Kapitel 58 - Entschuldigungen

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Am frühen Mittag fand Alec sich vor Magnus' Zimmer wieder. Er war furchtbar nervös und bezweifelte noch immer, dass das eine gute Idee war, aber er müsste es sowieso tun. Warum also nicht jetzt?

Mit einem tiefen Atemzug betrat er den Raum und rang dann unschlüssig die Hände. Er hatte das nicht durchgeplant und war maßlos überfordert, auch wenn ihm das wohl die wenigsten ansehen könnten. Das war auch gut so, denn schließlich hatte er noch einen Ruf zu wahren.

Jetzt jedoch wollte er versuchen über seinen Schatten zu springen und sich nochmals -und hoffentlich wirkungsvoller- bei Magnus zu entschuldigen.

Er musste das einfach tun und das nicht nur, weil es sich trotz aller Widerstände gut anfühlte.
Sondern vor allem weil er ihm das schudlig war und da er den ersten Versuch gnadenlos niedergeschmettert hatte, musste Alec es nochmal wagen.

Allerdings hatte er Angst wieder abgewiesen zu werden. Die Hoffnung, die er beim ersten Mal gehabt hatte, war verpufft und ließ ihn unsicherer denn je zurück.

Aber er war ja nicht nur ein Feigling sondern auch sehr stur. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er das in den meisten Fällen auch durch und so würde er das auch mit der Entschuldigung handhaben.

Das Gästezimmer sah noch immer genauso aus wie bei seinen letzten Besuchen, mit Ausnahme des Betts, das leer war. Also komplett leer, denn weder Decke noch Kissen lagen darauf. Stadessen war beides auf dem Boden, genau wie Magnus, der sich auf den Teppich vor dem Bett zusammengerollt hatte und ihm den Rücken zukehrte.

Schuld brach wie eine große Welle über ihn herein und gleichzeitig rügte er sich selbst für seinen Egoismus und seine Blindheit. Er hätte so verständnisvoll sein sollen, Magnus nach dem Vorfall ein anderes Zimmer zu geben, denn dieses hier musste voller schlimmer Erinnerungen sein.

Wieso hatte er nicht daran gedacht, dass es für ihn vielleicht unerträglich war noch immer hier zu sein, wenn er dem Tod beinahe ins Auge gesehen hatte? Natürlich hatte Magnus nichts von einem möglichen Unwohlsein gesagt, aber das war ja verständlich, wenn Alec sich so distanziert verhielt.

Er hätte einfach daran denken müssen statt sich in dem Gedanken zu verrennen, dass Abstand das beste war -manchmal war seine Sturheit auch ein Nachteil.

Alec machte sich Vorwürfe und wollte sich gerade vornehmen, das ändern zu lassen, als ihm einfiel, dass er das gar nicht mehr musste. Es würde Magnus' letzter Tag hier sein, egal wie er sich entschied. Es war also sinnlos, ihn jetzt noch in ein neues Zimmer zu verfrachten, auch wenn das sein schlechtes Gewissen wohl beruhigt hätte. 

Allerdings war er ja nicht hier, um in seinen Selbstvorwürfen zu versinken sondern hatte eine Mission. Nur beinhaltete diese Mission, dass er Worte verwendete, die er sich nicht zurechtgelegt hatte und von denen er obendrein keine Ahnung hatte. Sein Verstand war ratlos und das war nie ein gutes Zeichen.

Nervös fuhr er sich durch die Haare, als er beschloss zu versuchen einfach sein Herz sprechen zu lassen. Das konnte doch nicht so schwer sein, oder?
Und wie es das war.

~Magnus, ich ... Es tut mir leid, dass ich so ein Idiot war! Ich hätte mit dir reden sollen, anstatt dich wortlos wegzudrücken. Es ist einfach nur, dieser ... Vorfall mit Andrew ...
Du bist nicht der einzige, den das belastet hat. Gott, du hättest tot sein können, wenn ich auch nir ein paar Sekunden später gekommen wäre! Ich hätte mir das nie verzeihen können.
Es war einfach nur so schmerzhaft und ernüchternd, dass ich dich kaum retten konnte, denn es hat mich an ... Jace erinnert. Allerdings wollte ich dich damit nicht belasten, immerhin war ich nicht direkt involviert und du hattest bestimmt schon genug, mit dem du klarkommen
musstest.
Dennoch habe ich mich schuldig gefühlt, jedes Mal wenn du mir nah warst. Ich habe mir eingeredet, dass ich diese Schuld begleichen, dich schützen müsste, also habe ich Abstand genommen. Ich war überzeugt das Richtige zu tun, obwohl es sich unendlich falsch angefühlt hat.
Dabei hatte ich einfach nur Angst! Angst, mich fallen zu lassen, wie du es so mutig getan hast. Das ist dir gegenüber unfair, i-ich weiß, nur ... Ich war so voller Zweifel.
Was wenn ich etwas falsch mache und dich dadurch verliere? Wenn wir nicht für die erhoffte Ewigkeit bestimmt sind? Wenn ich dich verletzte oder dir wegen mir wehgetan wird? Wenn ... du mich verletzt?  Ich habe mir geschworen, niemanden so nah an mich heranzulassen, aber dann kamst du.
Du hast meine Mauern eingerissen, als sei es nichts und auf den letzten Metern hat mich die Angst einfach übermannt. Aber ich hätte dir nie, nie etwas angetan, das muss du mir glauben! Ich weiß, dass das nichts wieder gut macht, aber ... Bitte versuch zumindest, mich zu verstehen. Ich wollte dir nie wehtun, aber das habe ich und dafür hasse ich mich. Ich ... Ich hoffe einfach nur, dass du mir irgendwann vielleicht ... verzeihen kannst, Magnus.~

Er schnappte nach Luft, denn sein Hals fühlte sich plötzlich so eng an. Als würde nicht genug Luft hineinströmen können und auch brannten seine Augen ein wenig.

Er hatte es tatsächlich getan. Er hatte Magnus sein Herz ausgeschüttet und war ehrlicher gewesen als in all den letzten Tagen zusammen. Er hatte alles gesagt, was er hätte sagen können und nun lag es an Magnus, ob er ihm nun glaubte oder nicht.

Alec hoffte es jedoch so sehr, dass er beinahe etwas Angst bekam. Hoffnung war etwas trügerisches. Manchmal hatte Hoffnung die Macht, einen selbst in den schwächsten Momenten Kraft zum Weiterkämpfen zu geben, aber genauso gut konnte sie einem den Boden unter den Füßen wegreißen.

Eigentlich hatte er sich längst von so etwas wie Hoffnung losgelöst, aber, wie vieles, hatte sich das seid Magnus geändert.

Dieser reagierte nicht, was Alec einen Stich versetzte. Er hatte nicht erwartet, dass alles sofort vergeben und vergessen war, aber er hatte zumindest auf eine Reaktion, ein zur-Kenntnis-nehmen seiner Worte gehofft. Dass er ihn stadessen eiskalt ignorierte, tat weh.

Plötzlich machte sich eine Vermutung in seinem Kopf breit und langsam ging er vorwärts bis er direkt neben Magnus stand. Alec beugte sich leicht nach vorne und dann sah er es.

Magnus schlief.

Das hieß, dass er überhaupt gar nichts von seiner Entschuldigung mitbekommen hatte. Dass sie völlig umsonst war. Es fühlte sich an wie ein Tritt in die Magengrube und getroffen wich Alec einige Schritte zurück.

Er hatte sich umsonst aus seiner Komfortzone gewagt und diese Erkenntis ernüchterte ihn. Er müsste es nochmal tun, wenn Magnus wach war und er bezweifelte, dass es leichter werden würde.

Eher im Gegenteil, denn bei jedem Versuch schienen sich mehr Zweifel einzumischen. Er durfte sich davon nicht beeinflussen lassen, aber das war leichter gesagt als getan.

Mit hängenden Schulern verließ er das Zimmer und bemerkte dabei nicht, wie eine einzelne Träne aus Magnus' geschlossenen Augenlidern entkam.

Zehn und eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt