Tag 14.1

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Eine ganze Weile lagen sie still nebeneinander und schauten dem Feuer zu, dann räkelte sich Mara plötzlich.

"Weißt du, Arthur, du kannst mir gerne erzählen, was da draußen passiert ist." Sie drehte ihren Kopf so gut es ging zu ihm, um ihn anzusehen. "Natürlich nur, wenn du willst. Aber ich würde zuhören."

Arthur seufzte. "Ich weiß nicht recht... Es ist alles sehr seltsam." Er pausierte kurz, und auch Mara schwieg. Sie ließ ihm Zeit, weiterzusprechen. "Na gut." Arthur drückte sich sanft von ihr weg und setzte sich aufrecht hin. Sie tat es ihm gleich, kreuzte die Beine auf dem Sofa und setzte sich mit dem Gesicht in seine Richtung.

"Alles angefangen hat vor zirka einem halben Jahr. Ich sehe es noch vor mir - mein Vater hat Nachrichten geschaut im Fernsehen, und ich wollte gerade hinausgehen, als ich die Meldung gehört habe über den ersten Mord in Sedemoid. Mein Körper ist erstarrt, und ich habe gedacht, es wäre vom Schock." Er schüttelte den Kopf und vergrub diesen kurz in seinen Händen. "Aber das war's nicht. Am nächsten Tag war ein Artikel in der Zeitung. Ich weiß nicht mehr, was ich mir genau dabei gedacht habe, aber ich habe ihn ausgeschnitten und auf meinen Schreibtisch gelegt. Wie oft ich ihn gelesen habe, weiß ich nicht. Viele Male. Viel zu oft. Irgendetwas an ihm, an dem Mord, oder an ich weiß nicht was, faszinierte mich. Ich hatte das Gefühl, das es wichtig war, dass ich diesen Artikel so genau studierte.

Wenige Wochen später passierte dann der zweite Mord. In der Zwischenzeit hatte ich mir alle Aufnahmen, die ich über den ersten gefunden hatte, heruntergeladen und sogar einen Ordner dafür auf meinem Laptop gemacht." Er schüttelte den Kopf, wie dumm sich das anhören musste. Im Nachhinein erst sah er, wie ihn die ganze Sache mitgenommen hatte. "Die Mitteilungen über den zweiten Mord folgten natürlich in diesen Ordner. Und die der weiteren ebenfalls. Diese Verbrechen haben meine gesamte Energie gefordert, jede freie Minute verbrachte ich mit Recherche. Ich wusste aber nicht, was ich dann überhaupt noch recherchieren sollte, aber irgendetwas hielt mich trotzdem fest." Er machte eine Pause, ließ die Worte wirken. "Nach und nach habe ich mich dadurch natürlich auch von vielen Leuten distanziert. Am meisten wahrscheinlich von meinem Vater." Seine Augen schlossen sich und er ballte die Hände zu Fäusten. Wieso hatte er nicht erkannt, wie sehr ihn das verändert? Seine Beziehung zu seinem Vater war immer eine der wichtigsten überhaupt gewesen, wieso war sie ihm einfach so entglitten? "Mein bester Freund ist mir geblieben, ich habe es auch geschafft, immer noch an den Wochenenden fortzugehen. In der Schule hab ich mir leicht getan, und dann waren eh schon Ferien... Die anderen sind alle in den Urlaub gefahren, ich bin zu Hause geblieben...

Mein Vater hat nie etwas zu mir gesagt, obwohl es für ihn sicher schlimm gewesen sein muss. Bis kurz vor der Party, wo ich dich kennen gelernt habe." Er warf ihr ein Lächeln zu, dann konzentrierte er sich auf seine Finger, die sich in der Decke vergruben. "Er hat mir irgendwelche Märchen erzählt, von Blutmondgeborenen und Jägern und dass mein Großvater einer war und ich auch einer sein könnte." Mara runzelte die Stirn, unterbrach ihn jedoch nicht. Arthur verdrehte die Augen. "Ich hab natürlich gedacht, er ist verrückt. Oder mein Großvater konnte einfach ziemlich gut Geschichten erzählen. Was weiß ich. Aber mein Vater hat drauf bestanden, dass ich mich erkundige danach. Und das hab ich. Ich hab im Internet geschaut, und bin auf so eine Website gestoßen, wo ich mit jemandem Kontakt aufgenommen habe. Es ging dabei um Erfahrungsberichte von anderen, auf die das anscheinend auch zu traf. Naja, aber dann war die Party und da warst du." Er drehte den Kopf weg, wusste nicht genau, wie viel er sagen sollte, konnte oder wollte. "Wie soll ich sagen, ich musste von da an immer an dich denken." Den Teil, in dem er sich nicht mehr erinnern konnte, verschwieg er nach wie vor. "Eine Freundin hat dann erwähnt, dass sie deine Nummer hat, und ich habe sie mir geben lassen. Den Rest kennst du ja." Nun wagte er es doch und schaute in ihre Richtung. Auf ihrem Gesicht lag ein warmes Lächeln, und als sich ihre Blicke trafen, streckte sie ihre Hand nach ihm aus und legte sie auf seinen Unterarm.

Als er nicht mehr weiterredete, meldete sie sich wieder zu Wort. "Das klingt alles wirklich sehr außergewöhnlich. Aber Blutmondgeboren habe ich in meinem Leben noch nie gehört, magst du mir dieses Märchen vielleicht auch noch erzählen?"

Arthur verdrehte die Augen, aber gleichzeitig lief ihm ein Schauer über den Rücken. "Es geht darum, dass es Kreaturen gibt, die zu Blutmond geboren werden und dadurch spezielle Fähigkeiten erlangen. Meistens bringen sie allen, die mit ihnen zu tun haben, nur Ärger, Tod oder Verderben. Aber dann gibt es auch noch Jäger", auf Arthurs Armen breitete sich eine Gänsehaut aus, "deren Aufgabe es ist, die ihnen zugeteilten Blutmondgeborenen zu finden und zu erlösen. Wie sie das genau machen, weiß ich auch nicht, aber das wissen sie selber irgendwie. Auf jeden Fall sind die Monster dann von diesem Geburtsfluch befreit, und die Jäger haben ihre Lebensaufgabe sozusagen erfüllt. Ende der Geschichte."

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now