Kapitel 37

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Jetzt saßen wir hier schon seit Stunden. Na gut okay wahrscheinlich waren es nur ein paar Minuten, aber sie zogen sich in die Länge wie Kaugummi. Vor allem weil keiner von uns beiden etwas sagte. Man hörte nur ab und zu ein genervtes Ausatmen von Till oder das Knacken der Bank, wenn ich meine Sitzposition änderte. Sonst blieb es still. Muksmäuschen still. Diese Stille war so unangenehm und bedrückend. Mir wäre es sogar lieber er würde mich anschreien. Hauptsache er würde mit diesen hasserfüllten Blicken aufhören, die er mir immer wieder zu warf. Man ich konnte doch auch nichts dafür. Ich konnte doch nicht ahnen, dass Viktor so eine blöde Idee haben würde.
"Da hast du dir ja wieder einen super Plan ausgedacht.", kam es plötzlich von Till. Seine Stimme triefte nur so vor Abscheu mir gegenüber. "Es war nicht meine Idee. Wie oft soll ich es denn noch sagen?!", sagte ich wütend. "Aber du denkst ja eh was du willst. Egal was man dir sagt. Du drehst es dir immer so, dass immer die anderen als Schuldige da stehen.", sprudelt es aus mir raus. Die ganze angestaute Wut brauchte jetzt Luft. Sonst würde ich noch platzen. "Aber darauf, dass der lieber Herr Hainzinger mal einen Fehler begehen könnte, oder andere mit seinem sprunghaften Verhalten verletzten könnte, kommt er nicht. Er denkt nur an sich und seine Probleme." "Was weißt du schon von meinen Problemen?!", fuhr er mich an und seine Augen verengten sich zu gefährlich schmalen Schlitzen. "Du erzählst ja auch nichts darüber. Aber soll ich dir mal was sagen? Es hilft mit jemanden darüber zu reden. Es befreit. Und vielleicht trägst du dann auch nicht mehr so viel Wut in dir.", provozierte ich ihn. Er sah mich nur mit hochgezogener Augenbraue an. "Versuch es doch einfach. Du musst ja nicht mit mir reden, aber ich kann dir sagen, dass Viktor ein echt guter Zuhörer ist.", sagte ich dann sanfter.
"Ja klar.", lachte er wieder nur verächtlich. "Dann bleib doch weiter so verbittert und alleine.", sagte ich wieder sauer und wir lieferten uns ein Blickduell, bis er leicht mit dem Kopf schüttelte und seinen Blick dann senkte. Schon wieder seufzte er. "Okay du hast gewonnen.", sagte er. "Das ist kein Wettbewerb Till. Ich will dir wirklich nur helfen. Nicht alles im Leben ist ein Wettbewerb in dem es Gewinner oder Verlierer gibt." "Doch. Genau das ist es. Genau darum geht es. Entweder du stehst auf der Gewinnerseite und wirst von allen bejubelt und gefeiert oder du stehst auf der Loserseite. Im Abseits. Dort wo sich niemand um dich scherrt. Ich stehe auf der Loserseite. Ich bin ein Loser. Verstehst du?" "Du glaubst das wirklich." Es war keine Frage, eher eine Feststellung. Er glaubte tatsächlich er wäre ein Verlierer und hätte deswegen kein Glück verdient. Und deswegen verhielt er sich auch so. Er wollte sich und andere schützen. Sich vor noch mehr Niederlagen in Form von Enttäuschungen und andere vor sich selbst. Er wollte niemanden zu Last fallen. Ich schluckte schwer. Er tat mir so unendlich leid. Da musste einiges schief gelaufen sein bei ihm zu Hause, dass er sowas dachte und auch wirklich glaubte. Wortlos stand ich auf, lief zu ihm und umarmte ihn einfach. Erst stand er nur steif da, doch dann schien sich diese Blockade in ihn zu lösen und er entspannte sich. Zögerlich legte auch er seine Arme um mich und wir genossen diesen Moment einfach. Unbewusst sog ich seinen Duft ein und schon waren all die Dinge vergessen, die vorher zwischen uns passiert waren. Jetzt zählte nur dieser Augenblick.
"Danke", flüsterte er dann bevor wir uns wieder lösten. Und schon wieder schauten wir uns dabei intensiv in die Augen. Sein Blick war jetzt ganz weich und ich sah wieder meinen Till. Der Tillinator war verschwunden.
"Immer gerne.", sagte ich dann ebenfalls leise, da ich Angst hatte diese magische Stimmung würde andernfalls kaputt gehen.
Wie gern ich ihn jetzt küssen würde, aber ich traute mich nicht.
Dann brachte ich wieder etwas Abstand zwischen uns und diesmal setzten wir uns beide auf die Bank und wir fingen tatsächlich ein Gespräch an. So ein richtiges Gespräch.
"Ich habe dir ja erzählt, dass ich auch voller Probleme bin.", fing ich zögerlich an. Wenn ich mehr von ihm wissen wollte, dann musste ich ihm erstmal auch was von mir erzählen. Er nickte als Bestätigung, dass er sich erinnerte. Nervös fummelte ich an dem Pflaster, welches immer noch den Schnitt bedeckte herum. Okay es war doch schwerer als gedacht, jemanden sowas Privates anzuvertrauen. Aber da musste ich jetzt durch. Für ihn. Für mich. Für uns.

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