Tag 4.3

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Draußen war es bereits stockdunkel. Die Straßenbeleuchtung war hier auch nicht gerade optimal, doch sie reichte aus, um nicht das Handy als Taschenlampe benutzen zu müssen. Arthur holte es dennoch heraus, und checkte wieder seine Mails. 1 ungelesene Nachricht. Bingo.

Sein Herz begann etwas schneller zu pochen, als er das Symbol anklickte. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend begann er zu lesen:

>>Hallo Arthur!

Es freut mich sehr, von dir und deiner Erfahrung zu hören. Ich weiß nicht, ob ich dir weiterhelfen kann, aber ich werde es versuchen! :-)

Das, was du mir beschrieben hast, klingt wirklich so, als ob du ein - wie du es nennst - Jäger bist. Viele andere Erfahrungsberichte schildern ähnliche Symptome, ehe sie sich ihrer Aufgabe bewusst wurden.

Falls du wirklich Recht hast, und dich diese Vorfälle auf eine bestimmte Spur lenken wollen, würde ich auf jeden Fall darüber nachdenken, ihr zu folgen. Wenn du ein Jäger bist, wirst du sowieso früher oder später dort landen, wo du gebraucht wirst. Irgendwie findet das Schicksal immer einen Weg. Und wenn du ihm nicht jetzt folgst, dann leitet es womöglich andere Begebenheiten ein, die dich zwingen, dich ihm zu beugen. Ich habe schon erzählt bekommen, wie sich Menschen weigerten, diesem Drängen zu folgen, und dann durch einen Jobverlust eine neue Arbeitsstelle suchen mussten, und erst die Zusage dort erhielten, wo es für ihre Aufgabe von Nutzen war. An einen Fall kann ich mich auch noch erinnern, wo die Ehefrau gestorben ist und in ihrer Heimatgemeinde begraben werden musste, viele Autostunden von ihrem damaligen Heimatort entfernt, und dort wartete dann die Aufgabe auf den Jäger.

Ich will dir keineswegs Angst machen, ich will dir nur raten, vielleicht zumindest einen Besuch dort abzustatten, wo du denkst, dass deine Aufgabe dich erwartet.

Ich würde mich auf jeden Fall freuen, mehr von dir zu hören, wie deine Geschichte weitergeht, und hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen!

Gutes Gelingen,

Alice<<

Gepresst stieß Arthur die aufgestaute Luft aus. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er sie angehalten hatte, während er die Mail las. Damit hatte er absolut nicht gerechnet. Eigentlich hatte er mit dieser Anfrage bezwecken wollen, dass die Antwort total unlogisch und unglaubwürdig ausfallen würde, um dieses Märchen endlich als ein solches abstempeln zu können. Doch auch, wenn diese Schilderungen eher nach einem schlechten Horrorfilm klangen, gab es einen Teil in Arthur, der den Worten Glauben schenkte. Es war auch der Teil, der bei dem Anblick des zu verkaufenden Hauses in Sedemoid am liebsten sofort dort hingezogen wäre. Es war der Teil, den Arthur fürchtete.

Zuhause angekommen, rannte er beinahe die Treppe hinauf in sein Zimmer und warf sich auf sein Bett. Das Gesicht hatte er im Kissen vergraben, und obwohl er sich hundeelend fühlte, verließ keine Träne seine Augen. Seit seine Mutter damals gestorben war und er Wochenlang quasi nur durchgeheult hatte, hatte er beschlossen, dass dies genug Tränenvergießen für lange Zeit war und sich geschworen, zumindest bis er erwachsen war, nie wieder zu weinen. Es gab Zeiten, da fiel es ihm schwer, aber inzwischen hatte er sich an den dumpfen Schmerz gewohnt, der immer dann auftauchte, wenn er sich zurückhielt. Seine Brust schwoll an, er fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen. Doch dann atmete er kontrolliert langsam aus, und der Druck verschwand wieder.

Arthur lag schon eine Weile so da, als es plötzlich an seiner Zimmertür klopfte. Er schreckte hoch und setzte sich im Bett auf, gerade noch rechtzeitig, bevor sein Vater den Kopf herein steckte.

"Hast du bei Moe schon gegessen?", wollte er wissen.

Arthur räusperte sich. "Ja", log er. Zwar war er ein wenig hungrig, nachdem er nur in der Mittagspause in der Mensa eine kleine Portion Nudeln gegessen hatte, aber er wollte im Moment einfach mit keinem reden.

Sein Vater nickte. "Hattet ihr einen schönen Nachmittag?"

Wieder antwortete Arthur einsilbig. Sein Vater seufzte. "In Ordnung. Es ist schon spät, ich werde dann mal ins Bett gehen. Gute Nacht!"

"Nacht", erwiderte Arthur und sobald die Tür zu war, ließ er sich wieder zurückfallen. Er breitete die Decke über sich aus und war innerhalb von wenigen Minuten eingeschlafen.


BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now