Kapitel 49 - Es gibt für alles eine App

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Als Dee erwachte, brauchte sie eine Weile, um sich zu orientieren. Ihr Zimmer lag in völliger Dunkelheit und durch die Lamellen der Rollläden fiel noch kein Licht. Nur ein grauer Schimmer, nicht heller als undurchsichtiger Nebel, tauchte den Raum in einen gespenstischen Schleier.

Ihr Hals kratzte, was sie an ihr verrücktes Abenteuer erinnerte und die ganze Dramatik wieder aufleben ließ. Dee räusperte sich mehrmals, doch das Gefühl, ihr Rachen wäre einem Reibeisen zum Opfer gefallen, blieb. Müde griff sie nach der Wasserflasche und nahm einen vorsichtigen Schluck. Langsam ließ das Brennen in ihrer Kehle nach.

Die Erinnerung an den Traum flutete schlagartig ihr Bewusstsein. Sie tastete nach dem Schalter ihrer Nachttischlampe und nahm sich das kleine Notizbuch, das seit Neustem immer griffbereit neben ihrem Bett zu finden war. Zwischen den Seiten klemmte ein Kugelschreiber, der ihr dazu diente, zeitnah alle wichtigen Bestandteile eines Traums zu notieren.

- Mein  Urgroßvater schrieb irgendetwas. Im Traum dachte ich, es müsste ein Brief sein

- Die Schrift, die er benutzt hat, sah genauso verschnörkelt aus, wie bei den Briefen vom Dachboden.

- Herausfinden, was es für eine Schrift ist. Welche Sprache? Wahrscheinlich Deutsch?

Zum ersten Mal empfand Dee so etwas wie Aufregung. Trotz all der schlimmen Empfindungen, der Ängste und auch der Trauer der letzten Wochen, überkam sie gerade ein Funken Abenteuerlust. Nachdenklich schloss sie das kleine Notizbuch und legte es zurück.

Als sie kurze Zeit später ihr Mobiltelefon überprüfte, fand sie drei Nachrichten mit nahezu gleichem Inhalt von Jake, Richie und Bones vor.

„Bist Du ok? Melde Dich bitte!"

Gerührt beantwortete sie die Anfragen mit Alles klar und einem Daumen nach oben.

Aber obwohl - oder vielleicht auch gerade weil sie gestern dieses heftige Erlebnis mit den Jungs gehabt hatte, verspürte sie im Augenblick das dringende Bedürfnis,  ihre Freundinnen zu treffen. Ihnen von dem Traum mit den Briefen zu erzählen. Oder von der Schwitzhütte. Naja, davon vielleicht doch besser nicht. Aber Isabelles unbekümmertes Geplapper zu hören oder Allegras analytische Überlegungen.

Kurzerhand verfasste sie eine Nachricht:

„Muss Euch was erzählen. Und zeigen. Dringend. Um 16:00 bei mir? Diesmal mit Pizza?"

Sie versandte den Text in den Gruppenchat und hatte schon nach kurzer Zeit Antworten.

„Pizza klingt super", schrieb Allegra.
Und von Isabelle kam:
„Hey, hört sich ja aufregend an. Komme natürlich."

Nach den spontanen Zusagen ihrer Freundinnen war es Dee schlagartig leichter ums Herz. Müde ließ sie sich zurück auf ihr weiches Kissen sinken.

Minuten später war sie tief und fest eingeschlafen und erwachte erst wieder, als das düstere Morgengrauen der Helligkeit einer intensiven Mittagssonne gewichen war.

***

„Also einmal die Mama Del's Deluxe und zweimal die Pizza Farmers Market." Dee gab die Bestellungen in ihr Mobiltelefon ein. „Okay, bezahlt ist es auch, Lieferzeit etwa fünfunddreißig Minuten", informierte sie ihre Freundinnen, die es sich am Esstisch im Wohnzimmer der Garcias bequem gemacht hatten.

„Dann erzähl' schon mal, bis die Pizza da ist", sagte Isabelle mit einem neugierigen Blitzen in ihren blaugrauen Augen.

Allegra runzelte die Stirn und fixierte Dee mit angespanntem Blick.

„Puh, also ja, dann.....", Dees Atem ging ein wenig flatternd, „ich versuche es. Wisst ihr noch, was ich euch von meinen Träumen erzählt habe?"

„Du meinst von dem toten Mädchen?", fragte Isabelle.

The Soulcollector - Rätselhafte TodesfälleWhere stories live. Discover now