Kapitel 27

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* Marco's Sicht *

„Komm, Marco, gehen wir etwas in die Stadt?"

Ich hatte meine Bedenken, da ich unerkannt bleiben wollte.

„Wir können uns ganz in Deutschland verkleiden, dann sieht dich jeder als einer von ihnen als einer von denen." lachte mir Robin zu.

„Wenn du das so meinst? Ihr steht ja nicht in der Öffentlichkeit wie ich!"

„Marco, wir wissen alle wie du dich fühlst und deswegen werden wir heute auf Ischentour gleichzeitig gehen."

Mit dieser Aussage war ich einverstanden. Keine dreiviertel Stunde später standen wir total Schwarz-Rot-Gold aus und liefen in das Stadtinnere. Ich humpelte mit meinen Krücken hinterher und band um meinem Gips Deutschlandbänder, damit das Grüne nicht so permanent aus der Menge stach. Wir setzten uns beim Ankommen etwas außerhalb, damit wir beim Erkennen einfach Abhauen konnten. Einfach? Ich lachte innerlich auf. Ich war so langsam mit den Krücken, dass ich das nicht hätte durchhalten können. Marcel brachte für uns ein paar Bier und wurde gleich gefragt:

„Ey, schon eine Barbie gefunden?" kicherte mein Bester in sein Plastikbecher.

„Nein."

Ich blickte überhaupt gar nicht durch die Masse. Ich hatte Angst, dass mich einige erkennen würden, wenn ich da herum sehen würde.

*

Das Spiel fing an! Jogi gegen Klinsi. USA gegen Deutschland. Das Match würde Emotionen, Leidenschaft, unfaire Verhaltensweisen und viel Euphorie versprechen. Die Menge wurde leise als Thomas wieder einmal auf das Tor schoss, doch sie seufzten enttäuscht auf, wenn der Ball nur knapp am Tor vorbeiflog. So nah am Fangeschehen war ich wirklich noch nie. Mir gefiel diese Stimmung, also nahm ich mein Handy und nahm diese Atmosphäre bei WhatsApp als Sprachnachricht auf. Sollen meine Kollegen in Brasilien auch etwas davon haben! Die erste Halbzeit endete! In der Pause wurde die Masse etwas übersehbar, da die meisten Getränke holen gingen. Ich lächelte über beide Wangen.

„Ich hatte mich das letzte Mal so gefühlt, als meinem Vater mit mir vor sechzehn Jahren zur Weltmeisterschaft nach Frankreich gefahren ist. Das Spiel Deutschland gegen Kroatien war meeega spannend und ich spüre noch immer die Hoffnung von damals, dass sie die drei Tore ausgeglichen hätten können, die uns davon abhielten ins Halbfinale einzuziehen."

„Dann wird es mal wieder Zeit, dass wir Weltmeister werden." sagte Robin interessiert.

„Aber mit einem Unterschied, Marco, dieses Mal kennst du das komplette Team."

Ich wusste was Marcel meinen wollte, aber ich fasste es anders auf. Ich wurde traurig als es mir wieder kam, dass ich durch diese Verletzung da nicht mitspielen konnte. Verdammt, es tat mir echt weh, die Deutschen spielen zu sehen und doch zu wissen, dass ich eigentlich auch dabei hätte sein können, wenn ich dieses Spiel gegen Armenien nicht gespielt hätte oder einfach vorsichtiger ins Laufduell gegangen wäre. Ich hätte mich echt schlagen können.

* Flashback *

Es war bereits drei Uhr morgens als Marcel, Robin und ich mit meinen schwarzen Range Rover auf dem Parkplatz des DFB - Hotels in Mainz einbogen. Nachdenklich blickte ich aus dem Beifahrerfenster und ließ die letzten Stunden noch einmal Revue passieren. Der Traum, der in sechs Tagen für mich wahr werden würde, war von der einen auf die anderen Sekunde nur noch eine zerfetzte Seifenblase. Es begann mit diesem Laufduell in der zweiundvierzigsten Minute, in dem ich einmal keinen festen Stand hatte und eine Attosekunde später umgeknickt war. Alles was danach geschah, zog an mir vorbei wie ein zu schnell fahrender Zug, der immer wieder aus seiner Fassung fiel. Verloren gegen das Schicksal mit zur Weltmeisterschaft zu fahren. Gebrochen an meiner emotionalen Verfassung. Hoffnungslos, alleine und unaufhaltsam schipperte ich immer weiter in Richtung Weltmeisterschaftsaus. Das Gefühl, dass diese Diagnose mit sich brachte, konnte ich einfach nicht ausdrücken. Es war einfach nur unfair, dass es mich getroffen hatte. Ich war motiviert und hatte hart für meine Form gearbeitet. Ich freute mich riesig mit der Mannschaft und meinen besten Fußballkollegen in Brasilien einlaufen zu dürfen.

* Flashback - Ende *

Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass mich das Gekreische aufschreckte. Schnell realisierte ich das Müller ein Tor erzielt hatte. Ich starrte plötzlich gezielt auf einen gewissen Punkt, dass unbemerkbar für die meisten waren, aber ich kannte diesen Punkt nur zu gut. Schluckend beobachtete ich das Verhalten weiter. Sie umarmte in diesem Moment eine Frau ihres Alters. Ihre Haare lagen rechts über ihre Schulter, darin war ein Deutschlandhaarband zu sehen und ihre gleichfarbigen Ohrringe. Sie trug eine Schwarz-Rot-Gelbe Brille, fast hätte ich sie dadurch nicht erkannt. Sie trug das Auswärtstrikot, schwarze kurze Höschen und gelbe Chucks. Deutschlandarmband, -kette und sogar ein -schweißband. Moment, sie trug ein Trikot? Seit wann hatte sie ein Deutschlandtrikot?

„Marco, wohin schaust du den?" wollte Robin wissen.

„Amina!" sagte ich entgeistert.

„WOO?"

Ich zeigte schräg gegenüber unserer Sitzreihe. Als meine Freunde sie endlich fanden, sahen sie ebenfalls geschockt hin.

„WHAT THE FUUUUCK?"

„Kevin hatte also recht." gab nun auch nach Marcel Robin wieder hinzu.

„Anscheinend."

„Marco, nur die Ruhe bewahren. Sie hat dich noch nicht bemerkt."

Sie versuchten mich zu beruhigen, doch mein Herz machte Sprünge, die Auba niemals nachmachen könnte.

„Seit wann trinkt sie Bier? Bei uns hat sie doch immer rumgemietzt, dass sie keines vertragen würde?" stellte Marcel seinen Gedanken zu mir gewandt fest.

„Das beunruhigt mich."

Ich kannte sie sehr wohl, dass ich wusste, dass sie sehr anhänglich werden würde. Im Rausch hatte sie kaum noch eine emotionale Stabilität. Sie stand nun auf einen Tisch und patschte mit ihrer Klatsche herum.

„Deutschland... Schießt ein Tooor... Schießt ein Tooor... Schiiiießt ein Tooooor" sang sie in die Menge.

Mit den Rücken mir zugewandt, erkannte ich den Namen auf dem Trikot. Es ehrte mich dass sie meinen Namen auf ihren Rücken trug. Wie oft dachte ich, dass sie die Mutter meiner Kinder werden würde? Ich durfte sie nicht ansprechen. Ich konnte kein Kontakt aufbauen. Ich will das sie Glücklich mit Neymar bleibt. Aber wieso war sie auf der selben Insel und ausgerechnet in der selben Stadt?

*

Ich beobachtete sie den Abend kaum noch, dennoch begegnete ich sie mit ihrer Freundin des öfteren. Wieder einmal erkannte sie mich nicht oder sah mich nicht. Interessiert sah ich Robin an, der wieder von der Toilette gekommen war.

„Und?"

„Sie hat anscheinend wirklich genug intus. Wir sollten aufpassen, dass sie keinen Scheiß macht, dass sie später bereuen würde!" sagte Robin sorgend.

„Kevin und Mats würden uns die Köpfe abschlachten, wenn sie erfahren, dass sie in das Verderben jagen lassen haben, obwohl wir es verhindert hätten können." kam nun auch von Marcel.

„Aber was machen wir mit ihrer Beraterin?" wollte ich neugierig wissen.

Beide überlegten etwas länger und tranken dabei ihr Bier leer. Wir sahen zum Tisch und schon hatte sich das Problem von allein gelöst. Diese Beraterin bezahlte ihre Getränk und ging auf die Bar zu.

„Ich kümmer mich drum." lächelte Robin lasziv.

Wir blickten ihn hinterher und erahnte, was er von ihr in jener Nacht wollte. Nach einiger Zeit stupste mich Marcel an.

Zeiten ändern dich.Место, где живут истории. Откройте их для себя