Kapitel 1 - Luxus und Leben

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~Nein, bitte! Eure Hoheit! Ich flehe euch an! Bitte nicht!~, flehte der junge Mann zu seinen Füßen.
Alec, der König, schüttelte nur leicht den Kopf. Ihm fiel zwar der Name seines heutigen Kandidaten nicht mehr ein, aber das änderte nichts daran, dass er betteln erbärmlich fand.

Es war ein Zeichen der Schwäche und wenn es eine Sache gab, die er wirklich hasste, dann war es Schwäche. Ein Mann sollte Rückgrat haben und zu seinen Taten und Entscheidungen stehen. Er sollte nicht um sein Leben betteln, sondern entweder darum kämpfen oder es sein lassen.

Er selbst kämpfte jeden Tag und hatte deshalb keinerlei Verständnis oder gar Gnade für den jungen Mann übrig.

Er gab einer der Wachen, die den Totgeweihten festhielten, ein Zeichen, sodass dieser sein Schwert hob und in einer fließenden Bewegung den Kopf vom Rumpf trennte. Blut schoss hervor und Alec trat eilig einen Schritt zurück, damit seine Schuhe trocken blieben.

Schließlich wurde der Tote abtransportiert und er konnte den Platz verlassen und in den Palast zurückkehren.
Das ging schon lange so und mittlerweile hatte er aufgehört zu zählen, wie viele junge Männer bereits wegen ihm ein tragisches Ende gefunden hatten.

Aber sie waren doch selbst schuld, stand es ihnen doch frei, sich zu entscheiden. Es war ihre Schuld, wenn sie versuchen wollten, selbst König zu werden. Das redete er sich zumindest ein, damit sein schlechtes Gewissen nicht so groß war.

Man hätte ihn jetzt grausam nennen können und bestimmt hätten viele da zugestimmt, doch eigentlich war er doch nur gerecht. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, was mit denjenigen geschah, die auf ihrer hoffnungslosen Mission scheiterten.

Vielleicht war er aber auch nur zu abgestumpft, um irgendwie anders zu denken oder zu fühlen. Ihn interessierte es nicht mehr, ob man versuchte ihn zu erobern oder ob man ihn lieber mied.

Er kümmerte sich nicht um sich selbst und deshalb brauchte er auch keine Beziehung. Schon gar keine Ehe.

Das würde nur seinen Plänen im Weg stehen, das Königreich in eine glorreiche Zukunft zu führen, in der sie nicht fürchten mussten, jede Sekunde von einem ihrer Nachbarn überfallen zu werden.
Alec machte nur seinen Job und Liebe gehörte ganz sicher nicht dazu.

Er betrat sein prunkvolles Gemach und ließ sich von zwei Bediensteten in sein heutiges Gewand hüllen, während ein dritter das Bettlaken abzog. Bald schon würden alle Spuren der letzten Nacht verschwunden sein, sodass das Zimmer für eine neue Gesellschaft bereit wäre.

Aber vielleicht hatte Alec ja auch Glück und es kam niemand, der es nur auf den Titel und das Geld abgesehen hatte. Vielleicht konnte er endlich eine Nacht ruhig schlafen, ohne sich mit jemanden beschäftigen zu müssen.

Als er fertig angezogen war, verließ er das Gemach und sofort stand sein persönlicher Berater, Simon, vor ihm und ratterte die heutigen Termine herunter. Alec verdrehte darüber nur die Augen.

Das lag aber nicht an Simon selbst, sondern viel mehr an seiner eigenen Genervtheit. Er hätte sich nämlich am liebsten nocheinmal hingelegt und ein Nickerchen gemacht, statt sich seinen royalen Pflichten zu stellen. Aber das gehörte zu dem Leben, das er sich ausgesucht hatte, also sollte er sich nicht so anstellen.
Dennoch ...

~Simon?~, unterbrach er den Berater.
Besagter hielt sofort inne und sah ihn sowohl verwirrt als auch ängstlich an.

~Ja, Herr?~
~Könntest du mir die heutigen Termine vielleicht während des Frühstücks und nicht davor nennen? Ansonsten kann ich mich auf nichts konzentrieren.~
~Natürlich, Herr.~
Alec schenkte ihm ein kleines Lächeln. Gemeinsam gingen sie dann in einvernehmlichen Schweigen weiter.

Magnus' Sicht

~Wacht auf ihr kleinen Ratten! Zeit zum Aufstehen! Die Sonne scheint!~

Magnus grummelte genervt und drehte sich auf seiner engen Pritsche auf die andere Seite. Als der unbarmherzige Wächter mit seinem Schlagstock lautstark gegen die Gitterstäbe schlug, zuckte er zusammen.

Er hatte diesen hellen Klang noch nie gemocht. Es erinnerte ihn an schlimme Zeiten.

Dennoch sah er ein, dass seine Ruhe nun vorbei war und er sich erneut einem anstrengenden und nutzlosen Tag stellen musste. Widerwillig rollte er sich von seiner Pritsche runter und kam auf dem kalten Steinboden zum Stehen.

Durch das kleine, vergitterte Fenster fielen schon die ersten paar Sonnenstrahlen des Tages. Draußen war es bestimmt noch angenehm kühl, aber schon bald würde es drückend heiß werden.

Die Sonne würde auf seiner Haut brennen, der Schweis würde ihm über die Stirn laufen und seine Sicht erschweren. Dennoch würde es keine Pause geben, wenn er nicht gerade ohnmächtig wurde.

Er hoffte, dass das nicht passierte, denn die Methoden, mit denen die Wachen, die überall postiert waren, die Ohnmächtigen wieder aufweckten ... waren gelinde gesagt brutal.

Magnus ging zum Fenster und stellte sich auf die Zehenspitzen, um hinaussehen zu können. Tatsächlich war die Sonne gerade erst am Aufgehen und ließ den Palast in weiter Ferne in einem hellen Kupfer leuchten.

Aus der Stadt konnte man bereits das Treiben der Menschen hören und auch hier im Gefängnis wurde es mit jedem Herzschlag lauter. Ja, langsam wachte jeder auf und versuchte die Stunden bis zum Mittag zu nutzen.

Magnus würde das nicht können, denn er lebte ein Leben, das man noch nicht einmal als solches bezeichnen konnte. Er überlebte die Tage nur, lebte sie aber nicht. Er genoss sie nicht.

Er mochte die Nächte, in denen er allein war und träumen konnte, viel lieber. Dort war er frei und konnte sich einreden, dass all die ermüdenden Tage nur böse Träume waren, die versuchten ihn zu erdrücken und ihm die Kraft zu nehmen.
Er kämpfte dagegen an, aber er wünschte sich nichts lieber als alle dem entkommen zu können.

~Bist du festgewachsen oder was!? Beweg deinen süßen Arsch hierher!~, kam es vom Eingang der Zelle.
Magnus verdrehte nur die Augen, während sich seine Nackenhärchen aufstellten.

Dennoch drehte er sich zu dem Wächter um und setzte eine stoische Miene auf. Dann schritt er an der Wache vorbei und schloss sich den anderen Gefangenen an, die sich ihren Weg zielsicher nach draußen bahnten -wie jeden Tag.

Die eindeutigen Blicke des Wächters oder manchen seiner Mitgefangenen ignorierte er dabei gekonnt. Er mischte sich nicht in ihre Fantasien ein und außerdem hatte er sich mittlerweile daran gewöhnt.

Es stach zwischen den ganzen Straftätern mit ihren Bärten und den oft eher klotzmäßigen Aussehen -breite Schultern, breite Statur, ledrig-braune Haut- hervor mit seiner schlanken Figur und der natürlichen Eleganz.

Man sollte ihn jedoch nicht unterschätzen. Das hatte er vielen sehr aufdringlichen Mitinsassen bereits mehr als deutlich gezeigt.

Es würde heute wohl wieder ein anstrengender, aber normaler Tag werden, dachte er jedenfalls.

Zehn und eine NachtOnde histórias criam vida. Descubra agora