Tag 18

24 9 1
                                    


"Ich weiß, das ist vielleicht kein Thema, das man beim Essen besprechen sollte", begann Arthur, als er sein Teller geleert hatte. "Aber ich hab's dir am Telefon ja bereits angekündigt."

Mara nickte. "Du willst die Blutmondgeborenen suchen." Sie sprach es mit einer solchen Gelassenheit aus, dass Arthur sich fast normal vorkam. Aber eben nur fast.

"Genau. Unter tags ist ja noch nie etwas passiert, wenn ich mich richtig erinnere?" Er warf ihr einen fragenden Blick zu, und Mara nickte bestätigend. Daraufhin sprach er weiter. "Gut. Was hältst du dann davon, wenn wir heute einen kleinen Spaziergang in den Wald machen?" Er zwinkerte ihr zu und Mara kicherte.

"Ein kleiner Spaziergang also, und der romantische Höhepunkt führt uns wahrscheinlich zu der Lichtung, auf der die Leichen gefunden wurden?"

Arthur verdrehte die Augen. "Wenn du es so formulieren willst. Aber wäre das möglich? Ich will nicht, dass du dich dabei fürchtest oder so." Er zog die Stirn in Falten, doch Mara schüttelte den Kopf.

"Quatsch. Wie du schon gesagt hast, am Tag ist noch nie etwas passiert. Außerdem hat es bis jetzt ja nur junge Männer erwischt, also wärst eher du in Gefahr."

"Aber ich bin ja ein Jäger." In Arthurs Stimme schwang bitterer Sarkasmus mit.

Mara griff nach den beiden Tellern und erhob sich. Arthur nahm den Rest vom Tisch mit und sie trugen alles in die Küche.

"Na dann, nichts wie los!", meinte Mara enthusiastisch.

Sie zogen sich wieder ihre Außenkleidung an und verließen das Haus. Draußen mussten sie nur wenige Minuten gehen, ehe sie das letzte Haus hinter sich gelassen hatten und auf den Wald zusteuerten. Auf Arthurs Armen breitete sich eine Gänsehaut aus. Seine Schritte wurden immer schneller, doch das bemerkte er erst, als Mara nach seiner Hand griff und ihn zurück hielt.

"Wir kommen schon noch hin, du musst nicht so laufen", witzelte sie.

Arthur war unfähig zu antworten. Er fühlte, wie jede Faser seines Körpers vom Wald angezogen wurde. Unsicher warf er Mara einen Seitenblick zu. "Spürst du das auch?", wisperte er, als könnte sie jemand belauschen.

Mara runzelte die Stirn. "Was meinst du?"

"Der Wald, es ist als würde er nach mir rufen."

In Maras Augen breitete sich Furcht aus, doch sie straffte sich und griff sogar nach Arthurs Hand. "Dann halte ich dich fest, dass er dich nicht wegnehmen kann."

Arthur klammerte sich an der ihm dargebotenen Hand fest, als hinge sein Leben davon ab. Je näher sie dem Wald kamen, desto stärker wurde der Sog. Ein Wind kam auf und blies ihnen in den Rücken. Schon bald waren sie so nahe, dass sie die Blätter rauschen hören konnten. Die Sonne wurde von Wolken bedeckt, als sie den Weg zwischen den ersten Bäumen betraten. Obwohl er noch nie dagewesen war, benötigte Arthur keine Führung von Mara. Zielstrebig verließ er den schmalen Weg und suchte sich seinen eigenen zwischen den Baumstämmen hindurch. Mara blieb stets nahe bei ihm, ihr Griff war mindestens so fest wie der seine.

Schließlich erreichten sie eine Lichtung. Abrupt blieb Arthur an ihrem Rand stehen, Mara stolperte fast in ihn hinein. Sie drängte sich eng an ihn, doch Arthur ließ das völlig kalt. Was zählte, war dieser Platz hier. Die Sonne war immer noch nicht wieder hinter den Wolken hervorgekommen, doch die Lichtung schien zu strahlen. Lauter Mondblumen bedeckten ihren Boden, doch diese hier waren nicht nur weiß, sondern überall benetzt mit roten Tropfen. Es sah so aus, als hätte der Mörder beim Töten der Opfer jeweils Blut großflächig verspritzt, das sich nun in die Blüten der Blumen eingebrannt hatte.

BlutmondgeborenWhere stories live. Discover now