Kapitel 56 - Das Ende naht

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Alec wusste nicht recht, was er nun sagen oder denken sollte, denn er war sprachlos. Das passierte nur selten, denn normalerweise ließ er nichts nah genug an sich heran, als dass es ihn wirklich berühren und beeinflussen könnte.

Bei der Geschichte des Hexenmeisters war es anders, denn sie interessierte ihn. Er hatte den kleinen Kerl lieben gelernt und jetzt sollte es zu Ende sein? Das war nicht nur schade sondern auch verwirrend, denn das Ende hörte sich nie wirklich wie ein ... Ende, ein Abschluss an.

Weder ritt er glücklich in den Sonnenuntergang hinein noch war er gestorben. Nein, er saß im Gefängnis und hatte irgendwelche Probleme mit dem Schicksal. Das war doch kein Ende!

Aber vielleicht wollte er auch bloß nicht, dass es vorbei war, denn wer hörte schon gerne mit etwas auf, das er liebte? Wer ging diesen kleinen, aber durchaus bedeutenden Herzschmerz ein, wenn er ihn genauso einfach vermeiden konnte? Wahrscheinlich niemand.

Auf der Suche nach Antworten deren Fragen er sich selbst nicht so ganz sicher war, sah er zu Magnus, der ihn ruhig betrachtete. Hätte er nicht geatmet, hätte man beinahe denken können, er wäre eine Statue, denn sonst bewegte er sich keinen Milimeter.

Er wirkte nicht direkt sorglos, aber angespannt war er auch nicht. Viel eher hatte sich eine ruhige Entschlossenheit über seine Glieder gelegt, die dafür sorgte, dass er ... gelassen aussah. Wieder konnte Alec nicht herausfinden, was wirklich in ihm vorging und das nervte ihn genauso wie es ihn verletzte.

Er hatte tatsächlich Magnus' Vertrauen verloren und war wie ein Fremder für ihn geworden. Das war allein Alecs Schuld, denn er bezweifelte, dass das passiert wäre, wäre er gleich vollkommend ehrlich zu ihm gewesen.

Vielleicht wären seine Schuldgefühle gar nicht so mächtig geworden, wenn er mit Magnus darüber gesprochen hätte, dass ihn der Vorfall auch belastet hatte. Dass es für ihn schier unerträglich gewesen war zu wissen, dass es beinahe hätte vorbei sein können. Dass er Magnus beinahe verloren hätte, wie er einst Jace verloren hatte.

Vielleicht hätte sich dann auch die Angst schwächen lassen können, die er nach diesen Schuldgefühlen bekommen hatte und die ihn schlussendlich dazu bewegt hatte, Abstand zu nehmen. Vielleicht hätte er all das verhindern können, wenn er nicht so stolz gewesen wäre.

Doch er hatte es nunmal nicht verhindern können und so musste er das jetzt ausbaden. Ihn zu ignorieren war schließlich Magnus' gutes Recht.

~Ist das etwa das Ende?~, fragte er, um der peinlichen Stille zu entgehen, die sich gerade aufbaute. Er wollte irgendwie mit Magnus im Gespräch bleiben, damit er sich zumindest noch einbilden konnte, dass nicht alles so schlecht zwischen ihnen war wie es leider war.

Er war erstaunt, wie gut ihm diese Illusion gelang. Doch er glaubte auch, dass es etwas ganz Menschliches war sich das vorzustellen, was man wollte, da man sich nicht mit der Realität befassen wollte. Lieber lebte man in einer sorglosen Fantasiewelt als in einer oftmals dunklen Wirklichkeit, die einen wie Treibsand in die Tiefe zerrte. Wem konnte man es verübeln?

Das Rascheln von Pergament erregte seine Aufmerksamkeit und überrascht bemerkte er, dass sich Magnus während seines Gedankengangs wohl erhoben hatte, um etwas zu holen. Nun setzte er sich wieder im Schneidersitz ihm gegenüber und reichte ihn Alec.

Er nahm den Pergamentbogen zögerlich an und erkannte, dass es sich um den Text handelte, auf dem ein Teil der Geschichte des halbwüchsigen Hexenmeisters stand, der es liebte zu tanzen.

Augenblicklich flogen seine Gedanken zu dieser Nacht zurück, in der er erst von Magnus' Tanz und dann von seinen Lippen verzaubert worden war. Bevor alles schief ging.
Auf der Rückseite war auch etwas geschrieben worden. Magnus' Antwort:

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now