Tag 20

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Na toll, was nun? Vorsichtig, um seine Handflächen zu schonen, hob Arthur seinen Rucksack auf und hängte ihn sich um eine Schulter. Dann ging er langsam zurück zur Straße, drehte sich allerdings alle paar Meter um, in der Hoffnung, Mara würde ihre Meinung doch noch ändern.

Wohin sollte er denn jetzt gehen? Er könnte nach Hause fahren. Es war Freitagnachmittag, er würde noch alle Busse erwischen und am späten Abend heimkommen. Sein Vater war noch nicht zu Hause, der würde nichts mitbekommen.

Doch das, was dort im Wald geschehen war, ließ ihn nicht los. Es musste doch eine Erklärung geben, warum er sich so seltsam verhalten hatte. Irgendetwas war dort mit ihm passiert, und Arthur wollte wissen, was. Er würde also noch da bleiben und zumindest versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Gut, diese Entscheidung war also gefällt. Inzwischen hatte Arthur den Kirchenplatz erreicht und blieb stehen. Die nächste Frage hatte sich also offenbart - wenn er hier bliebe, bräuchte er einen Platz, wo er in der Nacht schlafen konnte. Bei Mara ging das ja nicht mehr. Aber sonst? Er kannte niemanden, daher blieb eigentlich nur der Unterstand auf dieser Koppel übrig. Wie lange hatte er denn eigentlich vor, zu bleiben? Arthur kramte in seinem Gedächtnis. Der Mond war in der letzten Nacht schon ziemlich voll gewesen, es konnte also gut sein, dass in der heutigen, oder spätestens der morgigen Nacht Vollmond wäre. Und welch besseren Zeitpunkt konnte es denn geben, um etwas Mystischem auf den Grund zu gehen.

Arthur seufzte einmal tief, dann trat er seinen Weg an und begab sich zu der Koppel zurück, wo er seinen Rucksack gleich in den Unterstand stellte, an einen Platz, wo man von außen nicht sofort hinsah. Immerhin wollte er nicht sofort alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sollte jemand von der Straße einen Blick darauf werfen.

Etwas unschlüssig entschied er sich dann, ein kurzes Nickerchen im Stroh zu machen. Er war immer noch ziemlich müde von den gestrigen Vorkommnissen. Gähnend ließ er sich zu Boden gleiten, streckte sich einmal und schob sich dann das Material so zu Recht, dass er halbwegs bequem darauf zu liegen kam. Seinen Rucksack benutzte er dabei als Kopfkissen. Es dauerte nicht lange und er war eingedöst.

Blinzelnd wachte er auf. Er streckte sich und warf einen Blick aus der offenen Seite des Unterstands. Die Sonne war bereits untergegangen, es musste also auf jeden Fall schon gegen sieben Uhr sein. Seufzend setzte Arthur sich im Stroh auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er tastete nach seinem Handy, und sah mit Schrecken, dass er nur mehr wenige Prozent Akku hatte. Doch die Uhr bestätigte seine Vermutung: Zwanzig Uhr Siebenunddreißig. Sollte er sich bereits auf den Weg machen? Wollte er das wirklich durchziehen? Schon alleine bei dem Gedanken, wieder alleine in den finstern Wald zu gehen, zog sich eine Gänsehaut über Arthurs Arme und ein Schauer lief seinen Rücken hinunter. Dennoch erhob er sich von seinem Schlafplatz, zog den Reißverschluss seiner Jacke bis ganz nach oben zu und steckte die Hände in die Taschen.

Sobald er einen Schritt nach draußen gesetzt hatte, blies der Wind an seinem Hals vorbei und Arthur zog die Schultern in die Höhe. Die ersten Schritte waren noch zögerlich, da seine Gliederschmerzen immer noch nicht ganz verschwunden waren, aber je weiter er ging, desto schneller und entschlossener wurde er.

Schon bald hatte er die letzten Häuser hinter sich gelassen und rund um ihn war nur die reine Natur. Arthur hob den Blick und schaute in den Himmel: Der Mond war ziemlich voll, doch er war sich nicht sicher, ob es bereits Vollmond war oder nicht. Auf jeden Fall war es relativ hell draußen, und das Gras der Wiese schimmerte silbergrün im Mondschein. Der Wind bewegte die einzelnen Halme und brauste um Arthurs Ohren, die dieser schon fast nicht mehr spürte.

Unbeeindruckt stapfte Arthur immer weiter Richtung Wald, bis er diesen schließlich erreichte. Ein Kauz stieß einen lauten Ruf aus und stieß sich von einem Ast ab. Arthur blieb vorerst auf dem gut ersichtlichen Weg, er wollte nicht riskieren, sich zu verlaufen. Zwar war seine Orientierung am Donnerstag perfekt gewesen, aber eben auch nur beim Hingehen. Doch von dem Zug, den er damals gespürt hatte, war nun nichts wahrzunehmen. Seltsam.

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now