Kapitel 27 - Am Ufer des Lyn Sees

291 41 10
                                    

~Und ... du hast das früher öfter gemacht?~, fragte Alec nach einer Weile zögerlich. Mittlerweile saß er auf einem der gemütlichen Sessel im Salon mit Magnus auf dem Schoß, der abwesend mit seinen Haaren spielte.

Alec konnte trotz des ernsten Themas, das er anschnitt, das Lächeln nicht lassen, denn er freute sich, dass Magnus so kurz nach diesem dummen Streit wieder Körperkontakt zuließ. Es hatte ihn verletzt, als Magnus vor ihm zurückgewichen war und ihn als offensichtliche Gefahr angesehen hatte. Dabei könnte er ihm noch nicht einmal ein Haar krümmen.

Alec hatte die Worte, die da aus seinem Mund gekommen waren, sofort bereut.

Es war einfach in der Hitze des Moments geschehen und er war so wütend gewesen, aber vor allem auf Scott und nicht auf Magnus. Dieser war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte seine ganze Wut abbekommen.

Dabei wollte er ihn nie verletzen sondern ganz im Gegenteil. Er hatte sich doch schließlich vorgenommen, Magnus vor allem Bösen zu schützen, doch das war ihm nicht gelungen. Die Enttäuschung darüber saß noch immer tief, aber Magns hatte ihm verziehen und er war erleichtert darüber.

Besagter sah ihn an und knabberte unschlüssig auf seiner vollen Unterlippe herum. Anscheinend überlegte er, was und wie viel er sagen konnte, ohne dass Alec wieder so aus der Haut fuhr.

Alec ließ es sich erstmal nicht anmerken, aber innerlich brodelte er er nur so vor Wut, dieses Mal aber gegenüber sich selbst. Wäre er nicht so ausgerastet, würde Magnus jetzt nicht so konzentriert über seine Wortwahl nachdenken.

Er würde nicht darüber nachgrübeln, wie er ihn am wenigsten aufregte und nur das sagen, von dem er als sicher ausging.

Alec wollte aber genau das Gegenteil. Er wollte, dass Magnus er selbst war, damit er sein wahres Ich kennenlernen konnte. Er sollte sich nicht wegen ihm verstellen müssen, nur weil er Angst vor der möglichen Reaktion hatte.

Sanft umfasste er Magnus' Gesicht und zwang ihn so, ihn direkt anzusehen.
~Bitte hör auf damit.~
~Mit was?~, fragte Magnus gespielt ahnungslos.

~Hör auf darüber nachzudenken, was du sagen kannst, ohne dass ich mich aufrege.~
~Aber ich will nicht, dass du dich aufregst.~

~Und ich will nicht, dass du dich deshalb verstellst~, entgegnete er leise,~Bitte, Magnus, hab keine Angst zu sagen, was du denkst.~
~Habe ich nicht. Ich bin vorsichtig und möchet nur weitere Streits vermeiden. Ich weiß, dass ich keinen Alleingang hätte machen sollen, aber dein Aussetzer vorhin hat mich ... überrascht. Ich hätte einfach nie damit gerechnet, dass du mich anschreist und ich möchte keine Wiederholung davon. Ich hasse Konflikte.~

~Ich war nicht wütend auf dich ... also nicht nur. Ich war wütend auf Scott, aber das konnte ich ihm ja schlecht sagen. Ich wollte es nicht an dir auslassen und das tut mir leid.~
~Das weiß ich doch.~, beruhigte ihn Magnus und gab ihm einen Kuss.

Er sollte wahrscheinlich nur kurz sein, aber Alec hinderte ihn daran, sich frühzeitig zu lösen. Er versuchte all seine angestauten Gefühle in diesen Kuss zu legen, damit Magnus nicht nur hörte oder sah, wie sehr er das Geschehene bereute sondern es auch deutlich spürte.

Dieser Kuss unterschied sich erneut von all den anderen, denn anstatt ihn zu beflügeln oder in Brand zu stecken, war er ganz ruhig, friedlich und entspannt. Es fühlte sich einfach richtig an, wie nach Hause kommen.

Mit diesem Kuss fand Alec seinen Frieden, so wie er ihn sonst nur am Ufer des Lyn Sees fühlte, wenn dieser wie ein hellblauer Spiegel vor ihm lag und Nebel um ihn herumtanzte. Nur widerwillig gab er diesen Frieden auf, aber er wollte Magnus unbedingt ansehen und schauen, ob er diesen Frieden auch fühlte.

Ein Blick in seine faszinierenden Augen bestätigten seine Hoffnung, denn auch sie waren ganz ruhig und klar. Ehrlich und entspannt.

Seufzend lehnte Magnus die Stirn an seine und Alec hielt ihn ganz fest.
~Ich versuche es~, meinte er leise,~Und um auf deine Frage zurückzukommen, ja, habe ich. Oder zumindest habe ich es oft getan, während ich auf der Flucht war. Ich wusste schon damals, dass ich nicht gerade schlecht aussah und dazu noch eine gewisse ... Wirkung hatte. Sowohl auf Frauen als auch auf Männer. Ich habe gelernt, diese Wirkung als Waffe zu verwenden, um mir den ein oder anderen Vorteil zu verschaffen. Dabei habe ich nie ein Wort oder Blick ernst gemeint und zu Taten kam es kaum.~

~Du siehst mehr als gut aus~, bestätigte Alec nachdenklich,~Hast du diese Waffe auch an mir angewandt?~

~Ein wenig, aber ich war etwas zu abgelenkt von dir, um einen klaren Kopf zu bewahren. Ich habe es am Anfang versucht, da ich deine Blicke bemerkt habe, die sich nicht stark von Woolseys unterschieden, aber jetzt hat sich das verändert.
Du kennst, im Gegensatz zu allen anderen, nicht nur mein Äußeres sondern auch das, was dahinter steckt und es scheint dir zu gefallen. Und außerdem ist mir deine Meinung als einzige nicht egal. Ich will dir nichts vormachen, aber ich will dich auch nicht verjagen.~

Er sprach leise und bedächtig, aber vollkommend ehrlich. Er senkte den Blickkontakt nie, damit Alec auch wirklich sehen konnte, wie ernst es ihm war und dieser konnte nicht anders als gerührt zu lächeln.

Er hatte gewusst, dass er Magnus nicht egal war, aber diese Erkenntnis war noch nicht ganz bis zu seiner Seele durchgesickert. So war jede neue Bestätigung ein wahrer Segen, den Alec nicht mehr missen wollte.

~Es scheint mir nicht nur zu gefallen, sondern es tut es. Klar, anfangs war ich viel zu abgelenkt von deinem wunderschönen Äußeren, aber du gefällst mir genauso gut, wenn nicht sogar noch viel besser. Ich kann es wohl nicht oft genug sagen, aber du bist besonders für mich, Magnus, und das in vielerlei Hinsicht.~

Er malte sanfte Kreise auf Magnus' schlanken Rücken, um sich abzulenken und nicht rot zu werden. Er war noch nie gut mit Worten oder im Gefühleausdrücken gewesen und nun beides gleichzeitig zu machen, war für ihn auf vielerlei Arten schwieriges Neuland.

Er schämte sich nicht, so etwas vor Magnus zu sagen, denn schließlich stimmte es, aber wenn er sich selbst da so reden hörte? Oh Gott war er froh, dass niemand sonst das mitbekam!

Er wollte schließlich nicht, dass irgendeiner seiner Diener plötzlich auf die Idee kam, dass der Eiskönig ein Herz hatte und in seiner Freizeit ein wahrer Romantiker war. Das würde ihn nur unnötig blamieren.

Statt ihm wurde nun jedoch Magnus rot, aber anahnd des Glitzerns in seinen Augen stellte Alec erleichtert fest, dass ihm diese Art von Komplimenten nicht nur gefiel sondern auch etwas bedeutete. Vielleicht würde Alec sich für ihn in Zukunft öfter blamieren, wenn die Belohnung dafür dieses süß-schüchterne Lächeln war, das Magnus auf den Lippen trug.

Er antwortete nichts dazu sondern verwickelte Alec in einen weiteren Kuss, der jedoch mehr sagte als tausend Worte.

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now