-6-

64 8 4
                                    

꧁꧂

Mit einem Mal wurde es ganz still um mich herum und alles verlief wie in Zeitlupe, als der Mann seine Kapuze gerade so weit nach Hinten zog, dass ich seine Augen sehen konnte. Und was für Augen. Große Augen so Türkis wie der aldärische Ozean. Eine weißblonde Haarsträhne lag leicht über seinem rechten Auge und ich musste schwer schlucken, als ich begriff wer da gerade vor mir stand. „Eure H-" „Bitte nicht." Unterbrach mich der Prinz und hielt seine Hand hoch. Ich verstummte sofort und senkte meinen Blick. „Verzeiht mir bitte. Ich wusste ja nicht, dass Ihr es seid. Wie kann ich Euch helfen?" fragte ich weiterhin mit gesenktem Blick und spürte, wie mir das Blut in die Wangen lief vor Verlegenheit.

„Ich hoffte die Comtesse Rhaka hier in Meran antreffen zu können, doch wie mir scheint ist sie selten spazieren. Könnt ihr mir sagen wieso?" ich schluckte schwer, ich wusste genau wieso. „Nun ja, der Comtesse ist es nicht erlaubt hinauszugehen. Ihr Vater der Graf Rhalgar Raewyn erlaubt seiner Tochter nicht das Haus zu verlassen, bis die Heirat mit... euch... abgeschlossen ist. Die Comtesse ist sein Schatz und sie darf nicht beschädigt werden." Beinahe ungläubig starrte Prinz Finnian Farley mich an und blinzelte ein paarmal, bevor er sich räusperte und dann seine Kapuze wieder über die Augen zog. „Vielen Dank für die Auskunft Miss...?" „Gwenneth Norwood." Antworte ich auf seine Frage und beuge mich unmerklich vor, um einen Knicks anzutäuschen. „Dann danke Miss Norwood. Lass uns gehen Kellan." Sagte Prinz Finnian erst zu mir und dann zu seinem Begleiter, der daraufhin nickte und sich in Bewegung setzte, um seinem Prinzen zu folgen. Kellan drehte sich noch einmal kurz zu mir um und sah mich finster an, bevor beide aus meinem Sichtfeld verschwanden.

Irritiert starrte ich der Leibgarde des Prinzen nach. Was hatte ich ihm getan, dass er mich so ansah? Tief durchatmend setzte ich mich wieder auf meinen Stuhl und strich mir eine lose Strähne meines lockigen schwarzen Haares hinters Ohr. Was der Prinz wohl von Rhaka wollte? Vielleicht wollte er seine Zukünftige kennenlernen, bevor beide vor dem Altar standen? Die Hochzeit würde wohl bereits nächsten Monat stattfinden und soweit mir bekannt war, hatten sich die beiden noch nicht gesehen – und ich saß schließlich an der Quelle.

Gräfin Rheya hatte die Angewohnheit mir alles Mögliche über ihr Leben und Rhaka zu erzählen und darunter war natürlich auch von der Hochzeit die Rede. Die Gräfin war ganz aufgeregt und unfassbar glücklich über diese Vermählung, während Rhaka sich da noch etwas sträubte. Rhaka erzählte mir, dass sie sich oft mit ihrem Vater stritt. Sie wollte die Hochzeit zumindest eine Zeit lang verschieben und erstmal das Land und die Menschen kennenlernen, bevor sie Königin würde, doch ihr Vater beharrte darauf, dass sie zu schützen sei und sie niemals das Haus vor der Ehe verlassen dürfe. Ihr wäre sogar eine Leibgarde zugeteilt worden, die sie bis zur Toilette verfolge. Mir tat Rhaka unendlich leid. Niemand wusste genau wie sie aussah und ich empfand das tatsächlich als einen Verlust der Gesellschaft. Ihre Schönheit war unbeschreiblich, die Erzählungen waren ihr nicht annähernd gerecht. Doch das würde niemand erfahren bis zu ihrer Hochzeit.

„Gwenneth!" ich schreckte aus meinen Gedanken auf und starrte Calima an, die mir wild vor dem Gesicht herumfuchtelte. „Ich rede mit dir, Gwen. Ist alles ok? Du bist plötzlich ganz blass geworden. Und dabei dachte ich, dass deine sowieso schon weiße Haut nicht noch heller werden könnte. Was ist passiert?" ich schüttelte den Kopf und starrte Callie entgeistert an. „Der Prinz stand eben vor mir." „Bitte was? Der Typ in dem langen schwarzen Mantel war der Prinz? Heilige Sch-" „Callie!" unterbrach ich sie und sprang vom Stuhl auf. „Sprich bitte leiser. Sonst hört dich noch jemand." „Was wollte er?" Ich zuckte mit den Schultern und sah mich kurz um, bevor ich weitersprach „Er wusste irgendwie, dass ich mit der Grafenfamilie Raewyn zutun habe und hat mich nach der Comtesse gefragt. Ich hatte ihm ein wenig zu ihr gesagt und er war sehr überrascht über ihre Ausgangssperre und dann ist er wieder gegangen. Nichts weltbewegendes." „Hm." Machte Callie und tippte nachdenklich mit ihrem Zeigefinger gegen ihre Unterlippe. „Und was ist mit dem heißen Typen, der neben dem Prinzen stand?" fragte sie dann anzüglich grinsend und stupste mich leicht an. Ich schüttelte mit hochgezogener Augenbraue langsam den Kopf und schnaubte. „Was soll mit ihm sein, er sprach nicht mit mir und ich nicht mit ihm. Und dann sah er mich an als hätte ich seinen Welpen beleidigt, bevor er ging." Mit großen Augen sah Callie mich an. „Komischer Typ." „Komischer Typ." Stimmte ich zu und zuckte dann mit den Schultern. „Ist ja auch egal. Ich werde ihn zum Glück nie wiedersehen. Höchstens auf der Hochzeit des Prinzen und der Comtesse, wenn Rhaka mich dazu einlädt – und dann beachte ich diesen aufgeblasenen Leibgarden einfach nicht." „Natürlich." Callie nickte und ging grinsend zu ihrem Stand zurück.

꧁꧂

Natures HeritageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt