Kapitel 45

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Marthas Sicht:

Ich wollte nichts mehr. Weder was essen noch was trinken. Ich wollte einfach nur hier liegen und sterben. Ich starrte schon seit Stunden einfach nur die Decke an und fühlte nichts. Nichts außer diesen innerlichen Schmerz, dieses Brennen, als stünde ich in Flammen, und es schien, als könne es niemand löschen. Nicht einmal die Tränen, die unaufhörlich über meine Wangen flossen und mein Kopfkissen durchnässten.
"Hey Martha du hast ja noch gar nichts von deinem Brötchen angerührt.", erklang Frau Schillers besorgte Stimme plötzlich im Zimmer. Ich schaute zur Tür und sah sie dann im Türrahmen stehen. "Keinen Hunger.", murmelte ich nur und dachte schon sie hätte mein Genuschel eh nicht gehört. "Vielleicht hilft es ja wenn du darüber redest. Dann wird dein Kopf und vielleicht auch dein Magen etwas leichter und es passt Essen hinein.", sagte sie und kam dann ans Bett und setzte sich gegenüber davon auf einen Stuhl. Ich setzte mich langsam auf und lehnte mich an die Wand und kuschelte mich wieder in meine Decke ein. Sie war das Einzige, was mir momentan ein bisschen Liebe schenkte. Ein bisschen Geborgenheit. Ein bisschen Sicherheit.
Okay und Tills Pullover den ich immer noch trug. Sein Duft war zu verführerisch, aber trug natürlich nicht dazu bei, dass ich darüber hinweg kommen würde. Aber das konnte und wollte ich so schnell auch nicht. Also klammerte ich mich an diese klitze kleine Erinnerung in Form eines Pullovers.
"Ich will nach Hause.", sagte ich leise. Und schon wieder wurde mein Tränenfluss stärker. Frau Schiller kam zu mir rüber und nahm mich in den Arm. Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und schon wieder wurde ich von tiefen Schluchzern erschüttert. Eigentlich war ich gar nicht der Typ der viel weinte, aber das hier war ein ganz anderes Level an Schmerzen. An Gefühlen. An Traurigkeit.

"Was ist denn los Martha? Du warst gestern Abend schon so komisch. Seit dem du mit Till im Waschraum eingesperrt warst. Martha jetzt mal ernsthaft hat Till dir was angetan? Ist da drinnen irgendwas passiert was nicht hätte passieren dürfen?" Ihre Stimme war nun schon fast panisch. Oh Gott nein! Till hatte mich bestimmt nicht angefasst oder sonst was mit mir gemacht. Zumindest nicht im Waschraum. Und emotionale Vergewaltigung zählte wohl nicht. Also schüttelte ich als Antwort einfach nur den Kopf. "Was ist es dann?", harkte sie weiter nach. "Liebe. Also ich. Er nicht.", gab ich dann knapp als Antwort und hoffte, dass es ihr reichen würde. Denn ich würde es jetzt nicht verkraften die ganze Geschichte von vorne zu erzählen und damit nochmal zu durchleben. "Du liebst Till?", klang sie überrascht. So als würden wir ihrer Meinung nach gar nicht zusammen passen. Wahrscheinlich hatte sie sogar recht damit. Bisher hatte er mir im Endeffekt immer nur wehgetan. Ich gab keine Antwort darauf. Ich wollte mich doch einfach nur wieder hinlegen und die Decke anstarren. Ich wollte nicht reden. Mit Niemandem. Nie wieder. Worte verletzten nur. Obwohl in Tills Fall hatte mich gerade sein Schweigen so sehr verletzt.

Nach paar Minuten ließ Frau Schiller mich dann in Ruhe und ich legte mich wieder hin und schaute wieder die Decke an. Dann schloss ich meine Augen und sah seine Augen vor mir. Diese strahlend blauen Augen. Würde ich sie je vergessen können? Wollte ich sie überhaupt vergessen? Naja ich musste, denn er wollte mich nicht.
Dieser Gedanke trieb mir erneut die Tränen in die Augen und schon fing alles wieder von vorne an.

"Meinst du wir sollten sie wecken? Sie hat doch bestimmt noch nichts gegessen." "Für sie ist es wohl das beste wenn sie erstmal schläft, dann muss sie nicht immer daran denken."
Mit wem sprach Sibel da? War das etwa Viktor? Man konnten die das nicht woanders machen?! Wieso vor meinem Bett?!
Genervt schlug ich meine Augen auf.
"Was wollt ihr?", fragte ich gereizt. Naja es sollte gereizt klingen, war aber eher ein monotones Nuscheln.
"Tut uns Leid Martha wir wollten dich nicht wecken.", kam es direkt von Sibel und sie setzte sich auf meine Bettkante und schaute mich schon wieder so mitleidig an.
"Hört das irgendwann auf?", fragte ich sie dann leise. Ich wollte diesen Schmerz nicht mehr fühlen. "Ja irgendwann wird es besser.", sagte sie und drückte mich an sich. "Martha möchtest du wirklich nicht darüber reden? Auch wenn es weh tut die Dinge nochmal laut auszusprechen, wird es dir helfen.", versuchte Sibel es nach einer Weile erneut, mich aus meinem Schweigen zuhüllen.


What if?Where stories live. Discover now