Kapitel 2 - Auf der Baustelle

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Magnus' Sicht

~Ich schwöre, wenn ich noch einen Stein anheben muss, breche ich zusammen!~
~Jetzt stell dich nicht so an. Das ist doch leicht.~
~Vielleicht für so einen jungen Hüpfer wie dich.~, grummelte Ragnor, während er seinen Rücken durchstreckte.

Sie waren, wie jeden Tag, auf der Baustelle, um dort Stück für Stück einen Sommerpalast für den König zu errichten. Die beiden bisherigen reichten schließlich nicht aus.

Doch obwohl es anstrengend war, war Magnus froh, hier zu sein, denn wenn er den ganzen Tag in dieser stickigen Zelle verbracht hätte, hätte er wohl schon längst den Verstand verloren. Er brauchte seinen Freiraum und mochte es, draußen zu sein, statt drinnen zu vergammeln.

Er genoss den Geruch von Staub und einem Hauch von Salbei und die laue Brise küsste seine schweisfeuchte Stirn in einer mehr als angenehmen Art und Weise.

Nach einem bescheidenem Frühstück hatte man sie auf die Baustelle geführt und dann in kleine Gruppen aufgeteilt. Magnus hatte Glück gehabt, denn ausnahmsweise musste er mal mit niemanden zusammenarbeiten, der ihn herumschubste oder betatschte.

Er war mit einem gleichaltrigen Kerl namens Raphael unterwegs, der jemanden zusammengeschlagen hatte, weil er dessen kleine Schwester belästigt hatte, und Ragnor, der wegen Hehlerei im Gefängnis saß. Beide waren auf ihre griesgrämige Art nett und er hatte sie gern, auch wenn er das niemals freiwillig zugeben würde.

Beide akzeptierten, dass er Geheimnisse vor ihnen hatte. Dass er ihnen nichts von seiner Familie erzählte oder dem Grund, wieso er hier war.

Darüber war er erleichtert, denn er wollte niemandem Informationen über sich geben, der sie irgendwie gegen ihn verwenden und ihn damit verletzen könnte. Er war in seinem bisherigen Leben schon genug verletzt und betrogen worden.

Wahrscheinlich hatten sie genauso Geheimnisse, die sie mit niemandem teilten, denn Vertrauen war ein teures Gut, das sich hier niemand leisten konnte.

Gerade waren sie dabei, Steine, die man für die Fassade des Palastes brauchen würde, von einem Karren zu heben und auf einen Haufen zu legen, damit weitere Gruppen sie einbauen konnten.

~Raphael hat recht. Anstatt sich nämlich die ganze Zeit zu beschweren, könntest du uns auch helfen. Dann geht es schneller und einfacher.~, schlug er vor.
~Ich erleichtere dir Schönling doch nicht die Arbeit. Wie lautet dieses Sprichwort nochmal: Wer schön sein will, muss leiden.~

Magnus verdrehte darüber nur die Augen.
~Ich glaube nicht, dass dieses Sprichwort für diesen Zweck erfunden wurde. Aber danke für das Kompliment. Ich wünschte, ich könnte es zurückgeben, aber ... Lügen ist eine Sünde, die ich nicht begehen werde.~

Raphael grinste ein gefährliches Grinsen, während er einen weiteren Stein anhob. Magnus tat es ihm gleich und ignorierte dabei sowohl den ziehenden Schmerz in seinen Schutlern als auch seine aufgeschürften Hände.

Seine Fingerknöchel, die vom letzten Abend noch immer rosig schimmerten, ließ er auch außen vor, denn wenn er sich an den Grund erinnerte, wieso sie so aussahen, wurde ihm trotz der stechenden Hitze eiskalt.

~Lieber klug und hässlich als schön und strohdumm.~, grummelte der ältere missmutig.
~Ach Ragnor. Wärst du nur halb so klug wie ich hübsch bin, wärst du nicht hier, sondern auf einer netten Insel umgeben von Bergen von Geld und der ein oder anderen netten Frau ... oder Mann~, entgegnete er seufzend,~Und jetzt helf uns endlich, du alter Griesgram.~

Alexanders Sicht

Baustellenbesuche.
Alec hasste Baustellenbesuche. Es war ihm viel zu staubig, chaotisch und überfüllt.

Natürlich musste er sich als König mit großen Menschenmassen herumschlagen, aber das waren meist alles gehobene Bürger in bunter Kleidung und existenten Manieren und nicht hunderte von schmutzigen, schweisgebadeten Männern, die seinen neuen Sommerpalast aus dem Boden hochzogen.

Aber das war nunmal auch Teil seiner royalen Pflichten. Sich dem einfachen Volk zeigen und so.

Wenigstens wurde ihm von einem Diener, der einen dunklen Samtschirm hielt, Schatten gespendet, sodass er nicht allzu sehr schwitzte. Sein Weg führte ihn zum Baumeister Sebastian Verlac, der alles von seinem Zelt aus dirigierte.

Trotz der ständigen Hitze, war er sehr bleich und er schien ständig irgendwie schlecht gelaunt zu sein -außer natürlich er sprach mit dem König. Er war ein ehlender Heuchler, allerdings hatte er ihn bisher noch nie enttäuscht, weshalb er ihm auch dieses Projekt mit guten Gewissen anvertraut hatte.

Die Arbeiter waren entweder gefangene Straftäter, die hier ihre Strafe absaßen, oder die, die noch auf ihr Urteil warteten.

Die leichte Verschärfung der Gesetzte im Königreich hatte nämlich zu einer Überzahl an Straftätern geführt. Jedem einzelnen die Strafe zu geben, die er verdiente, dauerte seine Zeit, sodass sich einiges angestaut hatte, weshalb man sie ersteinmal ins Gefängnis steckte, bis man sie schließlich endgültig verurteilte.

Bei ihrem Urteil hatten sie zwar die Chance freizukommen, aber viel wahrscheinlicher war, dass sie schlichtweg im Gefängnis blieben oder getötet wurden -wenn ihre Vergehen zu schwerwiegend waren.

Alec hatte all die laschen Regeln seiner Eltern verbessert, auch wenn es so zu mehr Blut kam, das an seinen Händen klebte. Er bereute es trotzdem nicht. Es war doch nur richtig, diejenigen zu bestrafen, die etwas verbrochen hatten.

Gnade war nur ein Zeichen des Mitleids und daher unangebracht. Dass er mit dieser Meinung ziemlich alleine dastand, interessierte ihn in diesem Augenblick kaum.

~Eure Hoheit! Wie schön Euch zu sehen!~, begrüßte ihn Sebastian eifrig und verbeugte sich sofort tief,~Was verschafft mir die Ehre?~

~Ich wollte nur sehen, wie du hier vorankommst. Verläuft alles planmäßig?~
~Selbtsverständlich, mein Herr. In drei Monaten strahlt Euer neuer Palast so schön, dass es die Herrscher der Nachbarkönigreiche vor Neid schier erblassen lässt!~

Alec nickte, während er die Pläne betrachtete, die auf dem Holztisch in der Mitte ausgebreitet waren.
~Noch drei Monate? Geht das nicht schneller?~

Sebastian biss sich kaum merklich auf die Unterlippe, bevor er wieder ein Lächeln aufsetzte, das nicht falscher hätte sein können.
~Wenn wir die Arbeitszeiten etwas verlängern, könnte der Palast sogar schon in zweieinhalb Monaten so weit sein.~

~Und ... hast du jemand Neues?~, fragte er so beiläufig, aber auch so interessiert wie möglich.

Sebastian hatte schon öfters mal einen der Straftäter an ihn ... vermittelt, denn nur weil Alec nicht nach der großen Liebe suchte, hieß das nicht, dass er sich nicht irgendwie vergnügte. Er war auch nur ein Mann.
Außerdem war sein schlechtes Gewissen bei diesen Männern ganz leise, denn immerhin hatten sie als erstes etwas verbrochen.

Sebastian, der dieselben Neigungen teilte wie er, sich aber nicht für den Thron interessierte, war ihm da oft eine Hilfe, denn natürlich stand er lieber in der Gunst des Königs als auf dessen roter Liste.

Kurz schien er zu überlegen, bevor sich sein Gesicht aufhellte.
~Da gibt es tatsächlich jemanden, der Eurem Geschmack entsprechen könnte. Ich zeige ihn Euch mal.~

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now