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Die Kutschfahrt war angenehm und kurz. Keine drei Stunden brauchten wir bis nach Urselt und ich war etwas erleichtert, dass ich die Fahrt ohne unangenehme Stille verbringen musste. Rhaka sprach beinahe pausenlos von ihren Vorstellungen bezüglich des Prinzen und des Schlosses und wie ihre Hochzeit aussehen sollte. Ich hörte jedoch nur halbherzig zu und konzentrierte mich eher auf die vorbeiziehenden Bäume auf der einen Seite der Kutsche und das Meer auf der anderen Seite. Es war wie zwei verschiedene Welten und beide waren fantastisch.

In Urselt angekommen, war das Wetter deutlich besser und wir verbrachten wieder den restlichen Tag am Strand und übernachteten in einem kleinen Gutshaus, das gerade mal vier Gästezimmer hatte. Da keines der Gästezimmer drei Betten hatte, teilten sich Rhaka und Marigold ein Zimmer – Marigold wollte Rhaka auf keinen Fall alleine lassen – und ich nahm das Zimmer nebenan. Das Bett war hart, kaum angenehmer als der Boden selbst, doch ich schlief relativ schnell ein und hatte einen wirren Traum.

Als könnte ich fliegen, huschte ich durch einen dichten Wald mit hohen pilzförmigen Bäumen und einem moosbedeckten Boden, bis ich zu einem großen Teich kam. Er war bedeckt mit Seerosen und Lotosblumen und in der Mitte schwebte eine Gestalt aus warmem weißem Licht in Form einer Frau, die mir ihre Hand entgegenstreckte. Sie flüsterte mir unverständlich zu und ich kam näher, bis ich sie verstand. „Alvena!", rief sie plötzlich und ich schreckte aus meinem Schlaf auf.

Irritiert sah ich mich um, bis ich mich erinnerte, wo ich war. Das kleine staubige Zimmer war leicht beleuchtet durch die gerade aufgehende Sonne und die Staubflusen tanzten in den ersten Sonnenstrahlen. Erschöpft seufzte ich. Was für ein seltsamer Traum.

Müde stand ich auf und beschloss meinen Tag zu beginnen und nicht noch eine Weile weiterschlafen zu wollen – ich wollte sicher nicht noch einmal durch diesen Wald fliegen. Langsam wusch ich mich, kämmte meine nassen Haare, um sie zu einem ordentlichen Knoten am Kopf festzubinden und zog mir dann mein neues Lieblingskleid an, bevor ich meine Sachen zusammenpackte und mit mir durch das Gutshaus bis zum Esszimmer trug. Ich stellte die Tasche neben dem großen Gemeinschaftstisch ab, an den ich mich setzte und entdeckte den Kaffee, der bereits in der Mitte des Tisches stand. Gierig goss ich mir den Kaffee in eine Tasse, gab etwas Milch hinzu und trank ihn beinahe in einem Zug leer. Ich wollte unbedingt so wach wie möglich sein für die Weiterreise nach Newyt.

Ich stellte die Tasse gerade wieder auf dem Tisch ab, als die Wirtin des Hauses durch die Tür kam und mich freundlich anlächelte. „Guten Morgen, darf es schon etwas zum Frühstück sein?" dankbar nickte ich. „Guten Morgen. Sehr gerne." Sie nickte und verschwand daraufhin wieder durch die Tür. Kaum zehn Minuten später stellte die Dame mir einen Teller mit Eiern und einem Brötchen vor die Nase. Ich bedankte mich höflich und aß genüsslich mein Frühstück, während ich aus dem Fenster zu meiner rechten sah. Die Sonne schien und es war kaum eine Wolke am Himmel zu sehen, heute würde sicher ein schöner Tag werden.

Nach einer Weile stand ich vom Tisch auf, nahm meine Tasche und ging nach draußen an den Strand. Das Gutshaus lag unmittelbar am Strand und es waren nur wenige Meter ans Meer. Ich legte meine Tasche im Sand ab, setzte mich daneben und sah auf das Meer hinaus. Vorsichtig löste ich den Knoten in meinen Haaren und ließ das noch feuchte Haar in der Sonne trocknen. Wieder einmal fiel mir auf, wie tiefschwarz mein Haar wirklich war. Normalerweise wirkte es leicht bräunlich, wenn es durch Kerzenlicht oder einfach sehr schwach beleuchtet war, doch im direkten Sonnenlicht konnte man die bodenlose Schwärze erkennen. Er war ein kaltes Schwarz, das einen an die Nacht erinnerte. Ein Wunder, dass meine Patenmutter mich nicht Raven genannt hatte – mein Haar ähnelte stark dem Gefieder eines Raben, wenn auch sein Gefieder grünlich oder blauviolett glänzen konnte, wenn die Sonne darauf schien. Mein Haar war nur schwarz. Langweilig in der Farbe, doch in der Struktur lockig und weich.

Im Gegensatz zu meinem dunklen Haar stand meine Haut, die so hell leuchtete, dass man befürchten könnte zu erblinden, wenn man zu lange darauf sah. Meine Haut schien das Sonnenlicht geradezu zu reflektieren, als sei ich ein Spiegel. Als Kind hasste ich mein Aussehen. Alle Kinder, mit denen ich spielen durfte, hatten mich als seltsam abgestempelt für meine blasse unnatürlich wirkende Haut und mein rabenschwarzes Haar. Ich war als Rabenmädchen bekannt – einfallsreich, nicht wahr? Viele Tage lang hatte ich geweint, ohne meine Patenmutter davon wissen zu lassen, doch irgendwann lernte ich mit den Beleidigungen umzugehen und sie zu ignorieren. Mein Aussehen war nicht, was mich ausmachte und ich würde mir nie wieder von irgendjemandem sagen lassen was ich sei und was ich könne.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now