Kapitel 7 - Ein netter Typ

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Magnus' Sicht

Magnus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er zurück in sein Zimmer gebracht wurde.

Seine List war tatsächlich aufgegangen und er lebte noch. Außerdem hatte der König keinen Schimmer von seinem Plan, weshalb er die vergangene Nacht als erfolgreich einstufte.

Anfangs war er furchtbar nervös gewesen, als er in das Schlafzimmer getreten war. Der König hatte ebenfalls dazu beigetragen, denn seine Blicke, auch wenn er es wohl noch nicht einmal selbst bemerkt hatte, waren mehr als eindeutig gewesen.

Umso überraschter musse er wohl gewesen sein, als Magnus seinen Vorschlag, mit ihm ins Bett zu gehen, abgelehnt hatte.

So gern er das auch getan hätte, er konnte das nicht. Dann würden zu viele böse Erinnerungen hochkommen, die er lieber alle aus seinem Kopf verbannen würde. Er würde noch früh genug davon berichten müssen, wenn alles gut ging.

Doch für kurze Zeit war ihm das gelungen und wenn er ehrlich war, hatte es ihm sogar gefallen, diese Geschichte zu erzählen und vor allem, den König dabei zu beobachten.

Dieser war vollkommend gefangen im Geschehen und hatte zugelassen, dass Magnus ihn sanft darin einlullte. Dass er ihn dabei schamlos angestarrt hatte, hatte der König wahrscheinlich noch nicht einmal bemerkt. Das war auch gut so, denn Magnus wollte nicht erwischt werden und versehentlich falsche Signale aussenden.

Zwischen ihnen würde nichts passieren und dass er den König mehr als attraktiv fand, spielte da auch keine Rolle.

Die kleine Karavane blieb vor einer Tür stehen. Magnus schenkte den drei Wachen nun keine Beachtung mehr sondern schlüpfte in sein vorübergehendes Heim.

Das Gästezimmer war zwar nicht gerade groß, dafür aber wohl wertvoller als alles, was er je besessen hatte. Allein das große Bett mit den vergoldeten Pfosten war teurer als sein ganzes damaliges zu Hause.

Magnus war diesen Luxus nicht gewohnt, konnte sich aber auch nicht beklagen. Er würde seinen Lebensabend zumindest nicht auf einer harten Pritsche verbringen müssen und auch den Blicken der Gefängniswärter war er erfolgreich entkommen.

Es fühlte sich beinahe ein bisschen wie Freiheit an. Etwas, das er schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Da war es ihm auch gleich, wie unsicher diese Freiheit war, denn sie könnte ihm jeden Moment wieder weggenommen werden.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Magnus drehte sich überrascht um. Wer ist das denn wohl?

Wäre er wie jeder normale Mensch, hätte er den Neuankömmling ohne Hintergedanken hereingebeten, aber er war nunmal nicht wie jeder andere. Mit seinen Erfahrungen im Gepäck war er stets und überall auf der Hut.

Er war es gewohnt, unerwünschte Gäste zu haben, die nichts Gutes wollten. Dass gerade drei Wachen vor seiner Tür standen und niemanden Gefährliches einlassen würden, half seinem Gemütszustand nicht.

Nervös sah er sich um, bis er an der gegenüberliegenden Wand etwas fand, womit er sich im Notfall wehren könnte. Er griff also nach dem kurzen Dolch mit dem, mit Rubinen besetzten, Heft und hielt ihn einsatzbereit hinter seinem Rücken versteckt. Seine leicht zitternde Hand blendete er völlig aus, genau wie seinen rasenden Herzschlag.

Dann erst sagte er~Herein.~
Die Tür schwang auf und ein junger Mann trat ein.

Sofort ließ Magnus seine abwehrende Haltung fallen, denn der Mann wirkte mehr als harmlos. Seine etwas längeren, blonden Haare umrahmten sein Gesicht wie einen kleinen Heiligenschein und seine grünen Augen wirkten ruhig und friedlich, als könnte er keiner Fliege was zu leide tun.

Unauffällig legte er den Dolch wieder auf die Kommode hinter sich ab und bemühte sich um eine gelassene Fassade. Er wollte sich nicht anmerken lassen, dass er an der Grenze einer Panikattacke gestanden hatte.

Der Fremde verbeugte sich tief und stellte sich vor~Ich bin Andrew und stehe Euch während Eures Aufenthalts im Palast jederzeit zu Diensten, mein Herr.~

Es brauchte Magnus' gesamtes schauspielerisches Talent, um seine Überraschung zu verbergen. Er wurde noch nie mit mein Herr angesprochen.

Wieso auch? In seiner alten Heimat war er noch ein unmündiger Junge gewesen und im Gefängnis hielt man sich nicht mit solchen Floskeln auf. Außerdem stand man als Gefangener noch unter jeglichen Bediensteten oder sogar Obdachlosen.

Aber hier in diesem Moment war er ja kein Gefangener mehr. Er war ein Anwärter auf den Thron und galt so wohl auch als Autoritätsperson. Irgendwie.

Dennoch hörte es sich für ihn einfach nur falsch an.
~Bitte nenn mich Magnus. Mein Herr klingt so gestelzt.~
~Natürlich, me... Magnus. Was kann ich für Eu- dich tun?~
~Ehrlich? Ich möchte eigentlich nur schlafen, wenn ich es schon letzte Nacht nicht konnte.~

Andrews Augen weiteten sich kaum merklich.
~Du warst beim König? Und ... lebst noch?~, fragte er erstaunt. Es schwang aber auch noch etwas anderes in seiner Stimme mit, aber da er das nicht definieren konnte, stempelte er das als unwichtig ab.

Mit einem leichten Lächeln setzte er sich auf die Bettkante und überschlug elegant die Beine.
~Sonst wäre ich nicht hier.~
~Natürlich! Es ist nur ... Das ist noch nie vorgekommen.~

~Dann habe ich den König wohl nur besser bezirzt als alle anderen oder ihm einfach etwas so Kostbares gegeben, von dem er einfach nicht genug bekommen kann.~
...zumindest vorläufig nicht, dachte er sich.

~Klar, es ist bisher einfach noch nicht passiert, dass der König den Anwärter nach der Nacht noch am Leben lässt ... Und dann noch so einen ... netten. Ich war einfach überrascht.~, erläuterte Andrew sichtlich verlegen.

Magnus kam nicht umhin leicht die Augenbrauen anzuheben. Er und nett? Er wusste natürlich, dass er sich nicht sonderlich großkotzig benahm und auch nicht auf anderen herumhackte, aber machte ihn das gleich nett?

Wäre er noch im Gefängnis, hätte er diese Frage wohl leichter beantworten können, denn da war jeder nett, der sich nicht wie ein kompletter Mistkerl benahm, bei jeder Gelegenheit die Fäuste sprechen lassen wollte oder jegliche Art von Kommentaren sein ließ.

Nach dieser Defintion wäre Magnus ein netter Typ, aber hier war er nicht in einem Rattenloch sondern an einem Ort voller gesellschaftlicher Regeln und Sitten, wo gutes Benehmen einfach erwartet wurde. Nach diesen Maßstäben wäre er absolut unbeholfen und unhöflich, aber wer wäre er, wenn ein Kompliment ablehnen würde?

~Das ist in Ordnung. Nur könntest du mich dann alleine lassen? Ich bin echt erledigt.~
~Selbstverständlich. Wenn du mich brauchst, ruf einfach.~
Mit diesen Worten verschwand Andrew aus dem Zimmer und Magnus konnte sich endlich entspannen.

Schnell wurde er sein Hemd los und legte es behutsam auf der Kommode ab, nachdem er es sorgsam gefaltet hatte. Es war ungewohnt für ihn, mal wieder etwas Weiches und Sauberes zu tragen, was nicht roch wie eine Müllkippe. Deshalb fühlte er sich dazu verpflichtet, sorgsam mit all diesen neuen, wertvollen Dingen umzugehen.
Vor allem weil sie ihm ja nicht wirklich gehörten, sondern ihm nur vom Palast zur Verfügung gestellt wurden.

Kurz haderte er mit sich, bevor er wieder nach dem Dolch griff und ihn auf das Nachtschränkchen neben seinem Bett legte. Man konnte ja nie wissen.

Erst dann ließ Magnus sich auf die weichen Bettlaken fallen und genoss, wie er ein Stückchen darin versank. Es war kuschlig weich und er würde so gut schlafen wie schon lange nicht mehr.

Den Schlaf würde er auch brauchen, immerhin rückte die zweite Nacht mit dem König immer näher und er würde all seine Kraft brauchen, um diese lebendig zu überstehen.

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now