Kapitel 73

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„Du warst eifersüchtig und hast mich so beschützt als wäre ich dein Leben. Erinnerst du dich noch, als ich das erste Mal auf der Tribüne saß und dir beim Training zu gesehen hatte?"

Ich nickte bestätigend.

„Erinnerst du dich noch an die zwei Jungs, die mich angesprochen hatten?"

Wieder nickte ich. Es waren Fans von mir, die sich wunderten, dass so ein schönes Mädchen Interesse an Fußball hatte.

„Es war deine Vorsicht, dein gesamtes Verhalten, wenn wir weggegangen sind. Ich wusste einfach, dass ich dir vertrauen konnte, dass ich sicher Heim kam, dass ich am nächsten Tag neben dir weiter leben durfte. Mo, ich möchte, dass du weißt, dass du immer besser auf mich aufgepasst hattest wie ich es für mich konnte. Ich kann keine Gefahr einschätzen. Ich bin wirklich kleiner Schissbeutel gewesen, wenn ich nicht wusste, dass du in meiner Nähe wärst. Und genau so konntest nur du mich beschützen."

Freudestrahlend sah ich sie an.

„Ich wollte dich immer beschützen, auch wenn es mir einmal nicht gelungen war." gab ich traurig an.

Sie senkte ihre schuldbewussten Blicke auf den Holztisch vor ihr.

„Ich hatte nach dem Tod unseres Mädchen immer gedacht, dass ich nur leiden würde. Ich hatte keine Augen mehr für das Leid in dir gehabt. Es tut mir heute noch so leid, dass ich dich damals nicht von dieser Klinge beschützen konnte. Ich hatte deine Wunden nie gesehen und ich konnte es bis heute nicht verkraften, dass du deine stummen Hilfeschreie sichtbar machen wolltest. Ich hatte dich damals in der Trauer alleine gelassen, während ich mit meiner zurecht kommen musste. Ich wollte dich wirklich nie alleine lassen."

„Aber davon ist unsere Beziehung auch nicht kaputt geworden!" stellte sie fest.

„Ich hatte dich wieder gefunden, nachdem wir bei Oma Traudl im Wohnzimmer saßen und Tee getrunken hatten. Du hattest die verheilten Narben verstecken wollen, doch Oma Traudl hatte damals einfach deinen Arm genommen. Sie wusste immer über das abnormale Verhalten bescheid. In diesem Moment als sie dein Ärmel hochgezogen hatte, meinte sie: Mein Kind, lass mich bitte vor dir sterben."

Amina stand schnell auf und lief weinend in den Garten. Ich hatte wohl einen wunden Punkt getroffen? Hatte sie wirklich mit den Gedanken gespielt sich umzubringen? Verstört sah ich durch das Küchenfenster zu ihr nach draußen.

* Amina's Sicht *

Oh mann, wie sah das jetzt für Mo aus? Wie ich weinend wegen diesen Worte das Haus verlassen hatte? Aber er hatte doch auch wirklich recht. Oma Traudl starb vor mir, als wäre es allmählich Zeit meiner Vergangenheit entgegen zu treten. Ich hatte Angst. Ich hatte keine Angst vor dem Tod, wie damals als ich eines Morgens in den Spiegel sah und mich kaum wieder erkannt hatte. Ich hatte keine Angst vor dem Tod, wie damals als ich die Klinge immer wieder über meine Haut zog. Ich hatte keine Angst davor, sie mir über die Schlagader zu ziehen, damit ich endlich abschließen konnte. Ich wollte alles machen, damit ich mich damit abfand, dass ich mein eigenes Fleisch und Blut in mir verloren hatte. Wie sollte ich damals mit sechzehn Jahren damit leben? Ich hatte mein Mut, mein Glaube, meine Hoffnung und mein Stolz in dieser Welt verloren. Ich hatte einen Menschen schon bevor ich ihn kannte, geliebt, wie kein anderes.

Ich hielt mein Bauch und versuchte krampfhaft zu lächeln, doch es wollte mir nicht gelingen. Es tat verdammt weh in die Vergangenheit zu blicken. Ich wollte doch immer nur ein normales Leben haben, welches mich nicht zerstörte. Ich spürte zwei Arme um mich legen und zwei Hände auf meine.

„Es tut mir leid, wenn ich dich mit diesen Worten verletzt hatte." hauchte mir Mo in mein Ohr.

„Kannst du nichts dafür, dass ich zu einen Frack wurde."

„Du bist kein Frack. Du bist einfach eine Frau, die durch das ganze Kämpfen stärker geworden ist und die dennoch versuchte alles zu verstecken, weil sie nur in komplizierte Situationen erwachte."

„Komplizierte Situationen?" lächelte ich auf.

„Erst Trennung deiner Eltern, Magersucht, Tod des eigenes Kindes, Ritzen und am Ende das Liebeschaos." murmelte er in sein 3-Tage-Bart hinein.

Wir standen noch einige Augenblicke auf der Stelle und mir wurde es wieder etwas besser, davon abgesehen, dass mein Hals schmerzte, meine Nase lief.

„Guten Morgen."

Zeiten ändern dich.Where stories live. Discover now