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Die Wunde hatte keine Narbe hinterlassen. Isodran hatte anscheinend die Wunde nicht nur geheilt, sondern förmlich ungeschehen gemacht. Leider konnte er das nicht mehr für die anderen Wunden machen, die Yanec mir zugefügt hatte. Mein Bauch war gezeichnet von kleinen und großen Narben, die noch rosafarben waren. Ein Zeichen dafür, dass sie noch frisch waren. Mein Blick wanderte weiter über meine Brust und meine Arme, voll mit Narben. Ich war abstoßend. Ein kleiner Teil von mir war froh, dass Kellan niemals meinen Körper mit all den Narben sehen würde. Er hatte meine Wunde verbunden, doch ich bezweifele, dass er viel mehr als meinen Bauch gesehen hatte. Ich war erleichtert.

Seufzend legte ich das Nachthemd in einen Korb, der neben dem Waschbecken stand und zog auch meine Unterwäsche aus, bevor ich mich in die Badewanne legte und mich an der Hitze des Wassers erfreute. Ich spürte, wie meine Muskeln nach all den Strapazen der letzten Wochen endlich entspannten und plötzlich kam alles über mich herein. Ich begann zu weinen. Mein Herz schmerzte so sehr. Wo war ich da nur hineingeraten? Wieso musste mich dieses Schicksal ereignen? Alles was ich wollte war die Töpferwaren der Gräfin verkaufen und mit Cali bis zum Ende meines Lebens gemeinsam unsere Waren verkaufen. Ein einfaches Leben und doch eines ohne Kräfte, Kämpfe, Leid, Schmerzen... Liebe. Ein Leben ohne Liebe. Das war was ich wollte. Vielleicht hätte ich doch irgendwann jemanden getroffen und mich verliebt, doch es war nie vorhergesehen. Nie etwas was ich unbedingt wollte. Und doch fand ich sie in Kellan. Den ich kennenlernen durfte dank meiner Bekanntschaft mit Rhaka. Hätte Finnian mich nicht angesprochen, wäre ich Kellan vielleicht nie begegnet. Ich war dankbar, kein Zweifel. Ich liebte Kellan und ihn zu verlassen, war das Schlimmste, was ich je tun musste. Und doch, egal wie sehr ich Kellan liebte, wünschte ich mir, dass ich ein normales Leben hätte Leben dürfen.

Ich lag noch sehr lange in dem heißen Wasser, weinend und schluchzend. Ich vermisste Kellan. Ich vermisste auch Cali, Rhaka, Rheya, Mari und Finnian, aber vor allem vermisste ich Kellan. Mein Blick fiel auf das Nachthemd im Korb und ich erinnerte mich an die Münze, die ich in den Innensaum des Kleides gelegt hatte. Ich stieg aus der Badewanne, wickelte ein Handtuch um meine Haare und meinen Körper und suchte im Nachthemd nach der Münze, während das Wasser in der Wanne ablief.

Die Münze war leicht verfärbt und schmutzig, ich schätzte Kellan hatte sie auf dem Boden gefunden. Verträumt drehte ich die Münze zwischen meinen Fingern und lächelte traurig. Ich fragte mich, ob Kellan überhaupt aufgefallen war, dass ich ihm diese Münze weggenommen hatte, doch dann schüttelte ich meinen Kopf. Wie sollte ihm auffallen, dass ich einen Soli von ihm genommen hatte.

Ich ging zurück in mein Zimmer und trat an den Schreibtisch. Vorsichtig öffnete ich die linke kleine Schublade und legte behutsam die Münze dort hinein, bevor ich die Schublade wieder schloss. Ich ging zum Schrank, nahm mir Unterwäsche heraus, zog mir diese und das blassgrüne Kleid auf dem Bett an und stellte mich dann vor den Spiegel.

Das blassgrüne Kleid war wunderschön. Es hatte einen herzförmigen Ausschnitt und saß am Oberkörper enger, bevor es von der Taille herab in mehreren leichten Lagen wie ein Wasserfall floss. Die Puffärmel waren leicht transparent, aber dicht genug, damit die Narben an meinen Armen nicht zusehen waren. Am Handgelenk kamen die Puffärmel wieder eng zusammen durch ein Band, dass ich mit einer Schleife fest machte. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Bei dem Gedanken kam mir Rhaka in den Sinn. Sie würde bald Königin werden und ich war nicht dabei, um ihre Krönung feiern zu können. Ein Schwall Traurigkeit übermannte mich wieder und ich atmete tief durch. Ich musste langsam aufhören zu weinen!

In der Kommode entdeckte ich im untersten Fach einige paar Schuhe. Es waren einfache lederne Sandalen in den verschiedensten Farben. Braune, weiße, schwarze, graue, rote – alles Mögliche. Ich schnappte mir die braunen Sandalen, zog sie an und war erstaunt. Sowohl das Kleid als auch die Schuhe passten mir wie angegossen. Woher wusste meine Mutter meine Kleider- und Schuhgrößen? Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich dann an den Tisch.

Wie ich feststellen konnte, war es ein Tisch, den man bei Bedarf zu einem Schminktisch umfunktionieren konnte. Einen Teil der Tischplatte konnte man aufklappen und darunter befand sich der Spiegel, befestigt an dem aufgeklappten Teil. Die Platte lehnte an der Wand und konnte mit einem aufstellbaren Scharnier festgestellt werden, dass es nicht wieder umkippen würde. In den größeren Schubladen des Schreibtisches befanden sich mehrere Bürsten und Kämme und weitere Cremes und Lotionen, sowie Schminke und Haarschmuck.

Ich löste das Handtuch aus meinen feuchten Haaren und begann meine Haare zu kämmen, als es an der Tür klopfte. Meine Mutter trat ins Zimmer und kam zu mir an den Tisch. „Du siehst wunderschön aus, Alvena.", sagte sie lächelnd und nahm mir die Bürste ab. Sie begann meine Haare zu kämmen und strich sanft durch mein Haar, als wolle sie es nicht beschädigen. Ich schloss die Augen, es war ein schönes Gefühl. Es erinnerte mich an meine Patenmutter. Sie hatte mir als Kind auch immer die Haare gekämmt, nur war sie nie so sanft, sondern immer etwas ruppig.

Als ich meine Augen nach ein paar Minuten wieder öffnete, sah mich meineMutter lächelnd im Spiegel an. Ich stutzte. Sie hatte einen Teil meiner Haare hinten festgebunden und ein paar Strähnen meines Haares geflochten. Es war eine einfache und doch schöne Frisur und ich lächelte sie an. „Danke.", sagte ich und stand auf. Meine Mutter legte die Bürste zurück in die Schublade, nahm dann meine Hand und deutete auf die Tür. „Wollen wir?"

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now