II.7

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Stöhnend drehte sich Arthur auf den Bauch und zog sich die Decke über den Kopf. Er war erst gegen halb vier Uhr heimgekommen, und dementsprechend müde war er jetzt.

"Los, auf mit dir!" Robert packte die Bettdecke und zog sie zurück.

Arthur seufzte ergeben und rieb sich die Augen. "Bin ja schon munter", gähnte er.

Während er ins Bad tappte, ging sein Vater schon in die Küche und Arthur hörte ihn mit dem Geschirr klappern. Als er fertig war, stand bereits eine Schüssel Müsli am Tisch.

Er bedankte sich, und begann zu frühstücken. Nach einigen Minuten des Schweigens räusperte Robert sich schließlich. "Und, wie war es?"

Arthur schluckte den Bissen hinunter und blickte auf. "Ich hab sie gefunden. Es war..." Er versuchte, sich zu erinnern, doch plötzlich war in seinem Kopf nurmehr Leere. Bedauernd schüttelte er ihn. "Gerade wusste ich es noch. Aber ich glaube, es war gut."

Sein Vater runzelte die Stirn. "Immerhin bist du wieder da." Seufzend erhob er sich, nahm sein Teller und Arthurs inzwischen leere Schüssel und trug sie zur Abwasch. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. "So, jetzt müssen wir uns aber beeilen."

Arthur hielt in der Bewegung inne und warf ihm einen schrägen Blick zu. "Du willst nicht ernsthaft in die Kirche gehen? Ich dachte, wir stoßen nacher dazu."

"Wir waren eh schon so lange nicht mehr. Das wird dich auch nicht umbringen."

"Na toll...", murmelte Arthur mehr zu sich selbst. Wenn ihn schon die Blutmondgeborenen am Leben ließen, würde ein zäher Gottesdienst ihm wohl den Garaus machen. Er war noch nie gern in die Kirche gegangen. Früher hatten sie es oft seiner Mutter zu liebe getan, doch nachdem diese gestorben war, hatte sich das schnell aufgehört.

Sobald sie das alte Gebäude betraten, schlug Arthur ein modriger, kalter Geruch entgegen. Er rümpfte die Nase und wollte sich schon in die letzte Bank setzen, doch sein Vater dränge ihn noch ein paar Reihen weiter nach vorne. So ließen sie sich schließlich neben einem alten Ehepaar nieder, die sie freundlich grüßten.

Arthur musste sein Bestes geben, um während der Messe nicht einzuschlafen. Die kurzen Teile, in denen alle aufstehen und sich wieder setzen mussten, halfen ihm ein wenig dabei.

Endlich war es zu Ende, und beinahe fluchtartig verließ Arthur die Kirche. Natürlich ohne sich zu bekreuzigen oder irgendjemanden zu beknien, was sein Vater natürlich alles vorbildhaft zeigte.

Am Kirchenplatz kamen sie dann relativ schnell mit ihren Banknachbarn ins Gespräch, die sie dann auch gleich noch ein paar anderen Menschen vorstellten. Arthur lächelte brav in die Runde, schüttelte jedem höflich die Hand, und stellte sich vor, hatte jedoch die Namen der anderen gleich wieder vergessen.

Obwohl das Frühstück noch nicht lange zurücklag, begann Arthurs Magen schon wieder zu knurren. Ein älterer Herr mit Krückstock schien das zu bemerken, denn er fragte sie, ob sie mitkommen wollten zum NAME HIER, was wohl der Treffpunkt zum Sonntagsfrühschoppen zu sein schien.

Sein Vater hatte anscheinend schon jemanden gefunden, mit dem er sich angeregt über verschiedene Gebäudestile unterhielt. Arthur hielt zwar Ausschau nach bekannten Gesichtern aus der Schule, aber Kirche schien tatsächlich nur für die Generation vierzig plus interessant zu sein. Als sie jedoch schon eine Weile auf ihre Speisen warteten, kamen noch mehr Leute in das Gasthaus und dieses Mal waren auch welche in seinem Alter dabei. Einen Jungen kannte er vom Sehen, er ging in seine Paralellklasse, soweit Arthur das mitbekommen hatte. Die Gruppe nickte ihnen kurz zu und setzten sich dann jedoch an einen anderen Tisch.

Plötzlich zog jedoch das Gespräch an seinem Tisch Arthurs Aufmerksamkeit auf sich.

"In ein paar Tagen ist wieder Vollmond, wenn es doch hoffentlich wieder einer ist, an dem nichts geschieht."

"Ihr wisst ja hoffentlich, in welche Gegend ihr hier gezogen seid?"

Robert nickte. "Ja, wir haben davon gehört. Es tut mir wirklich leid für diejenigen, die in den letzten Monaten jemand verloren haben."

"Immer erwischt es die jungen, die noch so viel vor sich haben", krächzte eine Frau neben Arthur. "Pass gut auf dich auf, Jungchen. Pass gut auf dich auf!" Ihre Augen fixierten ihn dabei so intensiv, dass Arthur den Blick abwenden musste. Wie eine alte Hexe, schoss ihm durch den Kopf. Er hatte noch nie besonders viel übrig gehabt für alte Menschen, doch bisher war er auch keinen so nahe gekommen.

"Ich verstehe nicht, warum sie immer noch nichts gefunden haben." Einer der jüngeren Männer am Tisch schüttelte den Kopf. "Keiner versteht das."

Das Gespräch wurde unterbrochen, als die Kellnerin mit den ersten Speisen kam. Als alle aßen, wurde nurmehr über belanglose Dinge geredet, doch die Stimmung blieb gedrückt. Arthur spürte förmlich die Angst und die Verzweiflung, die überall verankert schien.

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now