Kapitel 65

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Marthas Sicht:

Es schmerzte mich Till so zusehen. Das Schlimme daran war, dass ich einfach nichts tun konnte. Obwohl. Mir fiel mein Traum wieder ein. In ihm hatte ich aus Tills Handy die Nummer seiner Mum rausgesucht. Sollte ich das wirklich machen? Anders konnte ich ihm nicht helfen. Und sie mussten sich aussprechen. Langsam löste ich meine Arme von ihm und drehte mich um. Ich sah mich im Raum um und sah sein Handy auf dem Schreibtisch liegen. Vorsicht stand ich auf, stets darauf bedacht Till nicht zu wecken. Dann schlich ich zum Schreibtisch und schnappte mir sein Handy. Ich ließ das Display aufleuchten und wischte nach rechts. Mist gesperrt. Mh, vielleicht 'Staffel'. Falsch. 'Sport'. Auch nicht. 'Martha' Und schon änderte sich der Hintergrund. Ich war sein Passwort? Wie süß er doch war. Ich klickte auf Kontakte und gab in der Suchleiste Mum ein. Dann Mama und Mutter. Doch da kam nichts. Traurig schaute ich in seine Richtung. 'Nicht mal im Handy war sie seine Mum', dachte ich nachdenklich. Das war wirklich traurig. Dann viel mir der Chat wieder ein. Also klickte ich auf das Chatsymbol und sah ganz oben 'Enttäuschung' Das trieb mir die Tränen in die Augen. Er hatte seine eigene Mutter als 'Enttäuschung' eingespeichert?! Shit Man. Schnell fotografierte ich mir den Kontakt ab und legte sein Handy dann wieder zurück. Gerade rechtzeitig, denn seine raue verschlafene Stimme ließ mich erschrocken zusammen fahren. "Komm wieder ins Bett. Es ist mitten in der Nacht." Streng genommen dürfte ich gar nicht hier sein, dachte ich, wischte mir schnell die Tränen weg und kuschelte mich wieder zu ihm ins Bett. Aber es stimmte es war schon nach Mitternacht. "Bist du okay?", murmelte er mit geschlossenen Augen, nachdem ich meinen Kopf auf seiner Brust abgelegt hatte. "Ja, alles gut. Schlaf weiter.",sagte ich leise und ich hatte das Gefühl er war schon längst wieder im Land der Träume angelangt. Doch ich machte kein Auge zu. Ich nahm mir mein Handy in die Hand und speicherte erstmal die Nummer seiner Mum ein. Doch in dem Feld, in dem man den Namen eintippt, stoppten meine Finger über der Tastatur. Wie sollte ich sie einspeichern? 'Tills Mum', dachte ich mir und tippte es ein. Sollte ich ihr jetzt sofort schreiben oder lieber doch bis morgen warten? Und wenn, was sollte ich ihr überhaupt schreiben? Ich tippte einfach drauf los:
'Hallo Frau Hainzinger, Sie wundern sich sicher wieso Ihnen eine fremde Nummer schreibt. Mein Name ist Martha Pracht und ich gehe mit Ihrem Sohn zusammen aufs Einstein. Er hat es Ihnen nicht erzählt, aber ich bin seine Freundin. Ich weiß auch ein bisschen über die Familiensituation bescheid und finde es ehrlich gesagt schade, wie sie Till vernachlässigen. Sie merken gar nicht was für ein toller Junge er ist. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihm nochmal schreiben. Er vermisst Sie nämlich. Über eine Antwort würde ich mich freuen.' Ich fande den Text gar nicht so schlecht und schickte ihn deshalb direkt ab. Problem an der ganzen Sache war, jetzt würde ich erst recht nicht schlafen können, da ich immer wieder aufs Handy schielte, ob sie nicht doch schon geantwortet hatte.

"Ich glaube ich spinne!", riss mich Frau Schillers wutverzehrte Stimme aus den viel zu kurzen Schlaf. "Martha, du kommst jetzt SOFORT mit!" Noch total neben der Spur stand ich auf, rieb mir die Augen und folgte ihr. Bevor ich jedoch das Zimmer verließ, drehte ich mich noch kurz zu Till um und er schaute genau so verwirrt wie ich. "Ihr denkt auch für euch gelten die Regeln nicht oder?!", meckert sie dann drauf los, als wir im Flur standen. Seit wann war sie denn so unenspannt? "Nein. Ich. Wir.", versuchte ich mich zuerklären, aber mein Kopf war wie leer gefegt. "Das wird Konsequenzen haben. Ich habe ja schon bei der Badezimmersache mehr als zwei Augen zugedrückt, aber das hier geht zu weit. Ihr wisst ganz genau, dass Jungs und Mädchen getrennt schlafen sollen. Viktor hat wegen euch im Fitnessraum übernachtet!", polterte sie weiter. "Aber Frau Schiller, ich konnte Till nicht alleine lassen. Das verstehen sie doch.", sagte ich dann. Sie atmete geräuschvoll aus. "Ja ich verstehe es, aber da hätte es auch einen anderen Weg gegeben.",sagte sie dann. "Okay. Dann bestrafen Sie aber nur mich. Till kann schließlich nichts dafür.", sagte ich dann schnell. Sie nickte. "Okay, komm heute Nachmittag nochmal in mein Büro." Ich nickte und dann ging sie mit energischen Schritten den Flur entlang, Richtung Speisesaal. Ich schüttelte leicht den Kopf. Was war das denn?
Ich ging zurück in Tills Zimmer, der mittlerweile umgezogen auf dem Bett saß und gerade seine Laufschuhe anzog. "Gab es großen Ärger?", fragte er. Ich schüttelte zaghaft den Kopf. Er musste ja nicht wissen, dass ich jetzt ne Strafe bekam. Aber für ihn würde ich jede Strafe auf mich nehmen.
"Ich fande es trotzdem schön in deinen Armen einzuschlafen. Auch wenn ich mir das Aufwachen ein wenig anders vorgestellt habe.", schmunzelte er und nahm mich in den Arm und drückte mir einen Kuss aufs Haar. "Ich fande es auch schön.", sagte ich und wir sahen uns so tief in die Augen, als würde es nur uns beide auf dieser Welt geben. Dann küssten wir uns ganz sanft und voller Liebe. Es war so schön. "Ich gehe jetzt laufen, aber wir unternehmen heute noch was okay? Es ist schließlich Samstag.",sagte er und ich nickte. Dann verschwand er und ich blickte verträumt auf die Tür, durch die Viktor ins Zimmer spaziert kam. Mist. Stimmt, ich war ja immer noch in dem Zimmer der Jungs.
"Ich bin ja echt froh, dass ihr beiden euch gefunden habt, aber es wäre echt cool, wenn ihr beim nächsten Mal eure Übernachtungspläne mit mir absprechen könntet.", sagte Viktor und schmiss sich auf sein Bett. "Sorry Viktor. Das war auch eigentlich überhaupt nicht so geplant. Tut mir wirklich Leid, dass du wegen mir auf den Matten im Fitnessraum schlafen musstest.", sagte ich direkt. Viktor machte eine abwertende Handbewegung. "Schon okay. Ich freue mich ja für euch. Und naja irgendwie bin ich auch selbst Schuld. Hätte ich euch nicht im Badezimmer eingeschlossen, wäre es vielleicht gar nicht erst so weit gekommen.", lachte er. Ich schmunzelte, als ich an diese echt krasse Aktion zurückdachte. " Naja ich geh dann mal. Bis später.",sagte ich dann und ging dann auch mal zurück in mein Zimmer. Dort schnappte ich mir ein Handtuch und meine Kulturtasche und ging erstmal duschen und zog mir frische Klamotten an. Anschließend ging ich runter und sah Sibel an einen der Tische sitzen. Also nahm ich mir schnell auch was zu essen und setzte mich zu ihr. "Guten Morgen." "Morgen.", brummte sie. "Martha wo warst du die ganze Nacht?" "Ich hab bei Till geschlafen.", sagte ich. "WAS?! Und lief was?", fragte sie mit einem vielsagendem Blick. "Oh Gott Sibel nein!", rief ich entsetzt und merkte wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Das wäre viel zu früh. Dann plötzlich klingelte mein Handy. Aufgeregt schaute ich drauf und sah, dass Tills Mum mich anrief. Warte was?! Sie rief mich an? Oha. "Sorry Sibel. Da muss ich ran.", sagte ich schnell, sprang auf und verließ fluchtartig den Raum. Dann nahm ich den Anruf an.

What if?Where stories live. Discover now