Kapitel 48

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Tills Sicht:

Als sie gehen wollte, musste ich was machen. Ich konnte sie doch nicht nochmal einfach so gehen lassen. Deswegen hielt ich sie am Handgelenk fest und drückte voller Verzweiflung meine Lippen auf ihre. Der Kuss war noch besser als der Letzte. Noch leidenschaftlicher aber gleichzeitig so gefühlvoll. Es war überwältigend. Als wir uns dann voneinander lösten, sah ich in ihre wunderschönen blauen Augen und verlor mich mal wieder komplett darin. Ich hatte es nicht verkackt. Dieses eine Mal nicht.
Immer wenn ich sie ansah, war meine Welt ein Stückchen besser. Dann war sie ein Stückchen weniger kaputt. Weniger verkorkst.

"Du bist echt so ein Idiot.", holte mich ihr Lachen wieder ins Hier und Jetzt. "Dieser ganze Scheiß hätte gar nicht sein müssen, hättest du einfach mal deinen Mund aufgemacht heute Morgen." "Ich weiß.", gab ich zerknirscht zu und sah beschämt zur Seite. Ich wusste zwar, dass sie es nicht als Vorwurf meinte, aber trotzdem fühlte ich mich immer noch schuldig. Immer noch schlecht. Nur wegen mir musste sie diese inneren Schmerzen aushalten. Und die waren viel schlimmer als äußere. Sie hinterließen viel tiefere Wunden. Das wusste ich selbst nur zu gut.
"Es tut mir echt Leid. Ich wollte dich mit meinem Verhalten nicht verletzen. Zumindest nicht mit Absicht. Es war halt diese pure Überforderung, diese Unsicherheit, die mich lahm gelegt hat.", erklärte ich mich nochmal. Irgendwie hatte ich das Gefühl ich müsse mich rechtfertigen.
"Du hast es mir ja erklärt und ich kann es nach dem Gespräch gestern auch vollkommen nachvollziehen. Ehrlich. Also bitte mach dir jetzt nicht so den Kopf darüber. Klar tat es weh und hat es mich auch sehr verletzt und mitgenommen, aber eigentlich hat es mir ja auch nur noch mehr gezeigt wie stark meine Gefühle für dich sind und auch schon lange waren. Ich habe mir nur selbst so lange was vorgemacht, weil ich nicht wahr haben wollte, dass du der Richtige sein solltest. Aber das bist du. Das warst du schon seit unserm ersten Kuss. Als du Pit und mir damals mit den Kartons geholfen hast, wusste ich, dass hinter der Fassade des Egotills noch jemand anderes schlummerte. Den es galt hervor zuholen. Und ich weiß auch nicht, aber irgendwie habe ich es mir als Aufgabe gemacht genau das zu schaffen. Aber da wusste ich noch nicht, dass ich mich später genau in diesen Menschen verlieben würde.
Ausgerechnet in Till den Turnbeutel. Der Sportfutzi. Es ist schon echt verrückt. Ich schätze wir sind der lebende Beweis dafür, dass aus Hass tatsächlich Liebe werden kann.", sagte sie verträumt. "Tja ich hätte auch niemals damit gerechnet, dass ich mal einen Kampfhund als Freundin haben würde.", sagte ich schulterzuckend. Direkt boxte sie mir als Antwort gegen meinen Oberarm. Und wir lachten beide. 'Freundin', das klang wirklich schräg. Ich glaube daran würde ich mich nie gewöhnen können.

"Hauser hat mich gefragt, ob ich nicht wieder zurück in die Staffel will.", erzählte ich Martha dann abends beim Essen. "Und was hast du ihm geantwortet?" "Dass ich darüber nachdenken muss. Aber ich soll ihm Morgen meine Entscheidung mitteilen." "Hast du dich denn schon entschieden?" Als Antwort schüttelte ich nur den Kopf. "Stell dein Ego beiseite und geh wieder zurück. Die Staffel wird dir gut tun.", sagte sie dann mit einem aufmunternden Lächeln. Naja das mit dem Ego beiseitestellen war nicht so leicht. Für mich zumindest nicht. Ich hasste es angekrochen zukommen. Das war nur was für Loser. Und ich war kein Loser. Nicht mehr.
"Ich überlegs mir noch.", sagte ich ausweichend. Dann aßen wir erstmal nur schweigend, aber es war nicht dieses angespannte, unangenehme Schweigen sondern einfach nur beruhigendes und angenehmes Schweigen.
Und schon wieder viel mir auf wie wohl ich mich in ihrer Nähe fühlte. Wie in einem Zuhause. Vielleicht würde sie ja mein neues Zuhause werden. Mein sicherer Hafen, in den ich immer einlaufen konnte, wenn ich mal wieder drohte in meinen Selbstzweifeln und Selbsthass zu ertrinken.

What if?Where stories live. Discover now