Kapitel 36 - Jake

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Jake saß im Garten seines Elternhauses, auf einer der teuren metallicfarbenen Liegen, die um den nierenförmigen Pool arrangiert waren und starrte auf das vom Chlor gereinigte blaue Wasser. Das leise Surren der Filteranlage bildete einen monotonen Hintergrund für das fröhliche Gezwitscher der Vögel. Zwar drangen die Geräusche in Jakes Gehör, er nahm sie jedoch nicht bewusst wahr.

Stattdessen schweiften seine Gedanken ständig zu Dee. Er war kein Psychologe, aber er vermutete, dass das völlig normal sein musste, nachdem was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Dieses plötzliche Bedürfnis, in ihrer Nähe sein zu wollen, kam sicher von dem Wunsch, sich mit ihr über das Erlebte auszutauschen.

Die neu erwachte Vertrautheit zwischen Dee und Richie hatte natürlich rein gar nichts damit zu tun. Aufgefallen war es ihm zwar schon, dass sich zwischen den Beiden etwas verändert hatte, zugegeben. Aber sicher ging es Richie einfach nur ganz ähnlich wie ihm selbst gerade. Kein Grund eifersüchtig zu sein, Gott bewahre, er sowieso nicht. Jake sah sich selbst als Freigeist, Themen wie Beziehung, Liebe oder Eifersucht interessierten ihn wenig.
Deshalb war es auch absolut keine große Sache für ihn, Dee zu fragen, ob sie gemeinsam etwas unternehmen wollten. Denn das war schließlich in keiner Weise als Date gedacht. Nur ein Treffen unter sehr guten Freunden.

Er nahm sein Mobiltelefon und tippte: „Ich würde mal zum St Paula Canyon fahren, hier geht man echt ein vor Hitze. Kommst du mit?" Er versendete die Nachricht und legte das Telefon zur Seite. Ganze fünf Minuten hielt er es aus, dann checkte er das Display. Kein Signal für eine eingehende Nachricht. Jake runzelte die Stirn. Vielleicht stimmte ja auch etwas nicht mit dem Empfang. Vorsorglich überprüfte er, ob WLAN funktionierte, doch die Kontrolllämpchen des Routers strahlten ihm allesamt in einem fröhlichen, hellen Grün entgegen.

Möglicherweise hatte Dee gerade keine Zeit ihre Nachrichten zu lesen, weil sie sich bei jemand anderem aufhielt? Bei Richie zum Beispiel? Was absolut legitim wäre! Jake nagte an seiner Unterlippe, während er Snapchat öffnete, um auf der Snapmap Dees Bitmoji zu suchen. Seine Finger flogen dabei nur so über das Display. Er zoomte ihren Avatar heran, der sich am Standort ihres Zuhauses befand. Es war auch kein weiteres Bitmoji in der Nähe zu erkennen.

Jakes Gesichtszüge entspannten sich. Erleichtert legte er sein Mobilphone zur Seite.

***

Dee lag in der denkbar unbequemsten Position auf ihrem Bett, was sie aber nicht daran hinderte, tief und fest einzuschlafen. Nachdem sie aus der Schule gekommen war, fühlte sie sich so erledigt wie schon lange nicht mehr. Dabei hatte sie eigentlich geplant, auf dem Dachboden die alten Kisten zu durchsuchen, um mit etwas Glück vielleicht auf das mysteriöse Amulett aus ihren Träumen zu stoßen. Nach allem was bisher geschehen war, ging Dee mittlerweile davon aus, dass dieses Amulett in irgendeiner Form genauso existierte wie ihre anderen Traumbilder.

Sie glaubte nicht länger nur an ein Traumsymbol, das ihr Gehirn entworfen hatte, und das es zu interpretieren galt.

Aber bevor sie auf den Dachboden kletterte, um zwischen Staub und Spinnweben nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen, wollte sie sich wenigsten fünf Minuten Ruhe gönnen.

Es blieb nicht bei fünf Minuten. Nach fast einer Stunde schreckte Dee plötzlich aus dem Tiefschlaf hoch, weil draußen eine Autotür knallte. Sie blinzelte und brauchte einen Moment, um einen klaren Kopf zu bekommen. Sekundenlang wusste sie nicht, wo sie war.

Ihr Mobiltelefon blinkte. Sie griff danach und stellte fest, dass Jake ihr eine Nachricht gesendet hatte. Ihr Herzschlag, gerade noch im Schlafmodus, fing an zu hüpfen wie ein übermütiges Fohlen. Was mochte Jake von ihr wollen?

Sie las seinen Vorschlag, gemeinsam zum Canyon zu fahren. Kurz ließ sie ihren Blick durch ihr Zimmer schweifen. Hatte sie noch ein frisch gewaschenes T-Shirt? Wo war ihr Bikini? Sie realisierte, dass sie sich schon entschieden hatte. Projekt Dachboden musste warten.

The Soulcollector - Rätselhafte TodesfälleWhere stories live. Discover now