Kapitel 46

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Tills Sicht:

Ich stürmte schon fast die Treppe des Internats hoch, als ich von der Schule kam. Dann völlig außer Atem stand ich vor ihrer Zimmertür. Ich musste mit ihr reden und den ganzen Schultag hatte ich versucht mir die passenden Worte zurecht zulegen. Ich stieß nochmal die Luft aus und wollte dann klopfen, bis mich ein "Das würde ich lieber nicht machen!" daran hinterte. Verwirrt sah ich nach links von wo die Stimme kam. Es war Sibel. Wer auch sonst? "Ich muss mit ihr reden.", sagte ich schnell. "Ach jetzt auf einmal?! Willst du ihr noch mehr weh tun?! Findest du nicht, dass du schon genug angerichtet hast?!", sagte sie drohend, als sie auf mich zu kam und sich mit verschränkten Armen vor die Tür stellte.
"Sibel jetzt lass mich das doch mit ihr klären!" "Nein! Am Anfang dachte ich echt du würdest ihr gut tun. Sie war fröhlicher, aber jetzt hast du sie kaputt gemacht Till.", sagte sie mit zusammen gekniffenen Augen. Autsch. Das hatte gesessen. Damit bestätigte sie meine Selbstzweifel nur nochmal mehr. Ich würde Martha nie glücklich machen können. Dazu war ich gar nicht in der Lage. Sie hatte jemand besseren verdient. Jeder wäre besser als ich. Sie war eh zu gut für mich. Traurig senkte ich meinen Blick, drehte mich dann langsam um und ging in mein Zimmer. Ich zog mich um und ging laufen. Jedoch war  die Leichtigkeit von heute Morgen verflogen. Dieses Mal drohten mich die Schuldgefühle zu Boden zudrücken. Ich rannte und rannte. Aber mein Kopf gab einfach keine Ruhe. Ich war so wütend. Wütend auf Sibel, weil sie mich nicht zu Martha ließ. Wütend auf Viktor, weil er mir Mut gemacht hatte. Aber am meisten wütend war ich auf mich selbst. Wegen mir fühlte sie erst so. Wegen mir war sie in dieser Lage. Ich war an allem Schuld. Ich hatte mal wieder alles kaputt gemacht. Wie immer.

Mittlerweile war ich im Stadion angekommen und ließ mich erschöpft auf den Rasen fallen. Da erinnerte ich mich plötzlich an Marthas bescheuerte Aktion mit dem vorgetäuschten Kreislaufkollaps.
Sie hatte von Anfang an gekämpft und auch wenn ich sie immer wieder abgewiesen hatte, hatte sie nie aufgegeben. Und nur deswegen hatten wir danach eines der besten Gespräche überhaupt. Dieser Tag im Park war echt schön.
Toll und ich ließ mich ernsthaft von Sibel stoppen und gab direkt auf?! Was war ich nur für eine Lachnummer! Das war ja schon peinlich! Einfach nur lächerlich!
Nein! Diesmal würde ich nicht so leicht aufgeben. Ich würde weiter kämpfen! Denn sie war es wert.
Mit neuem Mut im Gepäck lief ich zurück zum Internat, ging erstmal duschen und fande mich dann kurze Zeit später erneut vor ihrer Zimmertür wieder.

Dann hob ich tatsächlich meine Hand, formte sie zu einer Faust und schon klopfte ich dreimal gegen das Holz. Ich lauschte, aber es kam kein Muks von der anderen Seite der Tür. Ich zögerte. Sollte ich einfach rein gehen oder doch auf eine Antwort warten. Ich entschied mich dann für die 1. Option.
Also drückte ich die Klinke runter und öffnete die Tür. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Doch als ich Martha dann da wie ein Häufchen Elend im Bett liegen sah, setzte es für einige Takte aus und direkt brach wieder die Welle an Schuldgefühlen über mich rein und drohte mich weg zuspülen.
"Martha?", fragte ich vorsichtig. Ihr Kopf schnellte in meine Richtung und sie starrte mich fassungslos an. So als hätte sie es jetzt erst bemerkt, dass jemand ins Zimmer hinein gekommen war. Sie sah wirklich nicht gut aus. Total blass, schwarze Schatten unter den Augen und ihre Augen selbst waren total aufgequollen. Wahrscheinlich vom ganzen Weinen.
"Können wir reden?", fragte ich dann weiter, als nichts von ihr kam. "Nein danke. Dein Schweigen heute Morgen war Antwort genug.", sagte sie bissig. Der Kampfhund war wieder zum Leben erweckt.
"Martha ich wollte dir antworten. Wirklich! Es ist nur..." Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Sibel kam reingestürmt. "Boar Till! Was willst du?! Lass sie in Ruhe." "Jetzt gebt mir doch wenigstens die Chance es zu erklären.", sagte ich verzweifelt. Sibel zog nur spöttisch eine Augenbraue hoch. "Martha können wir bitte irgendwo ungestört reden? Ich verspreche dir, ich erkläre dir alles und mache es wieder gut.", wendete ich mich jetzt direkt an Martha. Sibel lachte nur auf. "Wie willst du das denn wieder gutmachen?" Boar die Alte regte mich langsam echt auf. Das hier war ein Ding zwischen Martha und mir. Da hatte sie ja wohl gar nichts zu melden.
"Martha bitte.", flehte ich. Sie schaute unsicher zwischen Sibel und mir hin und her.
"OK.",gab sie dann schlicht als Antwort. "Anhören kann ich es mir ja.", sagte sie dann zu Sibel. Ich lächelte. 'Jetzt verkack es bloß nicht du hole Nuss.', ermahnte ich mich aber dann selbst in Gedanken.
Sibel schaute Martha nur verständnislos hinterher, als sie dann vor mir aus dem Zimmer ging. Ich konnte mir ein siegessicheres Grinsen in ihre Richtung nicht verkneifen. Dann folgte ich Martha.

What if?Where stories live. Discover now