Kapitel 87

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Ich wandte mich nicht um da ich dachte, dass es einer der Jungs sein könnte, der:

a) das Spiel zum tausendsten Mal verloren hatte,

b) bescheiden sagen wollte, dass das Essen überkochte oder

c) das Gespräch mit angehört hatte.

Die Mädels sahen erschrocken zur Tür und schluckten zurückhaltend. Annabella stotterte. Cathy blickte immer wieder von einer Stelle zur anderen ohne mir direkt in die Augen zu sehen. Kristina spielte mit ihren künstlichen Fingernägel und blickte auf diese.

„Was ist den los?" wollte ich verunsichert wissen.

„Ich... werde dann ... mal reingehen..." fing Kristina stotternd an.

„Genau... weißt du, Amina,...ähm..." nahm Cathy nach Wörtern suchend Stellung ein.

„... wir schauen ... nach dem Essen." beendete Annabella das Stottern.

Wieso hatten die es so eilig? Wie schnell sie aufstanden, an mir vorbei gerannt waren und sich nach innen geflüchtet waren. Fragend wandte ich mich um und erstarrte.

„Ähhh, wie lange stehst du schon da?"

„Lang genug um deine Worte über Moritz, Mario, Neymar und mir zu erfassen!"

Wieso konnte ich nicht einfach mal bevor ich etwas Heimliches aussprach, mich erst einmal nach allen Seiten umsehen, damit es nicht jeder mitbekam.

„Was machst du hier? Wie bist du hier rein gekommen?"

„Erstens: Hatte ich mich heute mit Mario nach seinem Training getroffen und Zweitens: Wollte Kevin und Mats dass ich mal zu euch hoch komme."

„Also bist du mit Mario hier her gekommen oder hast du dich von ihm verabschiedet?"

„Weder noch. Ich hab gesagt, dass ich gleich wieder da sein werde."

Verflucht, warum war ich auf einmal wieder so hilflos?

„Ich möchte auch nicht lange bleiben, weil ich wieder nach Dortmund zurück fahre mit Mats und Kevin."

Ohne sich zu verabschieden wandte er sich um und wollte gehen.

„Marco? Ich muss mit dir über das Geschehene reden so kann ich nicht weiter leben."

Er blieb stehen und drehte sich nicht zu mir um.

„Worüber genau?"

„Über meine Fehler dir gegenüber. Über das was eben Vorgefallen war. Über alles was zwischen uns beiden war."

„Rede bitte nicht von uns, weil es kein uns mehr gibt."

Er ging ein Schritt weiter von mir weg. Es fühlte sich an als würde mir etwas weggenommen werden. Es war wie die Trennung zwischen zweier Magnete, die alles tun würden um zusammen zu bleiben.

„Wann bin ich dir nur so egal geworden?"

Er stoppte ein zweites Mal und wandte sich dieses Mal um. Ich konnte in seinen Augen sehen und ich wusste, dass ich nie wieder gut machen könnte, was ich getan hatte. Ich hatte ihn in der Scheisse, die meine Schuld war, stehen gelassen. Wie sehr musste er gelitten haben, dass er von den Anderen aus seiner Mannschaft vor allem von Mario ausgegrenzt wurde? Wie viel Schmerzen hatte er wohl Tag für Tag? Ich merkte gar nicht, dass er sich zu mir an den Tisch setzte, da ich in Gedanken war. Ich blickte noch immer zur Tür, in der, er noch bis vor kurzem stand.

„Amina, würdest du mir zehn Fragen beantworten?"

Ich schreckte auf und suchte nach ihn. Es zerriss mich als ich mich umdrehte und ihn in meiner unmittelbaren Nähe fand. Ich nickte stumm.

„Hast du geweint als DU mich im Stich gelassen hattest?"

„Ja, jeden Tag!"

„Hast du mich vermisst als DU einfach gegangen bist?"

„Ja, sogar sehr!"

„Hast du von mir geträumt nachdem DU den Kontakt abgebrochen hast?"

„Ja, jede Nacht!"

„Hast DU dein Verhalten bereut?"

„Ja, jedes Mal, wenn ich dafür angekreidet wurde!"

„Erinnerst DU dich noch an unsere Gespräche, Chatverläufe und unsere Treffen?"

Ich konnte ohne erklärenden Grund auf die Frage nur nicken. Ich seufzte, weil ich nicht wusste, was er damit bezwecken wollte. Ich wollte nur wissen, ob er mir eine Chance geben würde ihn zu zeigen, dass ich mich verändert hatte. Ich wollte nur ein klärendes Gespräch, dass ich ihn nicht weiter Schmerzen bringen würde.

„Hättest DU dir eine Nachricht von mir gewünscht?"

„Nein, weil ich selber an dieser Situation schuld war und ich hätte niemals verlangt, dass du für meine Fehler gerade stehen würdest!"

„Hättest DU mir jemals eine Nachricht geschrieben, wenn wir uns nicht im Park 'zufällig' gefunden hätten?"

Bei 'zufällig' machte er mit beiden Händen, Anführungszeichen

„Ich weiß es nicht."

„Fühlst DU etwas, wenn du mich siehst?"

Ich verlor Tränen als er diese Frage stellte. Wie sollte ich meine Gefühle in Worte fassen? Ich konnte ihm hier und jetzt nicht davon in Kenntnis setzten. Ich wollte einfach nicht, dass er unpassenden Wörter nicht falsch verstand.

„Hab ich DIR jemals etwas bedeutet?"

Es sah für ihn bestimmt aus, als würde ich ihm keine Antwort geben, weil er sich umsonst Hoffnungen gemacht hatte. Mein Schweigen war in diesem Moment mein größtes Hindernis. Ich wollte ihn nicht weiter anlügen und konnte nichts Sagen. Mir fehlten die Worte. Die Tränen liefen mir über die Wange. Meine Blicke wandten sich zu ihm hin, weil ich dachte, es würde helfen, dass er nicht falsch dachte.

„Ich dachte es mir. Amina, egal, was du geantwortet hättest, es wäre vorbei. Zu Spät. Du hattest so lange die Chance gehabt mich wieder zu bekommen, aber jetzt hat sie eine andere."

Mit diesen Worten stand er auf und verließ meine Wohnung. Noch nicht realisierend ging ich in die Küche und hatte an diesem Abend erstaunlich viel Spaß. Vielleicht lag es daran, dass sich mein Körper auf eine lange Trauer vorbereiten wollte? Vielleicht lag es daran, dass er mir wirklich egal geworden war? Wieso dachte ich dann nur an ihn, wenn er mir egal wäre? Ich war es ihm und dass könnte ich in diesem Leben nicht ändern! Ich aß mit meinen Gästen das Chili Con Carne. Die Mädels und ich räumten still nebeneinander die Küche auf und das Esszimmer, während die Jungs von all dem gar nichts mit bekommen hatten und weiter zockten. Cathy, Kristina und Annabella waren auch schon vom teuren Moet angetrunken. Sie sprachen nicht so viel, weil sie enorm müde aussahen.

Zeiten ändern dich.Where stories live. Discover now