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Ich nehme meine Aufgabe als Mutter Tag an.

Ein Schwall voller Energie und Wärme überkam mich und ich spürte, wie meine Kräfte wieder zurückkamen. Meine Schmerzen verschwanden und meine Wunde schien zu verheilen. Erschrocken blickte ich meine Hände, Arme und Beine an. Alles an mir schien in einem weißlichen Licht zu leuchten und ich stand abrupt auf. Ich leuchtete wie die Sonne selbst und ich fühlte mich mächtiger als je zuvor. Es war wie ein Rausch und nahm mich vollständig ein. Und obwohl es mir Angst einjagte, wusste ich auch, dass es richtig war. Es sollte so kommen. Ich war als Mutter Tag geboren worden, mein Schicksal, meine Vorhersehung.

Ich sah Yeseda verächtlich an, doch sie wirkte nicht bedroht, eher zufrieden, was mich beunruhigte. „Lass Kellan und die anderen gehen, dann gebe ich dir die Kräfte." Ich wusste nicht, ob sie wusste, dass ich log, doch ich tat mein Bestes meine Aufgeregte Stimme so ernst wie möglich klingen zu lassen. Sie schüttelte jedoch den Kopf und kam näher, Kellan immer noch in ihrer Hand. Er sah mich mit großen Augen an und ich spürte wie die Gefühle in mir drohten herauszubrechen, wenn sie ihn nicht bald los ließ. „Erst die Kräfte." Yesedas Stimme war unerwartet bedrohlich und ich schluckte schwer. Was sollte ich tun? Wie konnte ich Yeseda aufhalten, ohne Kellan zu schaden? Hilfesuchend sah ich umher, doch nichts konnte mir helfen. Um uns herum standen die übriggebliebenen Schattengestalten und nur Kellan und ich waren übrig.

Als hätte etwas oder jemand meinen Körper übernommen, ergriff ich den Moment, indem Yeseda zu einer Schattengestalt blickte, entflammte meine Hände in gelb-weiße Flammen und schoss pures Licht in ihre Richtung. Ich traf sie genau, wo ich wollte – am linken Unterarm. Sie ließ Kellan keuchend los. Dieser trat eilig von Yeseda weg und schnappte sich sein Schwert wenige Meter entfernt. Wutentbrannt stürmte Yeseda auf mich los.

Wir kämpften. Wir verteilten gegenseitig Schlag um Schlag, Tritt um Tritt. Ich beschoss sie mit Licht und nutzte all meine Kraft, um ihr zu schaden, doch nichts passierte. Nicht einmal wirkte sie, als sei sie schwer getroffen worden oder erholte sich. Meine Gedanken kreisten. Was sollte ich tun?

Als ich mich kurz nach Kellan umsah, entdeckte ich, dass er bereits alle bis auf einen Schatten getötet hatte. Mein Herz wurde bei seinem Anblick ganz warm und ich fühlte eine Sehnsucht, die in diesem Moment unglaublich unangebracht war. Irritiert schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich wieder auf Yeseda.

Diese hatte nur Augen für mich. Sie stürmte auf mich zu. Ich wich aus hinter eine Säule. Eilig rannte ich hinter eine weitere und sah mich nach Yeseda um. „ES REICHT!", rief sie hasserfüllt und ich blickte herauf. Sie schwebte hoch in der Luft, einige Meter über mir und sah mich feindselig an. So wie ich weiß leuchtete, leuchtete sie nun lila. Ich schluckte. Das war nicht gut. „Du hast keine Chance gegen mich! Gib auf.", rief sie und ich blickte zu Kellan. Er hatte den Schatten besiegt und sah mich ebenfalls an. Er schien genauso ratlos wie ich.

Ich nächsten Moment regnete es lila Geschosse und ich rettete mich hinter die Säule. Die Geschosse prallten auf dem Boden um mich herum auf und explodierten in feine Teilchen, die überall liegen blieben. Erschrocken sah ich wieder zu Yeseda. „KOMM HER!" Sie schnellte in der Luft auf mich zu und ich begann panisch zu rennen. Als sie mich erreichte, packte sie mich am Haar und zog mich schmerzhaft nach hinten. Ich prallte mit dem Rücken am Boden auf und sie schwebte bedrohlich über mir. „Dann machen wir es eben anders.", sagte sie aggressiv und jagte mir ihre Hand in die Brust.

Das Gefühl ihre Hand in meinem Inneren zu haben, war seltsam. Sie war nicht physisch in mir, sondern eher geistig. Sie griff nach meiner Seele – meinem Sein – und mir blieb die Luft weg. Mein Blick verschwamm und Tränen liefen meine Wangen herunter. Es war schmerzhaft. Es fühlte sich an, als würde mich das pure Böse umhüllen und mir mein Leben nehmen. Keuchend versuchte ich ihre Hand aus meiner Brust zu ziehen, doch sie war viel mächtiger als ich.

Ich konnte nichts mehr sehen. Alles war schwarz, obwohl ich meine Augen weit geöffnet hatte. Ihre Dunkelheit hatte mich fast aufgefressen. Und gerade als ich dachte, ich wäre verloren erschien vor mir ein weißes Licht und das Gesicht meiner Mutter tauchte auf. „Tu es. Jetzt.", flüsterte sie. Was muss ich tun?, fragte ich sie. Ich verstand nicht. „Leg deine Hand an ihre Stirn. Mach dass sie ihre Kräfte nie mehr nutzen kann." Aber wie? Warum musste sie so in Rätseln sprechen? Doch damit verschwand sie und ich war auf mich alleine gestellt.

Der Schmerz durchzuckte mich und ich keuchte. Panisch versuchte ich Yeseda mit meinen Händen wegzudrücken, doch es brachte nichts. Als ich mit meiner Hand über ihre Nase wischte, ergriff ich die Chance und ertastete ihre Stirn. Ich konnte noch immer nichts sehen, doch ich könnte fühlen. Mit der Handfläche auf ihrer Stirn, konzentrierte ich mich auf sie und drang in ihre Seele, so wie sie in meiner war. Ihre Seele war beinahe lieblos und so schwarz und leer, dass ich eine Gänsehaut bekam.

Ich setzte meine gesamte Kraft frei und schloss ihre Macht in ihrem Inneren ein, wie eine Mauer, durch die nichts und niemand hindurchkommen könnte. „Nein! Was hast du getan?!" Yeseda fiel neben mir zu Boden und ihre Hand verließ meinen Körper. Meine Sicht kam langsam zurück und ich schnappte gierig nach Luft. Meine Lunge brannte und ich hustete, bevor ich mich aufrichtete und in Yesedas verschwommenes Gesicht sah. Sie weinte und versuchte krampfhaft ihre Macht einzusetzen, doch nichts tat sich. „WAS HAST DU GETAN?!", fragte sie so voller Hass, dass ich fürchtete, sie selbst würde in Feuer aufgehen. „Ich habe deine Kräfte weggesperrt. Du wirst sie nie wieder nutzen können und auch sonst niemand. Dein unsterbliches Leben wirst du ohne Kräfte verbringen müssen.", meine Stimme war eiskalt. Ich verachtete diese Frau, die mir und meinen Freunden so viel Schaden zugefügt hatte.

Yeseda kauerte am Boden und begann zu weinen. Ob aus Trauer oder Wut wusste ich nicht, doch es war mir egal. Ich sah zu Kellan, der das ganze scheinbar beobachtet hatte. Er sah mich mit großen Augen an, wusste wohl nicht was er sagen sollte – und ich wusste es auch nicht. Alles was ich wollte, war nachhause gehen. Doch das konnte ich nicht. Ich war nun Mutter Tag. Ich hatte kein Zuhause mehr auf der Erde.

Ich sah mich im Raum um und entdeckte meine Freunde und meine Mutter, die immer noch am Boden lagen. Mit einem tiefen Atemzug setzte ich eine Welle der Energie frei und heilte sie alle auf einmal. Nach und nach standen sie auf und sahen sich verwirrt um. Rhaka fiel Finnian in die Arme und auch Mari und Calima umarmten sich erleichtert. Meine Mutter kam lächelnd auf mich zu. „Du hast es geschafft." Ich nickte nur. „Ich bin sehr stolz auf dich." „Danke.", sagte ich und lächelte sie matt an. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte meine Freunde nicht verlassen. Betroffen sah ich zu Kellan, der sich zu den anderen gesellt hatte. Er blickte mich ebenfalls an, doch ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Ich blickte wieder zu meiner Mutter. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie mich verwundert und ich schüttelte langsam den Kopf. Meine Mutter blickte zu meinen Freunden und wieder zu mir und nickte dann. „Ich verstehe. Mach dir keine Sorgen, du kannst dich bei deinen Freunden verabschieden. Ich werde nach Elysia zurückkehren und alles für deine Ankunft vorbereiten." „Gib mir ein paar Tage, dann kann ich die Hochzeit meiner Freunde miterleben." Meine Mutter grinste. „Natürlich."

Wir umarmten uns fest und sie blickte mich noch einmal lächelnd an,bevor sie Yesedas Hand nahm, ihre Augen schloss und beide in weißem Lichtaufgingen. Damit verschwanden sie und ich drehte mich zu meinen Freunden.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now