Kapitel 36 - Die goldenen Tore schließen sich

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Es war pure Magie. Anders konnte Alec es sich nicht erklären, dabei war er alles andere als der spirituelle Typ oder so. Er verließ sich stets auf Fakten und handelte auch danach.

Doch hier saß er nun und konnte nur an Magie glauben, denn die Art wie sich Magnus bewegte, war genau das ... magisch.

Er schien nichts mehr um sich herum wahrzunehmen, als er zu der leisen Musik tanzte, die von ein paar Musikern stammte, die sich irgendwann unbemerkt hineingeschlichen hatten. Er war vollkommen in seinem Element, als schien er nie etwas anderes getan zu haben, und er sah so unglaublich schön dabei aus.

Dabei bezog Alec sich nicht nur auf seinen Körper, der sich eingehült in tiefroter, durscheinender Seide, anmutig  vor ihm bewegte -was zugegebenermaßen ziemlich heiß aussah- sondern auch auf sein Inneres, das so unbeschwert schien. Natürlich war er auch zuvor glücklich gewesen, denn das Funkeln in seinen Augen hatte nie lügen können, so gut das sein hübscher Mund auch beherrschen mochte.

Aber noch nie hatte er so ... frei bei irgendetwas gewirkt. Magnus ging voll in diesen Bewegungen auf, als würde er seine Seele entfalten und seine Freude mit anderen teilen. Als würde nichts Böses existieren.

Es war so, als hätte er diese geheime Paradiesblase, in die er Alec normalerweise nur während des Küssens entführte, hierher in sein Schlafzimmer gebracht und zur vollen Blüte heranwachsen lassen.

Erst jetzt begann Alec zu verstehen wie wichtig Magnus eigentlich seine Freiheit war. Die Freiheit, das zu tun, was er für richtig hielt und was ihm Spaß machte.

Nur im Gegensatz zu vielen anderen würde er diese Freiheit nicht missbrauchen oder sie gar auf Kosten anderer erreichen. Er wollte einfach nur unabhängig sein und Alec verstand das.

Deshalb nahm er sich gedanklich vor, Magnus zwar vor allem zu schützen, ihn aber nie einzuengen. Er brauchte seinen Freiraum und wenn er dann so glücklich aussah, .... dann wäre Alec sogar bereit, ihm alles zu geben, was er wollte.

Sein Herz schlug unglaublich schnell und der kurze Gedanke des Verliebtseins wandelte sich zu einer Tatsache. Er war verliebt, bis über beide Ohren in diesen perfekten Mann und er war glücklich darüber.

Er hatte keine Ahnung, wo das hinführte oder was die Konsequenzen waren, aber darüber wollte er auch nicht nachdenken. Noch nicht. Er wollte im Hier und Jetzt leben, mit Magnus und jeden Augenblick, sei er auch noch so klein, genießen.

Und er würde das ganz sicher nicht aus der Ferne tun. Also stand er auf und ging zu Magnus, der noch immer tief in seiner Welt versunken war.

Kurz dachte er an die Geschichte des nun halbwüchsigen Hexenmeisters und dessen Talent fürs Tanzen. Alec bezweifelte stark, dass er je besser sein könnte als Magnus. Niemand war besser als er, dem war er sich sicher.

Besitzergreifend packte er Magnus' Hüften, an der viele hauchdünne Metallplätchen angebracht waren, die verheißungsvoll klimperten, wenn er sich bewegte, und zog ihn an sich.

Magnus sah ihn überrascht und auch etwas verwirrt an. Er schien noch immer nicht ganz da zu sein, denn der Blick seiner Augen war verschleiert, als wäre er eigentlich noch in dieser anderen Welt.

Alec hatte ihn ja ursprünglich auch nicht in seinem Tanz unterbrechen wollen, der durchaus ziemlich sexy war, aber er hatte nicht anders gekonnt. Er konnte, wollte sich nicht von ihm fernhalten -auch wenn er sich diese Sisiphosaufgabe schon bald selbst auferlegen würde.

Jetzt jedoch senkte er seinen Kopf und verwicktelte Magnus in einen Kuss, der ihn alles andere vergessen ließ.
Alec versuchte all seine Gefühle in diesen Kuss zu stecken, denn er bezweifelte, dass er sie in naher Zukunft aussprechen könnte. Dazu war er noch nicht bereit.

Deshalb wollte er Magnus viel lieber zeigen, was er fühlte. Ob er erfolgreich war, wusster er nicht genau, aber irgendwann seufzte Magnus leise auf und vergrub die Hände in seinen Haaren, um irgendeine Form von Halt zu finden.

Alec liebte es, wenn er das machte oder mit seinen Haaren spielte. Er mochte es, wenn Magnus ihm so nahe war, dass er seine Körperwärme spürte und die Tatsache, dass er oberkörperfrei war,  war noch viel besser.

Er liebte es, wenn Magnus diese Nähe zuließ und ihm vertraute. Alec vertraute ihm auch, obwohl es ihm noch immer schwer fiel, denn er vertraute nicht vielen Menschen.

Er war immer ein verschlossener Kerl gewesen, weshalb ihn viele gleich als hart und gefühlskalt abstempelten, doch das war er eigentlich überhaupt nicht. Allerdings musste er es sein, wenn er das Königreich erfolgreich auf Vordermann bringen wollte. Eine schwache Hand könnte Idris nicht gebrauchen.

Nur in Gegenwart seiner Herzensmenschen ließ er diese Schwäche zu, die mit der Wärme Hand in Hand ging. Magnus war nun ebenfalls ein beinahe fester Teil davon und er würde ihn nicht so einfach loslassen -oder so glaubte er zumindest bislang.

Langsam fuhren seine Hände über Magnus' Rücken und er nahm sich Zeit, die glatte und weiche Haut dort zu erkunden. Sie fühlte sich geschmeidig an und Alecs Gedanken gerieten in eine andere Richtung ...

Schnell zog er sich wieder von dort zurück, denn jetzt war es eindeutig noch zu früh dafür, auch wenn die Küsse schon lange nicht mehr unschuldig waren und jeglichen Einsatz an Zunge und Zähnen besaßen.

Er würde alles in Magnus' Tempo angehen, mit ihm gemeinsam. Er würde es perfekt machen. Und bis dahin würde er jeden einzelnen Kuss genießen.

Das hielt ihn aber nicht davon ab, leise zu stöhnen, als Magnus leicht an seinen Haaren zog und dabei auf seine Unterlippe biss. Seine eine Hand fuhr wieder herunter und spielte leicht mit den Metallplättchen, während die andere unvermittelt hochrutschte und etwas Weiches an seinem Hals ertastete.

Ein dichtes Halstuch.

Beinahe grausam wurde Alec aus dem heißen Paradies gezerrt, bevor er dessen goldenen Tore förmlich für immer zufallen sah. Das lag aber nicht an Magnus, sondern viel eher an ihm selbst.

Dieses Halstuch war nur da, weil er sein persönliches Versprechen gebrochen und eben nicht für Magnus da gewesen war. Dass er eigentlich kaum etwas dafür konnte, tat hier nichts zur Sache und spielte keine Rolle. Alec machte sich dennoch dafür verantwortlich.

Wie hatte er das nur vergessen können? Wie hatte er nur das federleichte Gefühl in seinem Bauch und die Wärme in seiner Brust genießen können, wenn er doch gewissermaßen Schuld war, dass Magnus nicht sprach? Wie konnte er ... glücklich sein?

Ruckartig löste er sich von Magnus und hielt seine Augen geschlossen, denn er musste diese quälenden Gedanken wegstoßen oder zumindest zurückdrängen. Magnus sollte sich keine Sorgen machen, immerhin konnte er nun wirklich nichts für den Vorfall oder Alecs Unfähigkeit.

Also wollte er ihn auch nicht weiter damit belasten. Nein, Alec würde das für sich behalten und alleine damit klarkommen müssen -wie immer.

Eine warme Hand an seiner Wange ließ ihn die Augen öffnen und in Magnus' versinken. Sein Blick war immernoch leicht vernebelt und seine Lippen geschwollen vor Küssen, aber er war noch immer oder wieder besorgt und verwirrt.

Die Fragen standen deutlich in seinen Augen und Alec beschloss, diese zu ignorieren.

~Alles in Ordnung. Es ist nur ...~
Es klopfte an der Tür. Dieses Mal verschwendete Alec keine Zeit oder schickte die Wachen fort, um noch länger bei Magnus sein zu können.

~Du musst gehen. Wir sehen uns nächsten Abend. Ich habe heute viele Termine.~
Mit diesen Worten und einem flüchtigen Kuss schickte er Magnus weg, bevor er sich aufs Bett fallen ließ.

Wie sollte er nur je wieder glücklich werden mit diesen Schuldgefühlen?

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now