Kapitel 57

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Marthas Sicht:

Ich war so erleichtert, dass mir riesen große Steine vom Herzen fielen. Ich hatte echt Angst, dass Till wieder ausflippen und weglaufen würde. Aber das tat er nicht. Und das zeigte mir nur noch einmal mehr, wie sehr er sich verändert hatte. Ins Positive versteht sich.
Wir saßen im Park und ich hatte meinen Kopf an seine Schulter gelehnt. Das Wetter war einfach noch viel zu schön, um im Internat zuhocken. Die Sonne stand tief und tauchte den Himmel in ein warmes Rot.
"Hast du meiner Mum, denn schon eine Nachricht geschickt?", fragte er dann plötzlich nervös. Doch ich schüttelte den Kopf. So weit war ich leider nicht gekommen.
"Gut.", atmete er erleichtert aus. "Wieso denn nicht Till? Es wird euch wieder näher zueinander bringen.", sagte ich und hob meinen Kopf an, um ihn ansehen zu können. "Nein, es ist nur. Ich. Ich will ihr selbst schreiben. Aber ich brauche trotzdem deine Hilfe.", sagte er etwas unsicher und verlegen. Ich fande es mutig von ihm, dass er so direkt nach Hilfe fragte. "Klar.", sagte ich und lächelte ihm aufmuntern zu. Er atmete einmal tief ein und entließ die Luft dann geräuschvoll aus seiner Lunge. Er nickte entschlossen und fischte dann sein Handy aus seiner Hosentasche, entsperrte es und suchte die Nummer seiner Mutter. Dann ging er auf den Chat und starrte erstmal nur drauf. Ich sah den leeren Chatverlauf und direkt überkam mich eine tiefe Betroffenheit. Sie hatten wirklich kein einziges Wort miteinander geschrieben und gesprochen schon gar nicht. Liebevoll legte ich meinen Arm um ihn und wollte ihm ein bisschen Mut geben. Dankbar drehte er seinen Kopf zu mir, lächelte kurz und blickte dann zurück aufs Display, welches schon wieder schwarz geworden war. "Ich bin da. Ich helfe dir okay?", sagte ich weiter. "Man das ist echt schwer.", sagte er. "Das wird gut. Vertrau mir." "Okay." Er klang nicht so ganz überzeugt, aber wie konnte man ihm das verübeln? So oft wie er schon enttäuscht wurde. Da war es nur verständlich, dass er so oft an sich, aber auch an anderen zweifelte. "Hallo Mum, ich bins Till. Ich wollte fragen wie es dir, naja euch, so geht.",las er dann vor. Ich fande für den Anfang war es sehr gut. Es waren nur wenige Zeilen, aber die Bedeutung dahinter war riesen groß. "Na los schick es ab.",machte ich ihm weiter Mut, da er immer noch nur auf das Display starrte und die Worte wieder und wieder durchlas. Er seufzte und tippte dann auf senden. "Ich bin stolz auf dich.",lächelte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Er entspannte sich ein wenig, aber ich merkte, dass er immer noch nervös war. "Was ist wenn nichts zurück kommt?", fragte er dann leise. Daran hatte ich tatsächlich auch schon gedacht und ich hatte genau so viel Angst davor wie er. Denn ich war mir sicher, dass würde er nicht verkraften. Damit würde er nicht umgehen können. Till würde wieder am Boden zerstört sein. Danach würde er sich komplett aufgeben. Aber ich sagte ihm dann trotzdem: "Sie wird sich melden." Ich durfte ihm jetzt nicht eine Sekunde zeigen, dass auch ich Zweifel hatte, denn sonst würde er erst recht nicht daran glauben. Aber er musste. Und seine Mum musste ihm einfach antworten. Sonst wäre alles verloren.
"Danke, dass du da bist.",sagte er und gab mir dann einen Kuss. Ich spürte wie viel Hoffnung er in diese Nachricht gelegt hatte. Doch wo Hoffnung war, kam auch schnell die Enttäuschung . Aber die musste ihm dieses eine Mal erspart bleiben. Wenigstens ein Mal. War das etwa zu viel verlangt?

"Und hast du schon was von deiner Mutter gehört?", fragte ich Till dann am nächsten Morgen vorsichtig, als ich ihn auf der Bank vor den Fahrradständern sitzen sah. Er schaute auf sein Handy. Wir hatten uns heute Morgen noch gar nicht gesehen, da er erst zur 3.Stunde hatte. Er blickte auf und lächelte leicht als er mich sah. "Hey! Natürlich nicht. Da wird auch nichts mehr kommen.", sagte er dann. Ich ließ mich neben ihn fallen und blickte ihn schief von der Seite an. Er war enttäuscht, versuchte es aber wieder hinter seiner Tillinator Maske zu verstecken. Nur weil wir hier in der Schule waren? Das wäre doch absurd. Ich wusste aber auch wenn ich ihn jetzt damit konfrontieren würde, würde er nur wieder sauer werden und das wollte ich nicht provozieren.
Stattdessen versuchte ich ihn nur weiter aufzumuntern, beziehungsweise abzulenken. Denn jetzt die ganze Zeit aufs Handy zu starren und auf eine Nachricht zu warten, würde das Ganze auch nicht besser machen.
"Sie wird sich nicht melden oder?", fragte er niedergeschlagen. Mist. Langsam bereute ich es schon ihn überhaupt dazu ermutigt zu haben. "Doch klar wird sie das." Oh man das klang nicht so überzeugend, wie ich es wollte. Das sah ich auch an seinem Blick. "Toll. Du glaubst auch nicht daran, richtig?", sagte er. Ich trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Dann zuckte ich mit den Schultern. "Naja, ich wünsche es dir einfach so sehr. Du hast es verdient endlich glücklich zu sein." "Aber ich bin glücklich. Ich habe dich und das ist mehr als genug. Mehr als ich verdient habe.", sagte er. "Klar, wäre es schön gewesen, wenn sie sich gemeldet hätte, aber ich habe mich irgendwie damit abgefunden, dass es für mich keine Familie mehr gibt.", hörte ich ihn sagen. Es war zwar süß was er da sagte aber den Teil mit dem 'Ich habe mich damit abgefunden' kaufte ich ihm nicht so ganz ab. Wer bitte findet sich einfach so damit ab? Er war enttäuscht. Das wusste ich einfach. Ich wäre es an seiner Stelle auch.
Ich nahm ihn in den Arm und es tat mir und auch ihm einfach nur gut dem jeweils anderen so nah zu sein. "Wir schaffen das okay?", flüsterte ich. Und er gab ein Brummen von sich, was wohl seine Zustimmung bedeuten sollte.

What if?Where stories live. Discover now