Kapitel 25

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Ich schlief am Donnerstag bis in den Mittag hinein. Die Nacht war kaum wie die anderen Nächte zuvor. Die Nacht brachte mir einen traumlosen Schlaf nacheinander. Ich wusste gar nicht mehr, wovon die Träume, die ich träumte handelte. Ich blieb noch etwas in meinem Bett liegen und sah gedankenverloren auf die leicht durchschimmerte Sonne, die durch die abgedunkelten Vorhänge gelangten.

Was würde in jenem Moment Neymar machen? Ich vermisste ihn irgendwie. Hatte er sich den schon mal einen Gedanken an mich vergeudet oder wenigstens versucht sich zu melden? Erinnernd steckte ich meinem Gesicht in das weiche Kissen und ärgerte mich, dass ich mein Handy ausgeschaltet hatte. Vielleicht waren einige Nachrichten von ihm auf meinem Handy? Vielleicht wollte er mir auch nur sagen, dass ich nicht mehr zurückkehren brauchte? Vielleicht würde er auf seine Kollegen hören, die ihn schon so oft seine Zweisamkeit mit mir zu stören versuchten? Vielleicht war ich auch einfach eine miese Freundin, die sich nur etwas eingebildet hatte?

Vielleicht hatte Neymar nie Gefühle für mich und log mich an um sich für seine zwei deutschen Spielerkollegen zu rächen? Es wäre berechtigt gewesen, aber warum log er mich dann mit seinen Gefühlen an? Ich hatte Mario immer wieder gesagt, dass wir reden müssten, damit wir unsere Beziehungen retten konnten. Mir war diese Sache etwas wert und ich hätte sie niemals so aufgegeben, wenn ich noch einen Sinn darin gesehen hätte. Verdammt, wieso konnte sich nicht einfach mal was Positives in meinem Leben ändern? Ich bereute keine Erfahrung, die ich je in meinem Leben sammeln konnte. Dennoch hätte ich das Wissen von jenem Moment und die Chance etwas zu verändern, dann ... oh Gott ... ich würde andere Dinge rückgängig machen. Auch wenn ich in diesem Augenblick nicht genau wusste, was ich direkt auf Anhieb hätte ändern wollen. Das Leben besteht nun mal nicht nur aus positiven Erfahrungen sondern auch in schlechten Zeiten den Sturm entgegen zu treten.

Ich würde auch Marco jederzeit ins Gesicht sagen, dass sein Denken über mein Denken falsch wäre, weil ich sehe ihn nicht als Fehler sondern als eine Erfahrung, die mich reifen ließ. Wie oft konnte ich mich bei ihm Ausweinen, wenn ich kein Ausweg mehr fand? Wie oft war er für mich da, als ich mich hungernd zu ihm kam? Wie oft konnten wir uns vertrauen? Wie oft waren wir gemeinsam egoistisch, nur weil es uns für kurzen Moment verdammt gut ging? Wie oft gingen wir heimlich auf Metal-Festivals und genossen diese unbeschwerte Zeiten? Wir waren nie hin- und hergerissen. Ich war nie ein gespielter Charakter. Bei Marco konnte ich sein wie ich war. Ich konnte ihn zeigen, dass ich als Mädchen den Regen mochte. Ich hatte ihm die Chance gegeben mich wie ich war kennen zu lernen. Wenn einer von uns etwas nahm, gab er es auch gleich wieder zurück.

Ich strich mit meinen Händen durch meine zerzausten, offenen Haare und spürte eine Träne über meine Wange laufen. Wieso weinte ich, wenn ich vorgab, dass Marco mir nichts mehr bedeutete? Ich riss mich zusammen und schmiss die Decke auf die andere unbenutzte Seite des Bettes. Als ich aufgestanden war, lief ich mit meiner weinroten Hotpants und weißem Top in Richtung Badezimmer. Ich wusch mir meine Tränen aus dem Gesicht und sah in den Spiegel. Es war nicht mehr die Amina, die ich sein wollte. Es war keine Amina hinter Stille und Selbstschutz zu erkennen. Verdammt, ich machte mir eindeutig viel zu viel Gedanken über das ausgelutschte Thema.

Es waren zwei Tage vergangen als ich Neymar zum letzte Mal vor mir gesehen hatte.

Ich würde niemals vergessen, wie er mich ansah, als er an jenem Tag in meine Augen blickte.

-Eiskalt.

Ich würde niemals vergessen, wie er mich geküsst hatte, als er an jenem Tag seine Lippen auf meine legte.

-Verletzend.

Ich würde niemals vergessen, wie er mich bei unserem kurzem Quickie berührt hatte.

-Machtausübend.

Ich würde niemals vergessen, wie er mit mir in dieser Atmosphäre sprach, als er an jenem Tag nach der Dusche wieder verschwand.

-Desinteressiert.

Er würde sich bestimmt nicht melden. Ich hatte seinen brasilianischen Stolz gekränkt in dem ich keine gute Freundin war und einfach verschwand. Ich seufzte auf und verließ das Bad. Ich riss kurze Zeit später die Nachtvorhänge auf und öffnete die Balkontür. Die Sonnenstrahlen ließen mir einen angenehmen Schauer durch den Rücken fahren. Ich lächelte und stützte meine Ellenbogen auf das Geländer ab. Ein Blick auf das Meer erwärmte meine Gedanken. Ein Blick auf den Horizont und ich wusste, dass ich noch nicht am Ziel angelangt war. Ein Blick auf die Straßen zehn Meter unter mir ließ mich noch mehr auflächeln. Würde es je einen stören, wenn ich an jenen Tag einfach verschwinden würde? Komplett aus dieser Welt? Gesprungen bei vollkommenen Bewusstheit, dass danach ich nicht mehr leben würde? Aber mein Lächeln wurde zu einem leisen Lachen als ich dachte, bestimmt würden andere nach meinem Tod auch noch sagen: 'Schau mal, die hat sich umgebracht, weil sie zu dumm für das Leben wäre!' Mit Sicherheit käme solche pietätlose Sprüche. Leute sprechen nur Mist, wenn sie nichts über den Menschen wissen. Sie erfinden Gerüchte, die einen Menschen manchmal mehr vernichteten als die Vergangenheit, die diese Person ruhen lassen wollte.

'AMIIIINAAAAA, HÜÜÜBSCHE?'

Ich hörte die Stimme meiner Isabella und lief zu meiner Zimmertür. Kaum war die Tür geöffnet, presste sie sich zwischen mir und dem Rahmen herein.

'Was ist los, Isa?'

'Wir haben ein kleines Problem? Eigentlich drei kleine!'

Ich sah sie verblüfft an. Wieso war mir jetzt bewusst, dass auch eine Miss Moric Fehler machte? Lächelnd blickte ich sie zur Aufmunterung an und wollte wissen, warum sie schon am frühen Morgen so gestresst in meinem Zimmer geplatzt war.

'Erstens: Unten in der Lobby sind einige Reporter, die dich interviewen wollen.'

'War ungeplant, aber machbar. Kein Problem, improvisieren gehört zu meinem Job. Darf ich heute Abend das Spiel ansehen?'

'Du bist ein Goldschatz. Das Ganze wird deine Zeit für das Spiel nicht stehlen. Zweitens: Wir haben morgen dafür einen noch strafferen Terminplan, weil wir morgen sieben Magazine erwarten werden, die dir wahrscheinlich immer wieder dasselbe Fragen wollen.'

'Isa, du machst dir immer umsonst Sorgen. Ich bin in der Lage, für mich richtige Fragen auch gut genug zu beantworten und die ungeeigneten in Schall ersticken lassen würde.'

'Wie perfekt du deinen Job machst. Grandios. Und drittens: Wir müssen am Sonntagabend nach Sydney fliegen, da am Montag, den 30. Juni bis 03. Juli. 2014 unerwartet der Termin für die australische Fashionweek bekanntgegeben wurde...'

Zeiten ändern dich.Where stories live. Discover now