben auf der Erde und die Menschen, die du einmal kanntest, du wirst schon sehen." Fassungslos starrte ich sie an. Ich würde sie vergessen? Alle meine Freunde einfach vergessen? Das wollte ich nicht! Ich wollte sie nicht vergessen. Ich konnte sie nicht vergessen. Sie waren ein Teil von mir! Ich schüttelte energisch den Kopf. „Das will ich nicht! Ich will meine Freunde nicht vergessen. Sie sind mehr als nur Freunde, sie sind meine Familie. Und diese Familie ist mir wichtig." „Aber du wirst dich nicht auf deine Aufgabe konzentrieren können. Du musst viele Dinge tun. Sowohl gute als auch welche, die du nicht so gut findest. Doch sie sind wichtig und du darfst deine Moral nicht über deine Pflicht stellen." „Heißt das, dass du mich auch vergessen würdest, wenn ich nicht hier wäre?" Sie lächelte mich an. „Aber nein. Du bist ein Teil von mir, wortwörtlich. Dich könnte ich nie vergessen. Yeseda ist von meinem Blut, daher kann ich auch sie nicht vergessen, egal wie lange sie auf der Erde ist. Doch alles darüber hinaus schon." Ich nickte, doch ich wollte es nicht akzeptieren. „Kann man das verhindern? Das Vergessen meine ich." Meine Mutter schüttelte den Kopf. „Nein. Es tut mir leid, Alvena, doch du hast deine Aufgabe als Mutter Tag angenommen und du musst deine Aufgabe erfüllen." Ich atmete tief durch.

Meine Mutter brachte mir das Frühstück zum Bett und ich begann zu essen, während sie zu meinem Schrank ging und ein weißes Kleid im selben Schnitt, wie das blassgrüne von gestern herausholte. Sie legte es über meinen Stuhl und legte die Bürste zurecht. „Wenn du fertig bist, komm einfach zum Planetarium, ich möchte dich in deine Aufgaben einweisen, damit du bald beginnen kannst." Damit verschwand sie und ich aß weiter mein Frühstück.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now