Kapitel 60

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„Weil ich dich nie verlieren wollte."

„DU WOLLTEST MICH NIE VERLIEREN, WARUM HAST DU DICH DANN VON MIR GETRENNT?? WARUM WOLLTEST DU ÜBERHAUPT DIESE IDEE IN DIE TAT UMSETZEN, WENN DU AUCH NOCH GEFÜHLE FÜR MICH HATTEST. ES WÄRE ALLES EINFACHER GEWESEN, WENN ICH NIE IN DEIN LEBEN GEKOMMEN WÄRE. WENN ICH NIE GEBOREN WURDE, ICH HÄTTE MIR SO VIELES ERSPAREN KÖNNEN. ICH HÄTTE NIE GEFÜHLT, WIE ES SICH ANFÜHLT ZU LIEBEN. DU WÄRST NIE DER GRUND DAFÜR GEWESEN, VIELLEICHT WÄRE ICH ALS JEMAND ANDERES GEBOREN, DER MEHR GLÜCK IN SEIN LEBEN HATTE."

Sie kam auf mich zu und weinte ihre Tränen, die sie ihren Weg nach unten suchten. Dabei schlug sie mir immer wieder auf mein Brustkorb. Ich hielt es aus, weil ich dachte, es würde ihr gut tun. Wie viel Frust war in diesem Mädchen? Wie viel verborgene Energie, die sie nie gezeigt hatte?

„DU BIST NICHT ANDERS WIE ALL DIE ANDEREN. IMMER WIRD AUF MICH HERUMGEHACKT, NUR WEIL ICH EIN FEHLER MACHTE, WEIßT DU, ICH SAH MICH IRGENDWANN ALS FEHLER. ABER ES SAH KEINER, ICH HÄTTE MICH UMBRINGEN KÖNNEN UND IHR HÄTTET ZU SEHEN KÖNNEN. WEIßT DU WIE OFT MIR DER GEDANKE GEKOMMEN IST, NICHT IN DEN ZUG EINZUSTEIGEN SONDERN VOR IHM ZU LAUFEN?????"

Ich nahm sie in den Arm und hielt sie fest, da sie sich befreien wollte. Doch ich hielt sie einfach fest und ließ sie ihre Wut verbal raus. Es war für mich in Ordnung. Wir waren eh abgelegen in einem Park, an einer Stelle, die kaum ein Mensch besuchte. Keiner würde uns finden und keiner würde uns hören. Immer wieder wandte sie sich um und fand immer noch keine Ruhe. Immer wieder kamen mir die Gedanken, sie wollte sich umbringen?

„ICH HATTE ANGST, OHNE DICH WEITERZUGEHEN. DESWEGEN WOLLTE ICH ALLES MACHEN UM MICH VON DIR ZU DISTANZIEREN. DU HAST MICH MIT DEINER IDEE VERLETZT UND ICH WOLLTE DICH NIE WIEDER SEHEN. WIE DU EBEN SCHON SAGTEST, ICH WOLLTE VON KEINEN ABHÄNGIG SEIN. NIE WIEDER VON MEINEN ELTERN NOCH VON MEINEN FREUNDEN. Ich wollte nur, dass mich jemand zu seiner Priorität machte und nicht nur zur Option. Ich kann mir gut vorstellen, warum sie mich alle hassten. Ich hatte Erfolg und stand höher als alle anderen. Ich war nicht gut sondern ich wollte immer besser als andere sein. Ich wollte an mich arbeiten, dabei verlor ich mich."

Sie wurde ruhiger und schlang ihre Arme um meinen Oberkörper. Ihr Kopf legte sie auf meine Schulter. Ihre Stimme wurde von Schreien zum Flüstern.

„Ich hab vergessen, wie man richtig liebt und wie man richtig lebt!" gab sie flüsternd zu.

Meine Hände fuhren beruhigend ihr über den Rücken und ich hoffte sie würde das Weinen aufhören. Ich konnte sie noch nie so sehen. Es tat mir immer weh. Ich musste sie wieder irgendwie in ein normales Leben zurück ziehen, aber nur wie?

„In dir ist kein Leben mehr!" stellte ich hauchend fest.

Sie blieb ruhig. Wir setzten uns auf die Bank und ich streichelte ihr über den Kopf.

„Was fühltest du, wenn du meinen Namen erklingen hörtest?" wollte sie wissen.

* Amina's Sicht *

Ich wusste einfach nicht, was ich in diesem Moment tun sollte. Ich wusste gar nicht mehr, was ich fühlen und denken sollte. Meine Gedanken kotzten sich gegenseitig an und mir fiel alles wieder schlagartig an. Die Beziehung mit Moritz, dann mit Mario, die Affäre mit Marco, die Beziehung zu Ney, der Sex mit Mo, die Verlobung mit Ney und dann der Grund warum ich eigentlich bei Mo war.

Verdammt, ich wollte einfach wieder ein normales Leben leben, ohne diese scheisse hier. Ich wollte wieder lieben und leben. Ich wollte ein Haus, bei dem ich Zuhause war. Ich wollte eine Arbeit, bei der ich nicht immer von Hotel zu Hotel flog. Ich wollte eine Arbeit, bei der ich früh aufstehen musste und am Abend wieder heimkehrte. Ich wollte ein bodenständigeres Leben führen ohne Starallüren. Ich wollte einfach wieder ich sein. Ich... in der Zeit als sich meine Eltern noch verstanden. Ich... in dieser Zeit als ich noch keine Magersucht hatte. Ich... als ich noch kein Kind verloren hatte. Ich... in jener Zeit als ich noch mein Leben genießen konnte. Als ich noch Jungs blöd fand.

Ich sah in seine blauen Augen und ich versank in ihnen. Verdammt, wieso fühlte ich mich nur bei ihm sicher? Wieso vergaß ich die Zeit, wenn er mich in seine Arme hielt? Wieso nahm er mich auch, wie ich war? Wieso sah er mein echtes Ich, welches ich zu verloren schien? Warum musste er immer wieder in mein Leben treten? Was wollte das Schicksal mit damit sagen? Augenblicklich durchflog die innerlichen Schmetterlinge die Blockade des Verdrängens. Ich fühlte nun das Kribbeln auf meiner Haus unter seiner Berührung.

„Woran merke ich, dass ich verliebt bin?" wisperte ich an seine Schulter.

„Verlieben macht sich bemerkbar, wenn du immer an diese eine Person denken musst, sogar nachts wenn du von ihr träumst. Du denkst an diese Person, wenn du früh aufstehst: etwas isst, Zähne putzt, wenn du deine Arbeit vollbringst. Du denkst immer an sie, von früh beim Aufwachen bis abends beim Einschlafen. Alles in einem sehnt sich nach dieser Person, du wirst es merken. Du wirst merken, wie weh es tut, wenn sie nicht bei dir sein kann. Der sicherste Ort werden dessen Arme sein. Die wohlfühlenste Sache wird die sein, wie ihr euch küsst, wenn sogar für diesen Moment die Zeit anhielt und dennoch fährt man auf eine Achterbahn..." fing Moritz das alles an.

„... man kann mit dieser einen Person stundenlang ernste und auch sinnfreie Dinge reden. Man kann nebeneinander sitzen und selbst, wenn wir zusammen in Dreck sitzen würden, würde es immer noch am schönsten sein. Nie wieder würde man sich von dieser Person wegdenken können. Für immer und es würde sich so anfühlen. Jeden einzelnen Fehler beachtet man nicht oder übersieht ihn extra. Man liebt einfach alles an ihm, von Kopf bis Fuß. Als gäbe es nur noch ein Program, welches dessen Name trägt. Alles andere scheint so weit weg und nichts..." erzählte ich wie in Trance weiter.

„Man würde wirklich alles tun, damit der Schmerz, der durch den eigenen Körper fährt, nur von dieser Person zu heilen wäre. Liebe ist, wenn du nach dieser Person süchtig bist." vollendeten wir diese Rede zusammen.

Zeiten ändern dich.Where stories live. Discover now