Tag 12.2

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Die ersten beiden Umstiege klappten wie geplant. Beim dritten und letzten jedoch hatte der ankommende Bus ein bisschen Verspätung, und so verpasste Arthur beinahe den Anschlussbus. Der Fahrer war jedoch so nett und wartete, als er ihn zum Fahrzeug laufen sah.

"Danke!", schnaufte Arthur, als er einstieg. Er ließ sich gleich auf die erste Bank fallen und den Blick aus dem Fenster schweifen. Eine halbe Stunde noch. Das war nicht mehr lange. Sein Bauch drohte, das Frühstücksei wieder erscheinen zu lassen, doch Arthur kämpfte erfolgreich dagegen an. Immer wieder wischte er sich seine Hände möglichst unauffällig an dem Stoff der Bussitze ab, doch die Nervosität legte sich nicht. Wenn das jetzt schon so schlimm war, wie würde es dann erst sein, wenn er ihr gegenüber stand? Wie sollte er sie denn überhaupt begrüßen? Küsschen auf die Wange? Eine Umarmung? Nur die Hand zu reichen wäre vermutlich ziemlich komisch. Nur ein Hallo? Eine schwierige Entscheidung.

Wie wohl der Ort war, den Mara ausgesucht hatte? Am Telefon hatte sie geklungen, als wäre sie schon einmal dort gewesen und als kenne sie sich dort aus. Hatte sie bereits etwas geplant? Oder erwartete sie von ihm, dass er spontan etwas sehen würde, oder sich womöglich erkundigt hatte, was man dort alles so unternehmen konnte? Sein erster Gedanke war natürlich, dass sie sich in irgendein Café setzen könnten und einfach quatschen, aber nach längerem Überlegen war das schon ein bisschen einfallslos. Das machte jeder, und Arthur wollte nicht wie jeder sein. Dass er sich hätte erkundigen können, war ihm leider erst jetzt im Bus eingefallen. In Gedanken schlug er dafür mit der Stirn gegen das Busfenster. Manchmal entgingen ihm die einfachsten Dinge. Aber es bestand ja immer noch die Chance, dass Mara etwas wusste.

Schließlich hielt der Bus an einer einsamen Haltestelle. Es war einfach nur eine kleine Stange, an der eine Platte mit der Bezeichnung der Haltestelle hing, und eine Überdachte Bank.

War das sicher richtig hier? Arthur warf noch einmal einen Blick auf die Handynotiz, die er sich zu Hause gemacht hatte. BUSHALTESTELLE HIER, ja, er sollte richtig sein. Mit einem mulmigen Gefühl stieg er die drei Stufen vom Bus hinunter auf die Straße. Hinter ihm schlossen die automatischen Türen, und der Bus fuhr wieder ab. Er war der einzige Passant, der hier ausgestiegen war.

Arthur ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen. Hinter der Haltestelle war ein Feld, das darauf wartete, im Frühjahr wieder bewirtschaftet zu werden. Auf der anderen Seite der Straße lag eine Wiese brach, deren Gräser kurz waren, aber nicht gemäht aussahen. Ein Ort war weit und breit nicht auszumachen. Hatte Mara ihn extra an einen so einsamen Ort bestellt?

Grübelnd warf er einen Blick auf den Fahrplan. Der nächste Bus zurück ging erst in etwas über einer Stunde. Na toll. Er konnte also nur hoffen, dass Mara auch wirklich erschien, und er nicht auf dieser Party etwas so Dummes getan hatte, dass sie ihn hier ins Nichts lockte.

Frustriert setzte er sich auf die Bank. Mit der Zeit wurden seine Finger und Zehen kalt, und Mara war immer noch nicht aufgetaucht. Er war schon davon überzeugt, dass dies alles ein mieser Scherz war, als er ein Motorengeräusch in der Ferne ausmachte, das näher zu kommen schien. Sein Herz begann bereits, schneller zu klopfen. Das musste sie sein. Er konnte es nicht mit seiner Vorstellung von ihr vereinbaren, dass sie ihn einfach so hier sitzen ließ.

Mit zittrigen Fingern fuhr er sich durch die Haare, zupfte an seiner Jacke herum, und blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Er hatte sich nicht getäuscht: wenige Sekunden später fuhr ein kleines, schwarzes Auto vor. Auf der Rückbank winkte Mara bereits heraus.

Als das Auto zu stehen kam, öffnete sich die Tür und sie stieg aus. In ihrem Gesicht lag ein entschuldigendes Lächeln. "Tut mir furchtbar leid, dass ich mich so verspätet habe, aber wir hatten zuhause noch einen kleinen Zwischenfall!"

Arthur ging auf sie zu und küsste sie auf beide Wangen. "Kein Problem, ich hab noch nicht so lange gewartet", versicherte er ihr, was ihr ein Kichern entlockte.

"Dein Bus ist vor über einer Stunde hier angekommen. Aber süß von dir, das zu sagen!" Sie warf einen Blick auf das wartende Auto hinter sich. "Eigentlich habe ich mir gedacht, wir könnten hier eine Runde spazieren gehen, wenn du magst." Dann wiegte sie jedoch den Kopf hin und her. "Aber dir wird wahrscheinlich ganz schön kalt sein, oder?"

Arthur zuckte mit den Schultern. "Ach was. Wenn du spazieren gehen willst, können wir das gerne machen!"

"Wie du willst", strahlte Mara und wandte sich kurz der Person im Auto zu. Das Fenster wurde heruntergekurbelt, und Arthur sah eine Frau, die genauso aussah wie Mara, nur etwa dreißig Jahre älter. Es musste ihre Mutter sein. "Wir bleiben hier! Danke für's Fahren, ich melde mich dann später!"

Ihre Mutter winkte Arthur kurz zu, was er schüchtern erwiderte. "Viel Spaß euch beiden!", rief sie aus dem Fenster, ehe sie den Motor wieder startete, das Auto wendete, und zurückfuhr.

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now