Tag 29

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Im Wald war es finster. Dennoch sah Arthur noch genug, um sich einen Weg zwischen den Bäumen zu finden, und nicht die ganze Zeit herabhängende Zweige ins Gesicht zu bekommen. Er duckte sich unter ihnen durch, hielt sie sich mit den Händen fern, und bewegte sich langsam vor. Einen direkten Plan hatte er nicht, aber sein erstes Ziel war auf jeden Fall die Lichtung. Das war ihr Ort, wenn sie ihn sehen wollten, würden sie da sein.

Der Boden war weich und gab an vielen Stellen unter seinem Gewicht ein wenig nach, sodass Arthur manchmal in ein kleines Loch stolperte. Ihm passierte jedoch nichts, und so kämpfte er sich durch den immer dunkler werdenden Wald vor.

Plötzlich sah er, wie zwischen den Bäumen Licht hindurch drang. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck, aber einem zwickenden Gefühl in der Magengegend ging er darauf zu. Kurz darauf betrat er die Lichtung. Dort streifte er sich erst einmal alles von seinem Körper ab, was auf der Reise hierher daran hängen geblieben war. Teile von Zweigen, Reisig, Blätter. Dann sah er sich suchend um. Die Lichtung war leer, die Mondblumen geschlossen und auch Geräusche konnte er keine seltsamen erkennen. Ein Knacksen hier, ein Rascheln dort, aber da wusste er ja bereits, dass das von vielen Tieren des Waldes ausgelöst werden konnte.

Unschlüssig blieb Arthur stehen. "Hallo...?", fragte er dann halblaut. Keine Antwort.

Seufzend ließ sich Arthur zu Boden gleiten und setzte sich in die Mitte der Lichtung. So verharrte er einige Minuten, dann legte er sich flach auf den Rücken und starrte in den Nachthimmel. Tausende von Sternen leuchteten auf ihn herab, und der Mond befand sich zwischen ihnen. Er war in dieser Nacht nur eine etwas dickere Sichel. Der nächste Vollmond würde erst in über einer Woche sein, erinnerte sich Arthur. Und wenn sie nur bei Vollmond hierher kamen? Dann wartete er hier ganz umsonst.

Arthur richtete sich wieder auf und stützte sich mit den Händen hinter sich ab. Er kratzte sich kurz an der Nase, dann entschied er, weiter in den Wald vorzudringen. Vielleicht fand er sie doch irgendwo, vielleicht hatten sie ein besonderes Versteck, in dem sie sich an allen Nicht-Vollmond-Nächten aufhielten.

Sobald er die Lichtung verließ, umfing ihn die Dunkelheit. Arthur sah absolut nichts mehr, daher griff er in seine Hosentasche und zog sein Handy hervor. Er schaltete die Taschenlampe darauf ein und bahnte sich sorgsam einen Weg durch die Bäume hindurch.

Das funktionierte wenige Minuten, dann vibrierte das Telefon plötzlich und das Licht ging aus. Arthur blieb stehen und schaute auf das Display. Nur mehr fünf Prozent Akku, somit auch kein Licht mehr. Na toll. Seufzend steckte er das unsinnige Ding wieder ein.

Dann tastete er sich langsam von Stamm zu Stamm voran. Seine Finger berührten eine kräftige Rinde, dann schwenkten sie in der Luft, bis sich schließlich etwas Feuchtes, Leichtes auf sie legte. Reflexartig zog Arthur den Arm zurück und schüttelte sich. Doch er ging einen Schritt weiter, was ein Fehler war. Das Spinnennetz überzog nun sein ganzes Gesicht und Arthur begann, wild herum zu hüpfen. Er hielt die Luft an, presste die Augen fest zusammen und wischte sich mit den Fingern wieder und wieder über das Gesicht. Schließlich fühlte es sich etwas besser an und er öffnete die Augen wieder. Doch seine Wimpern waren ebenfalls verklebt und seine Augen begannen zu tränen.

Der Schrei eines Raubvogels ließ ihn plötzlich mitten in der Bewegung erstarren. Ein Luftzug ließ eine Gänsehaut auf seinem Nacken zurück.

Arthur kümmerte sich nicht mehr um die Spinnenhaut, das meiste hatte er abbekommen. Nun zog er den Kopf zwischen die Schultern, duckte sich ein wenig und drückte sich an den nächsten Baum. Wieder hörte er den Schrei. Wieso machte ihm das solche Angst? Es war doch nur irgendeine Eule oder ein Kauz, nichts, wovor man sich fürchten müsste!

BlutmondgeborenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt