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Wir kamen nicht weg. Egal wie lange wir in dieselbe Richtung liefen, wir kamen nicht aus dem Wald heraus. Ein Gefühl von bevorstehendem Unheil saß tief in mir und ich sah mich ständig um, um sicherzugehen, dass uns niemand verfolgte. Doch was könnte ich schon sehen. Es war dunkel und mich hatte ein schwarzer Nebel angegriffen. Ich war froh, dass ich gerade so den Boden sehen konnte, da Kellan und Mari jeweils eine Fackel gebaut und angezündet hatten.

Ich lief als Letzte hinter den vieren und versuchte zu verstehen, was diese schwarze Gestalt von mir wollte. Auch bei dem ersten Angriff, wusste ich nicht was das sollte. Sie zog mich in diesen Wald, also musste der Grund dafür hier sein. Sollte ich mich hier umsehen? Herausfinden, was die Gestalten von mir wollten?

Nachdenklich und mit gesenktem Blick lief ich weiter, bis ich merkte, dass ich vor einem Teich stand, der mir seltsam bekannt vorkam. Das schwarze Wasser wirkte endlos tief und die Lotosblumen wurden schwach angeleuchtet von der hellen goldenen Lotosblume in der Mitte des Teichs. Die goldene Lotosblume summte ihr Lied und zog mich augenblicklich in ihren Bann. In Trance trat ich immer näher an den Teich, bis ich mich direkt vor dem Lotos befand und ein Blütenblatt berührte.

Im nächsten Moment wurde ich Unterwasser gezogen und kniff die Augen zu. Ich war nicht ängstlich, ich wusste, dass ich hier sein musste. In genau diesem Augenblick. Es war mein Schicksal. Das Lied des Lotos summte weiterhin in meinem Ohr und ich entspannte mich in dem eigentlich sehr kalten Wasser. Langsam wird das Lied leiser und ich nehme ein Flüstern wahr. Es wird immer lauter, bis ich es verstehen kann. „Alvena.", hörte ich die Stimme sagen, „Komm zu mir."

Ich öffnete langsam die Augen und sah weit vor mir ein weißes helles Licht. Wie automatisch schwamm ich auf das Licht zu. Es nahm wieder die Gestalt einer Frau an. Ihre langen Haare schwebten im Wasser und umspielten ihren Körper und ich könnte schwören ein Lächeln in ihrem wenig erkennbaren Gesicht zu sehen. „Alvena, mein Kind. Endlich bist du hier. Ich habe so lange auf dich gewartet." Ihre Stimme war warm und weich, wie Milch und Honig und sie streckte ihre Hände nach mir aus. „Mein Name ist Gwenneth.", antwortete ich verwirrt und kam noch näher. Ihr Licht war hell und warm, doch es blendete mich nicht. „Dein irdischer Name ist Gwenneth, das stimmt, doch dein göttlicher Name ist Alvena. Diesen Namen gab ich dir, als du erschaffen wurdest." „Erschaffen? W-Was meinst du? Und wer bist du überhaupt?" Die Frau lachte amüsiert und nahm meine Hände in ihre. „Mein Name ist Galaya und du bist meine Tochter. Ich bin die Göttin Mutter Tag." Ich erinnerte mich schlagartig an den Namen. Prediger Walther hatte uns im Kloster davon erzählt. Galaya und Yeseda – die Göttinnen Mutter Tag und Mutter Nacht. Mit großen Augen sah ich sie an. Eine Göttin? Und ich sollte ihre Tochter sein?

„Ich habe nicht viel Zeit, daher musst du mir gut zuhören. Meine Schwester sperrte mich in ein Schloss hier im Wald und ist auf der Suche nach dir. Du wurdest erschaffen aus der puren Essenz meiner Kräfte und Yeseda möchte sich diese Kräfte aneignen. Du bist dazu bestimmt sie aufzuhalten, da ich es nicht konnte. Sie darf dich nicht kriegen. Du musst vorsichtig sein und lernen mit deinen Kräften umzugehen." „Kräfte? Welche Kräfte? Ich habe keine Kräfte." „Doch.", versicherte Galaya mir und strich mir mit einer Hand über die Wange, „Warst du es nicht, die eine neue Blume erschaffen hat?" Fassungslos starrte ich sie an. „Die Blume in deinem Haar und die Blume, die du deiner Freundin geschenkt hast. Du hast sie erschaffen. Eine Blume dieser Art hat es vorher nie gegeben. Und dabei ist es eine so schöne Blume." Vorsichtig strich Galaya über die Blume hinter meinem Ohr und ich blinzelte sie weiterhin ungläubig an. „Um deine Kräfte zu stärken musst du viel trainieren, aber ich bin sicher, dass du das schaffst. Du bist eine starke eigenständige junge Frau geworden und ich kann nicht stolzer sein, doch es ist Zeit für dich in den Krieg zu ziehen und Yeseda aufzuhalten. Ich zähle auf dich." „Aber wie soll ich diese Kräfte kontrollieren? Niemand kann mir dabei helfen." „Aber nicht doch. Du hast Freunde an deiner Seite, die dir helfen werden. Ich vertraue darauf." Als Galaya sich erschrocken umsah und dann wieder mich anblickte, drückte sie meine Hände aufmunternd „Ich muss jetzt gehen, aber ich glaube daran, dass ihr das schafft – dass du das schaffst. Du bist schließlich meine Tochter."

Damit verschwand Galaya und das Licht erlosch. Die Wärme entglitt mir und ich schloss erschöpft die Augen. Wie lange war ich schon unter Wasser? Und wie konnte ich hier atmen? Viele Fragen vernebelten meine Gedanken, bis da plötzlich nichts mehr war.

Schwärze. Leere. Kälte.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now