Tag 21

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Arthurs Brust bewegte sich so schnell auf und ab, dass er Angst hatte, er würde gleich hyperventilieren. Seine Beine versagten ihm jeden weiteren Dienst und brachen unter seinem Gewicht zusammen. Der Boden empfing ihn hart und nun konnte Arthur die Tränen nicht mehr zurückhalten. Unaufhörlich strömten sie über sein Gesicht, er schlang die Arme um seinen Oberkörper und wiegte sich vor und zurück. Immer vor und zurück, in der Hoffnung, dass er sich besser fühlen würde. Doch die geschlossenen Mondblumen leuchteten aus ihrem Inneren heraus, als war etwas in ihnen, das jederzeit ausbrechen wollte. Wimmernd rutschte Arthur immer weiter zurück, bis er plötzlich mit dem Rücken an etwas stieß. Er zuckte zurück und drehte sich angsterfüllt um, doch es war nur ein Baum, nichts weiter.

Verzweifelt presste er sich an ihn, als würde er ihm Halt geben, Rückendeckung, Schutz. Wovor er sich schützen musste, wusste er nicht, aber irgendetwas war in diesem Wald, das nicht normal war. Dieser Wald beherbergte ein Monster. Ob es jetzt Blutmondgeborene waren, normale Raubtiere wie Wölfe, eine Mörderbande oder einfach nur die Finsternis, die Arthur das Grauen lehrte, war diesem relativ egal. Er war zu Tode erschöpft von seinem Lauf, Angstschweiß stand ihm auf der Stirn und in seinem Nacken, und der sanfte Wind ließ ihn erzittern.

Sein Herz pochte schmerzhaft in seiner Brust und Arthur würde sich nicht wundern, wenn es plötzlich den Dienst aufgeben würde und verstummte. So viel Blut, das es durch seinen Körper pumpte, konnte auf Dauer auch nicht gesund sein. Irgendwo würde es zu einem Stau kommen und Arthur würde an einem Herzinfarkt sterben. Es gab so viele Dinge, die ihn hier auf dieser Lichtung töten könnten.

Das Laub raschelte über ihm, doch Arthur war nun bereits zu müde, um darauf zu reagieren. Seine Lider wurden immer schwerer, doch er hielt sie krampfhaft offen. Er musste die Umgebung im Blick behalten, er musste der Gefahr ins Auge sehen, wenn sie ihm auflauerte. Würde er diesen Wald jemals wieder verlassen? Ein Schluchzer bahnte sich seinen Weg durch seine Kehle hervor. Wieso war er hier gelandet? Wieso auf dieser Gottverdammten Lichtung? Er war nie vom Weg abgewichen, er hätte auf der Wiese herauskommen müssen. Er war doch aufmerksam gewesen, als er in den Wald vorgedrungen war, und nirgends war eine Abzweigung gewesen, an der er sich hätte verirren können.

Doch irgendwie musste es passiert sein. Die Lichtung hatte wieder nach ihm gerufen, und es gab nichts, wirklich nichts, was Arthur dagegen hätte machen können.

Es kam ihm vor wie Stunden, die er unter dem Baum kauernd verbrachte. Seine Kehle war trocken von den Geräuschen, die er von sich gegeben hatte, und die Tränen schon lange versiegt. Eine dumpfe Leere hatte Besitz von ihm genommen, er fühlte sich erbärmlich. Was hatte ihn dazu getrieben, mitten in der Nacht in diesen verfluchten Wald zu gehen?

Sollte diese Nacht jemals enden, würde er sofort den Heimweg antreten, nahm er sich vor.

Als schließlich die ersten Sonnenstrahlen den Boden der Lichtung erreichten, stieß Arthur einen Seufzer der Erleichterung aus. Es war vorbei. Die grauenvollste Nacht seines Lebens war vorbei.

Langsam streckte er seine Glieder aus, vorsichtig, er fühlte sich steif wie ein Brett. Einige Gelenke knacksten empört, als er aufstand, und ihm wurde kurz schwindelig. Vorsichtig stützte er sich am Baumstamm ab, und während er sich umdrehte, meinte er eine Bewegung auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung wahrzunehmen. Er führte seinen Blick dorthin, doch als er die Stelle näher betrachtete, war nichts Außergewöhnliches mehr an ihr. Nur die Zweige wippten etwas stärker als die in ihrer Umgebung, was Arthurs Vermutung bestätigte. Es war jemand hier gewesen. Ein Schauer lief über Arthurs Rücken, und er wandte sich schnell wieder in die Richtung, in die es zum Dorf ging. Wie lange war er wohl beobachtet worden? Wer war es gewesen, der sich dort versteckt gehalten hatte? Hatte es etwas mit der Lichtung zu tun, oder mit den Blutmondgeborenen? War es möglicherweise sogar ein Mörder gewesen?

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now