Kapitel 3 - Das Meisterwerk eines Künstlers

349 43 58
                                    

In einem gemächlichen Tempo schritten Alec und Sebastian über die Baustelle und an vielen der Arbeiter vorbei.

Es war Mittag und so brannte die Sonne mit aller Kraft vom wolkenlosen Himmel herab und blendete alles und jeden. Die Luft flimmerte in der Entfernung und obwohl Alec noch immer im Schatten des Schirms ging, stand ihm mittlerweile der Schweis auf der Stirn.

Er war neugierig, was oder viel mehr wen Sebastian ihm zeigen wollte. Er hatte nichts über den männlichen Kandidaten gesagt, sondern nur ein breites Grinsen aufgesetzt und war hinausgegangen.

Eigentlich war es üblich, dass sich die Männer selbst dazu meldeten, Alecs Herz gewinnen zu wollen, aber mit der Zeit waren es immer weniger geworden, die es versucht hatten. Da er aber noch immer das Versprechen, das er seinen Eltern gegeben hatte, einhalten musste, musste er sich weiterhin auf die Suche nach der großen Liebe begeben.

Deshalb hatte er irgendwann damit begonnen, manche Männer von sich aus anzusprechen und ihnen das Angebot zu unterbreiten. Die schlussendliche Entscheidung, ob sie das Risiko eingehen wollten oder nicht, blieb aber weiterhin ihnen überlassen. Dieser Teil war wichtig, denn Alec würde nie jemanden dazu zwingen, sich ihm für eine Nacht hinzugeben.

Sie bogen um einen Haufen Geröll und betraten einen kleinen Platz, an dessen anderem Ende eine Dreiergruppe Steine von einem Karren ablud.
Einer der Männer hatte einen ungepflegten, grauen Bart und der zweite sah aus, als könnte er einen nur mit seinen Blicken töten und der dritte ... war wunderschön.

Er schien wie das größte Meisterwerk eines Künstlers zu sein. Dessen Lebenswerk, auf das man in der Zukunft zurückschauen würde.

Er war schlichtweg perfekt.

Von den ausgeprägten Wangenknochen über die gemeißelte Nase bis zu den vollen, beinahe weiblichen Lippen. Von dem schlanken V seines Oberkörpers über die sanfte Wölbung seiner Hüften bis zu den langen, aber gut trainierten Beinen. Von dem sanften Karamellton seiner Haut über sein freches Grinsen, das man bis hierher sehen konnte, bis zu seinem geheimnisvollen, aber eleganten Auftreten.

Alec war wie in Trance, denn er konnte sich für einen kurzen Moment einfach nicht rühren und auch nicht atmen.
Er hatte schon viele Männer in seinem noch jungen Leben gesehen. Manche waren anziehender gewesen als andere, aber sie alle waren nichts im Vergleich zu der Schönheit dieses Fremden.

Natürlich war seine Kleidnung von der Sonne ausgebleicht und schäbig, seine Haare feucht vor Schweis und sein Gesicht staubverschmiert, aber das alles machte Alec nur noch neugieriger.

Wenn dieser Kerl schon jetzt so schön aussah, wie würde es dann sein, wenn er etwas eleganteres trug?

Auch Sebastian war stehen geblieben und bedachte ihn mit einem wissenden Blick.
~Gefällt er Euch?~

Das riss ihn aus seiner Starre und er fasste sich wieder.
Möglichst gleichgültig fragte er~Wegen was wird er angeklagt?~

Das Lächeln verschwand aus Sebastians Gesicht.
~Vatermord.~
Das hinterließ Alec für einen Augenblick fassungslos.

Vatermord war eine sehr ernste Angelegnheit und wurde im Normalfall sehr hart bestraft -meist mit einem qualvollen Tod. Er konnte sich beinahe noch glücklich schätzen, seinem Prozess noch nicht gegenübergetreten zu sein, denn da würde er sicherlich nicht so glimpflich mit einer Gefängnisstrafe davonkommen.

Aber wie war jemand mit so einem engelsgleichen Aussehen zu so etwas Schrecklichem überhaupt fähig?
Er wusste es nicht, aber das linderte sein Interesse an dem jungen Mann nicht im geringsten.

Dennoch straffte er die Schultern, nickte dem Bauleiter kurz zu und ging dann mit entschlossenen Schritten auf die Dreiergruppe zu.

Sobald sie ihn bemerkten, knieten sowohl der ältere Mann als auch der mit dem Todesblick nieder. Nur der Schönling, der ihm im Moment den Rücken zugewandt hatte -nicht, dass Alec sich über die Aussicht beschweren würde-, stand noch.

Er blieb beinahe direkt hinter dem Fremden stehen und dieser zuckte erschrocken zusammen, als Alec sich räusperte. Schnell drehte er sich um und die schokobraunen Augen weiteten sich vor Schock.

Aber anstatt sich eilig auf die Knie zu werfen, tat er dies langsam und bewusst. Den Augenkontakt mit Alec unterbrach er dabei keine Sekunde.
Ein herausfordernder Ausdruck legte sich über sein Gesicht, den er aber schnell verbarg, als er den Kopf senkte.

~Eure Hoheit. Was verschafft uns die Ehre Eures Erscheinens?~, fragte er mit einer samtigen Stimme.
~Ich würde gerne mit dir reden.~, entgegnete Alec und überging die, ihm sehr häufig gestellte, Frage einfach. Es war ohnehin eher eine Floskel als eine wirklich ernst gemeinte Frage.

Der Kopf des Fremden schoss hoch und er blickte ihn überrascht an.
Schnell nickte er und erhob sich wieder. Schade eigentlich, denn Alec hatte es gefallen, wie er da so vor ihm kniete. Aber noch viel mehr wollte er mit ihm reden.

Der schöne Fremde folgte ihm, war aber nicht im Schatten des Schirms, sodass die Sonne weiterhin auf ihn niederbrannte und seine Haut beinahe golden schimmern ließ. Sebastian war irgendwohin verschwunden, aber Alec kümmerte das nicht wirklich. Er nutzte eher die Gelegenheit und führte den Fremden in das Zelt des Bauleiters.

Dort angekommen reichte er ihm ersteinmal ein Glas Wasser, das der Schönling überrascht annahm, dann aber so gierig austrank, dass das Wasser über seine Mundwinkel sein Kinn hinablief.

Alec zwang sich dazu, dem jungen Mann wieder in die Augen zu sehen und nicht den Wassertropfen zu folgen, die langsam in dem Leinenhemd verschwanden.

~Wie heißt du?~
~Magnus, Eure Hoheit.~
~Ok, Magnus. Du hast sicher bereits von meinem Anliegen gehört und ich wollte dich nun fragen, ob du Interesse hättest.~

Als er das sagte, spürte Alec etwas, das er schon lange nicht mehr empfunden hatte: Nervosität. Aus Gründen, die er selbst nicht ganz nachvollziehen konnte, wollte er, dass Magnus zustimmte. Dass er zustimmte, eine Nacht mit ihm zu verbringen.

Mehr würde es nicht werden können, wenn er sich nicht von seinen Plänen abbringen lassen wollte.

~Um ehrlich zu sein, kenne ich dieses Anliegen nicht. Ich bin noch nicht allzu lange hier.~, gab er zu und setzte sich mit einem entschuldigenden Lächeln auf die Tischkante.
Dieses Lächeln stand ihm mehr als gut, auch wenn Alec zugeben musste, dass er das freche Grinsen mehr mochte.

Dadurch steigerte sich seine Nervosität nur noch. Er wusste, dass das, was er tat und vor allem, wie er es tat, nicht gerade die feine Art war und er wollte Magnus auf keinen Fall verschrecken.

Zur Abwechslung wollte er, dass er blieb und sei es auch nur für eine kurze Weile. Jedoch würde er wohl nicht um die harte Wahrheit herumkommen, weshalb er tief seufzte.

~Ich bin schon lange auf der Suche nach einem Gefährten, mit dem ich über das Königreich herrschen kann. Jedem, der Interesse hat, gebe ich eine Nacht, um sich vorzustellen und mich von sich zu überzeugen. Gelingt es, wird er bei mir bleiben. Versagt er jedoch ... wird er am Morgen des nächsten Tages hingerichtet.~

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now