Kapitel 53

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Tills Sicht:

Das war das erste Mal seit Jahren, dass ich so richtig weinte. Es war so als wäre meine Mauer, die ich mir Jahre lang aufgebaut und hinter der ich mich so lange verschanzt hatte, aufgebrochen. Ich wusste nicht wie Martha das gemacht hatte, aber sie hatte es tatsächlich geschafft. Bei ihr fühlte ich mich sicher, sodass ich mich fallen lassen konnte. Sie würde immer da sein und ihre Arme schützend um mich legen. Davon war ich einfach ganz fest überzeugt. Genau so würde ich es bei ihr machen. Man ich liebte dieses Mädchen wirklich. Mit jeder Faser meines Körpers. So richtig glauben konnte ich es ja immer noch nicht. Ich hatte immer nur diese Wut, diesen Hass auf mich selbst gespürt und jetzt war da auch dieses Gefühl von Geborgenheit, von Wärme, die meinen Körper flutete. Und es war mir so fremd, dass es mir einfach nur Angst machte und mich verunsicherte. Ich hatte schon fast vergessen wie schön es sich anfühlt, jemanden an seiner Seite zu haben der einen liebt. Jemanden zu haben der mich liebt. Das wäre vor ein paar Wochen noch ein völlig utopischer Gedanke gewesen, doch jetzt war es Realität. Ich hatte Martha an meiner Seite. Das tollste, klügste und schönste Mädchen der Welt.
Auch wenn ich immer noch nicht verstehen konnte, wie ich so jemanden verdient hatte. So ätzend wie ich doch war.
"Tut gut oder?", holte sie mich aus meiner Gedankenwelt, in der ich mich so schnell verlieren kann.
Ich löste mich aus der Umarmung, hielt sie an den Schultern fest und sah in ihr wunderschönes Gesicht. Dann nickte ich. "Ja das tat es. Danke"

Sie lächelte mich zaghaft an und kam meinem Gesicht noch etwas näher. Dann nahm sie mein Gesicht in ihre Hände, wischte sanft eine restliche Träne mit ihrem Daumen weg und überbrückte dann die letzten Zentimeter zwischen uns und ich spürte ihre weichen Lippen auf meinen. Da war nichts außer pure Liebe, die ich spürte. Es war wie eine Droge und berauschte mich immer wieder aufs Neue. Und ich war jetzt schon süchtig danach.
"Ich liebe dich.", hauchte ich dann gegen ihre Lippen, als wir uns wieder voneinander lösten. "Ich dich auch."
Dann nahm ich ihre Hand und wir gingen zurück zum Internat.

Am nächsten Tag, sahen Martha und ich uns weder in der Schule, noch danach, weil ich direkt zum Training musste und sie mit Sibel in der Stadt unterwegs war. Heute musste ich Hauser meine Entscheidung mitteilen. Aber wirklich sicher war ich mir immer noch nicht.
"Sauber Jungs! Das war von euch beiden eine neue Bestzeit!", rief Hauser begeistert als Viktor und ich im Ziel ankamen. "Was hast du denn im Tank?", lachte Viktor und wir klatschten uns ab. "Martha.", lachte ich nur und er nickte wissend.
"Kann ich dich mal was fragen?", wurde ich plötzlich ernst. "Klar.",sagte er und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche. "Hauser hat mich gefragt ob ich wieder in die Staffel will, aber ich weiß nicht ob ich das Angebot annehmen soll. Die anderen sind bestimmt nicht begeistert davon.", überlegte ich laut. "Quatsch. Wenn du so ablieferst wie heute, haben sie da bestimmt nichts gegen." Ich kratzte mir verlegen an meinem Kopf. So sicher war ich mir da nicht. Ich hatte Cäcilia ja echt kacke behandelt, als sie in die Staffel gekommen ist. Sie würde es mir bestimmt heim zahlen wollen. Obwohl auch sie sich irgendwie verändert hatte, seit sie mit Leni zusammen war. Sie war glücklicher und nicht mehr so verbittert. Naja wie bei mir. Vielleicht würde es ja doch was werden. "Probier es aus. Das wäre doch die Gelegenheit für einen Neustart. Einen Neustart für Till.", fügte er noch hinzu. Nachdenklich schaute ich ihn an. Ja irgendwie hatte er recht. Das wäre meine Chance nochmal bei Null anzufangen und allen zu beweisen, dass ich eben nicht dieses Arschloch war, sondern eigentlich ein recht netter Kerl.
Und Chancen sollte man ja bekanntlich nutzen, sonst würde man es am Ende nur bereuen. "Es liegt jetzt bei dir.", sagte er noch, klopfte mir auf die Schulter und ging sich dann schon mal umziehen. Ich blickte nachdenklich auf meine Wasserflasche, nahm dann einen Schluck und ging dann zu Hauser, der gerade dabei war noch die restlichen Leibchen in den Sack zuräumen. Schnell ob ich auch eins auf und reichte es ihm. "Oh Danke Till.", sagte er überrascht. Na klar normalerweise würde ich sowas auch nicht machen. "Ich würde gerne mit Ihnen reden.", fing ich langsam an. "Hast du dich entschieden?", fragte er direkt. "Ja. Ich will zurück in die Staffel.", sagte ich jetzt mit fester Stimme.
Ich weiß nicht wieso, aber jetzt wo ich es laut ausgesprochen hatte, fühlte es sich richtig an und ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass ich wieder zurück wollte. Es war wie ein Befreiungsschlag und ich fühlte mich gleich ein Stückchen besser. "Na dann. Willkommen zurück im Team.", sagte Hauser und lächelte mich an. Dann nahm er das letzte Leibchen und stopfte es in den Sack. "Was auch immer da gerade bei dir los ist. Es tut dir gut. Du hast dich echt verändert. Zum Positiven. Bleib dabei.", sagte er dann noch und ich merkte wie mir ganz warm wurde. Ja Martha war ein Engel. Sie hatte mich zu einem besseren Menschen gemacht. Bzw. meine gute Seite wieder aus mir rausgekitzelt. Dafür werde ich ihr für ewig dankbar sein." Danke.", sagte ich dann noch und ging dann auch zu der Umkleide. Jetzt musste ich so schnell wie möglich zu Martha und ihr diese riesen Neuigkeit erzählen. Sie würde ausflippen vor Freude und ich freute mich schon auf ihr strahlendes Gesicht. Wenn sie lachte, war es so als würde die Sonne aufgehen. Sie war meine persönliche Sonne und schenkte mir Kraft, Wärme und Liebe. Und brachte damit ein wenig Licht und Hoffnung in mein trostlosen, graues Leben.

What if?Where stories live. Discover now