Kapitel 61 - Die elfte Nacht

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Im Leben musste man viele Entscheidungen treffen. Leichte, schwere und manchmal auch sehr schwere. Sie alle waren wichtig, denn sie bestimmten, wie es weiterging oder ob es überhaupt weiterging. Sie zeigten die grobe Richtung an, in die das Leben verlaufen würde und sollten daher stets mit Bedacht getroffen werden, denn es war schwer, so eine Entscheidung wieder zurückzunehmen.

Und selbst wenn man es tatsächlich versuchte, so würde man nie vollständig zu dem Zustand vor der Entscheidung zurückkehren können. Denn diese Normalität hatte man quasi mit der Entscheidung verworfen und das würde Spuren hinterlassen, auf die ein oder andere Weise. Ein Blatt Papier konnte man schließlich auch nicht mehr in den normalen Originalzustand zurückbekommen, hatte man es einmal zerknüllt.

Deshalb war es umso wichtiger die richtige Entscheidung zu treffen, denn das Leben entwickelte sich und nur so konnte man bestimmen, ob diese Entwicklung positiv verlaufen würde oder nicht. Dummerweise wusste mal das nie im Voraus, weshalb Reue meist eng mit der Entscheidung verbunden war, die nur Dank Dingen wie dem freien Willen überhaupt existierte.

Mit Entscheidungen hielt es sich also genauso wie mit einer Münze, es gab immer zwei Seiten. Auf der einen, die Möglichkeit überhaupt etwas aussuchen zu können und auf der anderen die Qual sich klar zu etwas positionieren zu müssen.

Alec hatte sich über diese Entscheidung sehr lange den Kopf zerbrochen und er wusste noch immer nicht, ob er die richtige Wahl getroffen hatte. Er hoffte einfach, dass sich dieses Gefühl der Erleichterung, das scheinbar bei einer richtigen eintreten sollte, bald einstellen und ihn von der Reue schützen würde.

Aber um ehrlich zu sein, hatte Alec gerade anderes zu tun als sich mit Dingen wie Unsicherheit zu beschäftigen, denn dazu war er zu verwirrt und die Zahnräder ratterten nur so in seinem Kopf.

Ich habe meine Aufgabe erfüllt und mich dir vorgestellt, auf die ehrlichste Art und Weise, die ich bieten kann.

Was hatte Magnus nur damit gemeint? Natürlich, Alec hatte die Chance erhalten ihn kennenzulernen und das nicht nur die positiven Seiten, aber was meinte er mit vorgestellt? Alec hatte einfach keine Ahnung bis ... es ihm wie lästige Schuppen von den Augen fiel.

Die Geschichten!
Magnus hatte nahezu jede Nacht genutzt, um ihm eine Geschichte über das Erwachsenwerden eines Jungen zu erzählen, den er durchgehend Hexenmeister genannt hatte. Er hatte sich nie etwas dabei gedacht, aber plötzlich schien alles so offensichtlich!

Die Geschichten mit ihrem Urprung in Magnus' Vergangenheit, seine oftmals emotionale Erzählweise und die Parallelen, die er mit dem Hauptcharakter hatte.

Diese Liebe zur Harmonie, die Unerfahrenheit, das Tanztalent, die perfekte Maskerade und ein Aussehen, das jegliche Aufmerksamkeit einforderte. Auch wurden beide wegen demselben Grund verhaftet; Vatermord.

Nur hatte der Hexenmeister diesen streng genommen nie selbst begangen und Magnus hatte ihn stets partout geleugnet.

Alec hatte Magnus' Akte zu diesem Fall durchforstet und neben den Beweisen auch die Aussagen gelesen, die er bei einer Befragung abgegeben hatte.
Er wäre unschuldig. Er hätte nichts getan, außer vielleicht nur hilflos dabei zugesehen.

Sowohl der Hexenmeister als auch Magnus waren deshalb lange auf der Flucht gewesen, vielleicht sogar zwei Jahre und das Ereignis aus der letzten Geschichte, das deckte sich mit Raphael Santiagos Fall.

Alle Puzzleteile setzten sich nach und nach in seinem Kopf zusammen und machten es ihm schwer, normal weiter zu atmen. Er konnte es einfach nicht glauben! Wie blind musste er denn gewesen sein, um das nicht zu bemerken!? Anscheinend sehr blind ... oder einfach nur Alec Lightwood.

Zehn und eine NachtOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz