Kapitel 50

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Tills Sicht:

Ich war total verwirrt. Seit wann war Martha so insichgekehrt? Seit wann war sie so nachdenklich und traurig? Seit wann versuchte sie Dinge zu verstecken? Das war doch eher mein Part.
"Martha komm schon. Du kannst es mir sagen. Du kannst mir vertrauen.", versuchte ich es wieder. Sie sah mich lange an, bis sie dann seufzte und sagte:"Ok. Aber nicht hier und jetzt. Nach der Schule ja?" Ich nickte. Das war okay für mich. "Ich muss eben duschen. Treffen wir uns in einer halben Stunde unten bei den Fahrrädern?" "Ja.", war alles was sie dazu sagte. Ich sah sie nochmal eindringlich an und machte mir nur noch mehr Sorgen. Sie sah echt fertig aus. So als hätte sie schlecht geschlafen. Das würde zumindest erklären, wieso sie so früh hier unten gesessen hatte. Aber was war der Grund dafür? Um den zuerfahren musste ich mich wohl bis zum Ende der Schule gedulden müssen.
"Können wir?", fragte sie dann, als ich bei den Fahrrädern ankam und sie brachte dabei tatsächlich ein Lächeln zustande. Wüsste ich es nicht besser, würde man es ihr tatsächlich abkaufen. Ob sie das wohl schon öfter getan hatte? Dieses perfekte Fake-Lächeln aufgesetzt, um alle um sich herum zutäuschen.
Das verwirrte und beunruhigte mich nur noch mehr. Dann stieg ich aufs Rad und fuhr ihr nachdenklich hinterher.
Immer wieder musterte ich sie von der Seite, während wir in der Klasse waren. Sie wirkte nachdenklich. Irgendwas musste da letzte Nacht passiert sein. Denn bevor ich sie vor ihrer Zimmertür verabschiedet hatte, schien noch alles gut. Oder war es immer noch, weil ich ihr kleines Herz in Stücke zerspringen ließ? Brauchte sie doch noch Zeit, um das zu verarbeiten? Und schon wieder fing ich an zuzweifeln, ob ich wirklich der Richtige für sie war. Auch wenn sie mir das gestern so gesagt hatte, war da trotzdem die leise aber penetrante Stimme in meinem Kopf, die sagte ich würde nie gut genug für sie sein.

Marthas Sicht:

Den ganzen Tag spürte ich immer wieder Tills Blick auf mir. Ich hätte nie gedacht, dass er sich mal um jemand anderes sorgen würde außer sichselbst. Aber genau das war der Fall. Er sorgte sich um jemand anderes. Um mich. Und ich wusste nicht damit umzugehen. Ich wollte ihm ja am liebsten alles anvertrauen, aber ich hatte Angst. Angst, dass er mich dann mit anderen Augen sieht und mich verurteilt. Mich dann nicht mehr will. Mich wieder verlässt. Das durfte ich einfach nicht riskieren.
Aber wenn er endlich alles weiß, würde es mir besser gehen. Und er würde es bestimmt verstehen. Er kam selbst aus einer abgefuckten Familie. Obwohl seine wahrscheinlich noch abgefuckter war. Okay ich würde es ihm erzählen. Denn nur so konnten wir eine ehrliche Basis für unsere Beziehung schaffen.

"Können wir uns hier hinsetzen?", fragte ich Till und deutete auf die Bank, an der wir gerade vorbei kamen. Wir waren im Park unterwegs und ich wollte es ihm jetzt erzählen. Naja besser gesagt musste ich es. "Natürlich.", sagte er. Ich war total angespannt, obwohl es gar keinen Grund dazu gab. Er ist jetzt mein Freund und da konnte und musste man ehrlich zueinander sein. Nervös zupfte ich an meinen Finger rum, bis er sie sanft in seine nahm und mir beruhigend hinüber strich. Direkt entspannte ich mich etwas und fing dann an. "Okay. Also, Meine Mum hat mich gestern Abend angerufen und es ist nicht so gut gelaufen. Naja eigentlich läuft es nie gut, wenn ich mit ihr spreche. Sie ist einfach so egoistisch geworden seit. Naja seit Papas Tod. Ich hasse das. Und gestern ist es dann wieder zum Streit ausgeartet. Ich wollte nach Hause. Also eigentlich wollte ich gar nicht nach Hause, aber ich habe es morgens Frau Schiller gesagt, weil ich so traurig war. Einfach weil ich in dem Moment meine Mutter gebraucht hätte. Daraufhin hat sie dann Abends bei mir angerufen und hat mir dann quasi vorgeworfen wieso ich denn nach Hause kommen wollen würde. Sie will mich gar nicht mehr zuhause haben. Ich bin ihr völlig egal. Da bin ich dann natürlich direkt wütend geworden und wir haben gestritten. Nie hört sie einem zu. Es zählen immer nur ihre Probleme. Manchmal fühle ich mich so, als wäre ich die Mutter und sie das Kind.", erzählte ich ihm dann und blickte dann von unseren Finger in sein Gesicht. "Nachdem ich dann einfach aufgelegt hatte, war ich so aufgewühlt und durcheinander, dass ich einen Alptraum hatte und einfach nicht schlafen konnte." "Das ist scheiße.", gab er als Antwort. Ich nickte stumm. Ja so konnte man es auch ausdrücken. "Ich weiß genau wie du dich fühlst. Ich kenne es ja von zu Hause. Ich weiß wie es sich anfühlt nicht gewollt zu sein. Es ist schrecklich und es tut mir Leid, dass du das auch fühlen musst. Aber wir haben jetzt uns und müssen nie wieder alleine sein.", hörte ich ihn sagen und ich konnte nicht anders als ihn anzulächeln. Auch er strahlte mich an und er drückte mich an seine Schulter. Wie süß kann ein Junge sein?! Wie süß kann er sein?! Es überraschte mich, aber machte mich einfach nur glücklich. Ja er machte mich glücklich. Bei ihm fühlte ich mich endlich verstanden. Bei ihm musste ich mich nicht verstellen. Bei ihm konnte ich auch meine verletzliche Seite rauslassen ohne verurteilt zu werden.

What if?Where stories live. Discover now