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Der Markt war so voll wie immer und ich konnte von Weitem erkennen, dass Cali viel zu tun hatte. Ich trat näher an ihren Stand und tippte ihr von hinten auf die Schulter. Erschrocken drehte sich der Rotschopf um und sah mich ungläubig an. Ich lächelte entschuldigend und war wie erstarrt, als sie mich stürmisch umarmte. „Wo zum Teufel warst du?! Weißt du wie besorgt ich war? Ich bin extra zum Grafenhaus gefahren, um Gräfin Rheya nach dir zu fragen. Als sie mir sagte, du wärst vom Grafen gefeuert worden, hatte ich gedacht du hättest dir vielleicht etwas angetan! Ich habe dich nirgendwo gefunden. Und dann war auch noch die Comtesse verschwunden und dann dachte ich, vielleicht hast du sie entführt – oder sie dich – und-" „Cali, stopp. Hol erstmal tief Luft.", unterbrach ich sie und sie ließ mich los. Ihr Blick war sowohl traurig als auch glücklich und ich versuchte mich zu beherrschen und nicht loszuheulen. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du weggehst?", fragte sie traurig und ich sah, wie eine Träne ihre Wange herunterkullerte. Ich wischte sie mit dem Daumen weg und seufzte. „Es tut mir leid, Cali. Ich war so verärgert über den Grafen und auch so traurig über die verlorene Arbeit und als die Comtesse vor meiner Tür stand und mich fragte, ob ich mit ihr durchs Land reisen wollte, hatte ich einfach zugesagt. Aber glaub mir, du hast mir jeden Tag gefehlt. Es ist so viel passiert..." „Ach ja? Also hier ist absolut nichts passiert, alles war wie immer. Nur dass dein Ersatz eine völlig ungehobelte Kuh ist, die die Töpferwaren weit unter Wert verkauft und mehr als die Hälfte des Umsatzes einsteckt, ohne dass der Graf davon weiß." Ich musste Lachen bei Calis Blick. Sie war ernsthaft angewidert von der neuen Verkäuferin.

„Kannst du den Rest des Tages frei machen? Wir gehen zu mir und ich erzähle dir alles." „Das halte ich für keine gute Idee.", funkte Kellan plötzlich dazwischen und ich sah ihn verständnislos an. „Das dürfte wohl meine Entscheidung sein, oder nicht?" „Theoretisch ja, praktisch hat der König es allerdings untersagt darüber zu sprechen." Wütend schnaubte ich. „Keiner hat dich gebeten hier zu sein Kellan, also geh zurück zum Grafenhaus. Ich werde Cali jedenfalls alles erzählen. Sie ist wie meine Schwester und damit ein Teil meiner Familie." „Der Prinz bat mich, dich zu begleiten. Und tolle Familie, die du da hast, wenn du sie so mir nichts dir nichts verlassen kannst, ohne ihr Bescheid zu geben." „D-Das geht dich überhaupt nichts an!", gab ich völlig schockiert wieder. Kellan schnaubte und Cali räusperte sich. „Habt ihrs dann?" Verwirrt sah ich zu Cali. „Also ehrlich, eure Beziehungsprobleme könnt ihr zu einem anderen Zeitpunkt lösen, ich will jetzt erstmal alles wissen." Schockiert sahen Kellan und ich uns an, blickten dann aber sofort wieder weg. Beziehung? Mit Kellan? Niemals.

Cali wandte sich an den Stand neben ihr, der Schafswolle verkaufte und bat darum ihren Stand für heute zu betreuen. Daraufhin liefen wir gemeinsam durch den Grätenwald zu meinem Haus und ich bereitete Tee für uns zu. Wir setzten uns in die Küche, während Kellan vor der Haustür auf der Bank wache hielt.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich Cali alles erzählt hatte und sie unterbrach mich kein einziges Mal. Sie war wie gebannt von meiner Geschichte und sah mich mit großen Augen an. „Wow...", brachte sie nur heraus als ich fertig war. Ich grinste verlegen. „Ich weiß, das muss seltsam auf dich wirken, aber es ist tatsächlich alles so passiert." „Seltsam ist untertrieben, aber ich glaube dir. Warum solltest du mich anlügen." „Das würde ich nie tun. Vor allem nicht, wenn es um so etwas geht." Ich legte die Hände zusammen und zauberte eine weiße Lilie, die ich ihr vor die Nase hielt. Mit großen Augen starrte sie von mir auf die Blume und wieder zurück.

„Das ist unfassbar." Cali nahm mir die Blume ab und sah sie sich begeistert an. „Und was hast du nun vor? Was kommt jetzt?" Ihre Frage war berechtigt, was kam denn nun? Ich wusste selbst nicht was ich vorhatte. Ich konnte meine Kräfte einigermaßen gut beherrschen und mehr oder weniger kämpfen – oder mich zumindest verteidigen –, doch das war alles. War ich bereit Yeseda gegenüberzutreten? Würde ich jemals dafür bereit sein? Vermutlich nicht.

„Ich weiß es noch nicht. Erstmal steht die Hochzeit von Rhaka und Finnian an und danach sehen wir weiter, denke ich." Cali nickte nur und steckte sich die Lilie in ihre rote Mähne. Sie stand ihr gut. Ich seufzte und stand auf. „Kellan und ich müssen zurück zu den anderen. Wir wollen wieder zum Schloss, damit wir dort die Hochzeit in Sicherheit feiern können." Nachdenklich steht Cali ebenfalls auf und sieht mich dann entschlossen an. „Ich komme mit." Überraschung kam in mir auf und ich lächelte breit. „Wirklich? Geht das denn? Was ist mit deinem Stand?" „Es ist mein Stand und ich verkaufe meine Lebensmittel wann und wie ich will und wenn ich beschließe Urlaub zu machen, dass mache ich das. Also keine Widerrede, ich komme mit." Stürmisch umarmte ich Cali. Ich war unendlich glücklich, dass sie mitkommen würde.

Mit Kellan machten wir uns auf den Weg zum Grafenhaus, vor dem die anderen bereits warteten. „Gräfin Rheya, schön Euch zu sehen.", sagte ich ehrlich erfreut und verbeugte mich vor ihr. Sie schnalzte lächelnd mit der Zunge und umarmte mich fest. „Du weißt, dass du mich einfach Rheya nennen sollst. Es freut mich sehr dich zu sehen Gwen. Es ist lange her." Sie löste sich von mir und hielt mich sanft an den Schultern. „Es tut mir sehr leid, dass mein Mann dir gekündigt hat. Ich hatte danach leider keine Gelegenheit mit dir zu sprechen." „Danke sehr, aber es ist in Ordnung. Ich denke es musste alles so kommen." Sie nickte erleichtert und ließ dann von mir ab. Wir verabschiedeten uns nacheinander von ihr und setzten uns in die von Rheya bereitgestellte Kutsche, die uns wieder nach Civita bringen sollte.

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Natures HeritageOù les histoires vivent. Découvrez maintenant