Kapitel 27

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Nun saß ich hier im Flur und dachte schon wieder an Till. Dabei sollte ich mich doch eigentlich auf Kasimir und den bevorstehenden Campingausflug freuen. Doch irgendwie wollte sich das Gefühl von Vorfreude nicht einstellen. "Hey schau mal was ich noch im Keller gefunden habe.", meinte Sibel plötzlich und furchtelte mit einer Packung Heringen vor meiner Nase rum. "Davon kann man doch bestimmt nicht genug haben oder?", lächelte sie. Doch ich zuckte nur mit den Schultern. "Hey, Was ist denn los?", fragte sie ernst und setzte sich gegenüber von mir und sah mich aus ihren braunen Augen prüfend an. "Ich weiß auch nicht. Ich bin total verwirrt.", gab ich zu. "Wegen Kasimir? Aber du freust dich doch auf ihn oder?", harkte sie nach. "Ja schon. Nur ich weiß auch nicht. Irgendwas hat sich verändert.", sagte ich. "Hat dir der Kuss vielleicht doch mehr bedeutet, als du zugeben willst?" Ich zögerte. Ich wollte es eigentlich abstreiten, aber damit würde ich mir nur weiter etwas vorspielen. Deshalb nickte ich nur schlicht und ließ meinen Hinterkopf gegen die Wand sinken. "Ich muss es Kasimir sagen." "Was jetzt genau?", fragte sie skeptisch. "Dass ich.. ", fing ich an, stockte aber dann. Ja was wollte ich ihm sagen? Wollte ich Schluss machen?! Ihm von den Kuss erzählen? "Martha Was willst du ihm sagen?" "Kann man zwei Typen gleichzeitig lieben?", fragte ich sie dann, ohne auf ihre Frage einzugehen. Jetzt war Sibel es, die nur mit den Schultern zuckte. "Ich glaube ehrlich gesagt nicht. Einen muss man doch ein bisschen besser finden.", überlegte sie dann laut. "Dann muss ich wohl morgen das Treffen abwarten und schauen, wie ich auf Kasimir reagiere wenn er wieder vor mir steht.", sagte ich nachdenklich. Oh man Martha tief im Inneren, weißt du doch eh wen du wählen würdest, meinte meine innere Stimme schon genervt. Und genau das bestätigte sich dann auch als mein Handy erneut vibrierte und ich die Nachricht von Kasimir las." Kasimir kann nicht kommen. Der Zug fällt aus und es gibt keinen Ersatz.", sagte ich zu Sibel. Eigentlich hätte ich jetzt total enttäuscht und tottraurig sein müssen, war ich aber nicht. Ich war eher erleichtert, dass er nicht kam. Und da wurde es mir klar. Ich würde Till wählen. Ich war in Till verliebt. Ausgerechnet in ihn. Aber wie sagt man so schön? Gegen Gefühle kann man nichts machen.
Diese Erkenntnis, war wie ein Schlag ins Gesicht, auch wenn ich es insgeheim schon wusste. "Was wirst du jetzt machen?", fragte mich Sibel vorsichtig. So als hätte sie Angst vor der Antwort. Doch wieder zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte doch nicht einfach so mit Kasimir Schluss machen. Er war mein erster Freund. "Ich muss jetzt erstmal nachdenken", sagte ich leise. "Klar. Aber wenn was ist, du weißt ich bin da okay?" Ich nickte dankbar. "Danke" "Ne lass. Ich räume die Sachen schon weg. Geh du mal lieber deinen Kopf frei kriegen.", sagte sie, als ich die Campingsachen aufheben wollte. Ich nickte wieder und ging dann nach draußen. Frische Luft würde mir beim Denken bestimmt helfen.

Mittlerweile irrte ich schon seit Stunden durch Erfurt, jedoch kam ich zu keiner Entscheidung. Obwohl sie eigentlich auf der Hand lag. Ich musste das mit Kasimir beenden. Es wäre ihm gegenüber sonst echt fies, wenn ich das einfach so weiter laufen lassen würde.

Ich setzte mich auf eine Bank und scrollte alte Fotos von uns durch. Es schnürrte mir die Kehle zu. Aber nicht, weil ich ihn so vermisste, sondern weil mir einmal mehr bewusst wurde, dass ich ihn nicht mehr liebte. Früher wären tausend Schmetterlinge durch mich durch geflogen, aber jetzt war da gar nichts. Nichts. Nicht einer. Und das trieb mir die Tränen in die Augen. Ich saß hier alleine im Park auf einer Bank, zog die Knie an meinen Oberkörper und schlang meine Arme drum, um nicht in Stücke zu zerfallen. So fühlte es sich zumindest an. Als würde ich in meine Einzelteile zerfallen. Aber nicht wegen mir fühlte ich mich so schlecht sondern wegen Kasimir. Ich wusste, wie sehr er mich liebte und ich würde ihm sein Herz brechen. Er tat mir jetzt schon so unendlich leid. Es war kaum zum Aushalten.

Nach einer Weile, in der meine Tränen allmählich getrocknet waren, stand ich auf und ging zurück ins Internat. Natürlich traf ich ausgerechnet Till auf der Treppe. Er sah so aus als, wolle er laufen gehen. Normalerweise hätte ich jetzt bestimmt irgendeinen bissigen Kommentar abgegeben, doch nicht dieses Mal. Dieses Mal lief ich mit gesenktem Blick an ihm vorbei und wollte so schnell es geht in mein Zimmer. Es sollte niemand sehen, dass ich geweint hatte. Dort angekommen schmiss ich mich aufs Bett und überlegte mir die passenden Worte. Naja falls es sowas überhaupt gibt. Es gibt keine passenden Worte fürs Beenden einer Beziehung. Das war keine Rede, die man vorbereiten konnte. Das war das Leben und das spielte nicht immer so wie wir es uns wünschen.
Es vergingen weitere Stunden in denen ich einfach nur da lag und die Decke anstarrte. Die Maserung war mir vorher noch nie aufgefallen. Oh man Martha, jetzt bring es hinter dir, ermahnte ich mich selbst. Und es stimmte ja auch. Je länger ich es vor mir her schieben würde, desto schlimmer würde es werden. Ich seufzte laut auf, erhob mich dann und ging mit meinem Handy in den Internatshof. Es war sogar schon dunkel. Nur die spärlich leuchtenen Lampen der Außenbeleuchtung spendeten mir ein bisschen Licht.
Mit zitternden Händen suchte ich die Nummer von Kasimir und drückte nach einem kurzen Zögern auf Anrufen.

What if?Where stories live. Discover now