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Keuchend und hustend riss ich meine Augen auf und schaute mich panisch um. Meine Lungen verlangten schmerzhaft nach Sauerstoff und ich atmete in großen schnellen Zügen, um so viel Luft wie möglich einzusaugen. Als ich mich etwas beruhigt hatte, entdeckte ich, dass ich neben dem schwarzen Teich lag. Kellan hockte neben mir und Rhaka, Mari und Finnian standen keinen Meter neben uns. Kellan war bis aufs Haar klatsch nass und ich sah ihn fragend an. „Wieso bist du so nass?", kam ungewollt aus meinem Mund und ich ohrfeigte mich in Gedanken. „Verdammt Gwen, ich habe dich aus dem Wasser gezogen, deshalb bin ich nass. Was hast du dir dabei gedacht? Was sollte das?" Mein Blick fiel auf das schwarze Wasser und sofort kam die Erinnerung zurück. Entgeistert starrte ich Kellan an. „Hörst du mich? Hört sie mich? Ist sie taub geworden?", fragte Kellan wütend und sah erst zu mir und dann zu den anderen.

Rhaka hockte sich neben mich und legte eine Hand auf meine Stirn. „Sie ist ganz kalt.", besorgt sah Rhaka zu Finnian und dann wieder zu mir. Kopfschüttelnd stand ich auf und lockerte das nasse Hemd und die nasse Hose, die an meinem Körper klebten. „Mir geht es gut, danke.", sagte ich darauf hin und öffnete den Knoten in meinem Haar. Die Blume in meinem Haar war unversehrt und ich steckte sie zurück hinter mein Ohr. „Was hast du in dem Teich gemacht?" Ich sah Rhaka an und konnte selbst kaum glauben, was ich da sagte. „Ich habe meine Mutter gesehen." Und damit erzählte ich den anderen, was genau unter Wasser passiert war.

Als ich fertig war, starrten mich alle einfach nur an. Kellan war der Erste, der sich zu Wort meldete. „Das ist ein Scherz, oder?" wütend atmete ich tief durch und verdrehte genervt die Augen. „Sehe ich so aus als würde ich Witze reißen? Als hätte ich nichts Besseres zu tun." Kellan schnaubte und ich wandte mich an Rhaka. „Ich kann es doch selbst kaum glauben. Aber ich glaube nicht, dass das ein Fiebertraum war."

„In Ordnung, ich glaube dir. Wir sollten aber nun wirklich weg von hier." Rhaka war ganz nervös und ich verstand genau weshalb. Dieser Teil des Waldes war furchteinflößend und ich war mir sicher, dass ich nicht die Einzige mit einer konstanten Gänsehaut war.

Wir drehten uns wortlos zum Gehen, als ein lauter Donner ertönte und Blitze kurzzeitig den Himmel erhellten. Im nächsten Moment stand eine Frau mit glatten schwarzen Haaren und leuchtenden lilafarbenen Augen einige Meter von uns entfernt und sah mich hinterlistig grinsend an. Sie trug ein langes schwarzes Kleid mit silbernen Stickereien am Saum und den Ärmeln. Ihre schmalen Augen funkelten und in dem schlechten Licht der Nacht konnte ich gerade so die Aufmalungen in ihrem Gesicht erkennen. Von ihrem Haaransatz bis zur Mitte der Stirn prangte ein schwarzer Strich, genauso wie vom Kinn bis über die Unterlippe und von beiden Augenlidern hoch über die Schläfe. Auch ihre Wangen unter den Wangenknochen waren von den Mundwinkeln bis hin zu den Ohren schwarz bemalt und bei einem weiteren Blitzlicht erkannte ich auch die Narben dreier Klauen über ihrem linken Auge.

Das Blut in mir gefror und ich wusste genau, wer vor mir stand. Yeseda, meine ... Tante.

Sie setzte sich in Bewegung und ging bedrohlich auf uns zu, doch ich konnte nichts tun, ich war starr wie ein Eisblock. Zum Glück jedoch wussten Kellan und Mari genau, was zu tun war. Beide zogen ihre Schwerter und während Mari sich vor Rhaka und Finnian stellte, trat Kellan schützend vor mich. Sein süßlicher Duft trat in meine Nase und benebelte mich für einen kurzen Moment, bis mir wieder einfiel was gerade geschah.

Yesedas Hände leuchteten lila und während sie immer näher kam, machte sie mit ihnen beschwörerische Gesten, die mich zuerst verwirrten. Doch als die Schatten um uns herum anfingen sich zu bewegen, keuchte ich erschrocken auf. Kellan blickte irritiert hinter sich und schnaubte wütend.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Mari und Kellan rannten auf Yeseda los. Yeseda kämpfte mit ihren lila Flammen, Kellan und Mari mit ihren Schwertern. Die Schatten um uns herum formten sich zu schwarzen Gestalten und packten Rhaka und mich. Finnian entwich einer Gestalt und zückte ebenfalls ein Schwert, um sich gegen sie zu wehren. Rhaka versuchte erfolglos sich zu befreien. Doch ich? Ich war immer noch wie gelähmt. Es kam mir alles so surreal vor. Ich blickte umher. Kellan und Mari kämpften noch immer. Rhaka zappelte in den Armen einer Gestalt. Und Finnian kämpfte gegen eine weitere.

Doch so schnell das Geschehen um mich herum auch war, so langsam verfolgte ich es. Es ging an mir vorbei wie in Zeitlupe. Ich hörte nichts als das Rauschen meines Blutes in den Ohren und spürte nur die festen Griffe der Gestalt hinter mir, die mich glaube ich in Richtung Waldmitte ziehen wollte. Ich weiß es nicht, ich bekam nichts mehr mit.

Bis ich Rhaka schreien hörte. Die Zeitlupe war vorbei und die Stille wurde plötzlich von Kampfschreien und Rufen ersetzt. Irritiert schüttelte ich den Kopf und sah erschrocken zu Rhaka, die leblos am Boden lag. Mein Herz setzte einen Moment aus. Nicht Rhaka!

Sofort begann ich mich gegen die Gestalt zu wehren. Ich fuchtelte mit den Armen umher und spürte in mir weder eine Hitzewelle aufkommen. Panisch sah ich zu meinen Händen, die nun in gelblichem Licht zu leuchten begannen und in der Hoffnung damit etwas zu erreichen, wandte ich mich so gut es ging der Gestalt zu und rammte ihr meine leuchtenden Hände in den Torso. Die Gestalt ging in leichten Rauch auf und war daraufhin verschwunden. Meine Erleichterung dauerte nicht lange an, denn ich sah zu Finnian, der versuchte an zwei Gestalten vorbei zu Rhaka zu gelangen. Mit meinen immer noch leuchtenden Händen rannte ich zu ihm und stieß beiden Gestalten eine Hand in den Rücken. Sie lösten sich auf und ich sah zu Finnian. Er war völlig verschwitzt und nickte mir dankend zu. Ich deutete auf Rhaka. „Nimm sie und verschwindet aus dem Wald." Er nickte nur, hob Rhaka behutsam auf seine Arme und rannte los.

Ich hörte Kellan keuchen und mein Blick fiel auf ihn am Boden vor einer sehr wütenden Yeseda, die sich bedrohlich über ihn gebeugt hatte. Mari lag ein wenig weiter regungslos am Boden. In mir regte sich plötzlich eine Angst und Wut, die ich mir nicht erklären konnte, doch ich wusste ich würde Kellan nicht sterben lassen. Nicht hier, nicht jetzt.

Hilflos kniete ich zu Boden und griff ins Gras unter mir. Es war als würde all meine Energie durch meine Hand in den Boden fließen und sich mit der Natur verbinden. Meine Hände leuchteten grünlich und ich spürte jeden Grashalm, jedes Blatt, jeden Ast von jedem Baum im Umkreis und ich spürte Mari, Kellan und Yeseda. Als wüssten die Pflanzen genau was ich von ihnen wollte, schlangen sich plötzlich dicke Ranken um Yesedas Arme und Beine und fesselten sie kurz bevor sie Kellan mit ihren flammenden Händen traf. Yeseda wurde einige Meter hoch transportiert und versuchte sich zwanghaft aus den Ranken zu befreien, doch sie hielten ihre Hände und Füße so fest, dass sie sie nicht bewegen konnte.

Wütend starrte sie mich an. „Wie kann das sein?! Du hast deine Kräfte doch noch nicht einmal angenommen!" ihre Stimme war kratzig und hysterisch. Ich verstand nicht genau, was sie damit meinte, doch ich hatte gerade keine Zeit dafür. Ich eilte zu Kellan und half ihm auf, bevor ich auf Mari deutete und ihn bedeutend ansah. „Verschwindet, schnell. Ich weiß nicht, wie lange ich sie noch aufhalten kann." „Bist du verrückt?! Ich lasse dich bestimmt nicht zurück.", Kellan sah mich mit einer Mischung aus Wut, Besorgnis und Fassungslosigkeit an und ich schluckte schwer, als ich sah, dass sein linkes Auge blutig und angeschwollen war. „Wartet am Ende des Waldes auf mich, ich werde nachkommen." Zögernd verließ mich Kellan, schnappte sich eine halb-ohnmächtige Mari und rannte mit ihr ebenfalls aus dem Wald hinaus.

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