Tag 19

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Eine Weile stand Arthur einfach nur so da, ohne wirklich zu realisieren, was da gerade passiert war. Als die Erkenntnis langsam zu ihm durchdrang, trat er auf die Tür zu und hämmerte dagegen.

"Mara! Mara, mach auf!" Mit Schrecken sah er, dass er eine Blutspur an der Tür hinterließ, und er besah seine Hände: dass die Handflächen von seiner Flucht aus dem Wald aufgerissen waren, hatte er verdrängt.

Und ich bin mir vorhin damit auch noch durch die Haare gefahren!, schoss es ihm durch den Kopf und er konnte sich gerade noch davon abhalten, sich mit der flachen Hand auf die Stirn zu schlagen. Er musste jetzt schon aussehen wie ein Irrer, Blutverschmiert, zerkratzt und zerschunden. Kein Wunder, dass Mara ihn nicht einlassen wollte.

Er trat einen Schritt zurück und blickte sich um. Keine Menschenseele weit und breit. Wohin sollte er gehen? Mara reagierte nicht mehr, und er wollte nicht Sturm läuten und damit womöglich ihre kleine Schwester oder die hart arbeitende Mutter aufwecken. Aber irgendwo musste er sich waschen. Er wurde sich seinen Umständen immer bewusster. Sein Nacken klebte vom Schweiß, sein Gesicht brannte, wahrscheinlich hatten ihn im Wald viele Zweige schlimm zugerichtet. Seine Glieder schmerzten, und sein Kopf dröhnte.

Er versuchte es noch einmal, und klopfte wieder auf dieselbe Stelle. Wenn schon einmal Blut dort war, war es ja nun auch schon egal. "Mara! Lass mich bitte rein!"

Doch keine Reaktion.

Verdammte Scheiße! Er holte mit dem Bein aus und trat in die Luft. Ihm war zum Heulen zumute. Was war es eigentlich gewesen, dass die letzten Stunden so schief laufen hatte lassen? Wann hatte Mara beschlossen, ihm nicht mehr zu trauen? War es bereits am Weg zum Wald gewesen, als er ihr von seiner Hingezogenheit erzählte? Oder später, als er ohne sie den richtigen Weg fand? War es erst auf der Lichtung passiert, als er so von ihrer Schönheit überwältigt gewesen war? Oder erst vorhin, als er blutverschmiert um Einlass gebeten hatte?

Es war zum Verzweifeln. Aber irgendwo musste er hin. Arthur warf noch einen letzten Blick durch ein Fenster neben der Haustüre, doch nachdem es finster war, konnte er nichts erkennen. Er trat durch den kleinen Garten hinaus auf die Straße, und schlenderte langsam zurück in Richtung Kirche. Dann kam ihm eine Idee: Dieser Ort wirkte so alt, vielleicht gab es hier noch irgendwo einen Brunnen, an dem er sich waschen konnte. Wo würde der dann am wahrscheinlichsten stehen? Irgendwo in der Mitte des Ortes, wo ihn jeder gut erreichen konnte.

Mit frischer Energie beschleunigte Arthur seine Schritte etwas, doch er war immer noch quälend langsam unterwegs. Jede Bewegung schmerzte, doch er versuchte es zu unterdrücken.

Endlich war er am Kirchenplatz angelangt, doch einen Brunnen konnte er nicht erkennen. Er umrundete das Gebäude einmal, doch nirgends war etwas, das ihm helfen könnte.

"Verdammt!" Arthur ballte die Hände zu Fäusten, öffnete diese jedoch sofort wieder, da ein stechender Schmerz seine Gliedmaßen empor fuhr. Er fühlte sich so alleine wie schon lange nicht mehr. Seine Augen begannen zu brennen, doch er blinzelte die aufsteigenden Tränen weg. Nicht heulen. So weit war es auch noch nicht. Irgendeine Möglichkeit musste es noch geben.

Instinktiv beschloss er, einfach den Ort noch ein wenig abzugehen. Vielleicht würde er ja irgendwo auf frei zugängliches Wasser stoßen, oder auch auf einen Platz, wo er die Nacht verbringen konnte. Es war zwar nicht eiskalt draußen, aber wenn er stundenlang unbeweglich irgendwo am Boden liegen würde, wäre das wahrscheinlich auch keine so gute Idee. Er startete in eine Richtung, in der er zuvor noch nie gewesen war. Doch es sah nicht viel anders aus als bei Mara. Die Häuser waren ebenfalls alle finster, die Gassen dazwischen schmal, und nirgendwo auch nur die kleinste Möglichkeit, sich auszuruhen oder zu waschen.

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now