Kapitel 50 - Mittellos, aber glücklich

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Alec schluckte schwer, als die heutige Geschichte endete. Er musste den Blick gar nicht erst zum Fenster wenden, um zu sehen, dass die ersten Sonnenstrahlen gerade über den Horizont lugten und einen winzigen Punkt im Zimmer erleuchteten.

Es war wieder die Zeit der Entscheidung gekommen und erneut war es keine einfache. Mit gemischten Gefühlen sah er Magnus an, der trotz des glatten, distanzierten Gesichts, lächelte.

Es war kaum sichtbar und schien wie ein Geist, aber er war sicher, dass er sich das nicht einbildete. Ein echtes Lächeln. Zwar nicht für ihn, aber immerhin.

Das ließ vermuten, dass diese Geschichte ihren Ursprung ebenfalls in Magnus' eigener fand und es zur Abwechslung eine schöne Erinnerung war. Dennoch konnte Alec sein Herz nicht davon abhalten, sich vor Sehnsucht zusammenzuziehen.

Wie gerne würde er so ein Lächeln sehen, das aber an ihn gerichtet war. Wie gerne wäre er wieder ein Grund für Magnus' Freude. Er verdiente all das Gute dieser Welt und es machte ihn fertig, das er es ihm nicht bieten konnte.

Es reichte wohl manchmal nicht der König über ein wohlhabenes Reich zu sein. Dabei war das alles, was sich Alec von Kindesbeinen an erträumt hatte.

Er hatte sich seid jeher darauf gefreut, den Thron zu übernehmen, aber irgendwann war die Freude gewichen und er hatte nur noch die Pflicht gesehen, die damit einherging. Und natürlich die bittersüße Macht.

Nun hingegen wünschte er sich, dieses Amt nie angetreten zu haben, denn dann wäre er zwar mittellos, aber glücklich. Und war Glück nicht wertvoller als alles auf der Welt? Und könnte er dann nicht unbeschwert zusammensein mit ...

Nein, Magnus und er taten sich nicht gut und würden nur Zerstörung übereinander bringen, sobald die ersten hitzigen Funken der Liebe verflogen waren. Magnus wäre eine beständige Zielscheibe für seine Feinde und Alec würde nicht immer da sein können, um ihn zu verteidigen, so sehr er sich das auch wünschte.

Er müsste nur noch ein bisschen durchhalten und dann würde der brennende, ziehende Schmerz schon weniger werden. Nur noch ein bisschen für einen guten Zweck leiden und dann wäre es überstanden, so zumindest sein Plan und beständiges Mantra.

Er schaffte das! Ein Alec Lightwood schaffte alles, was er sich in den Kopf gesetzt hatte -egal wie dumm das manchmal war.

Als es schließlich an der Tür klopfte, atmete er erleichtert auf, denn die angespannte Stille war schier unerträglich gewesen. Doch er war auch nicht wirklich glücklich, als die Soldaten eintraten und Magnus wieder knieend auf dem Boden fixierten, bevor sie wie Statuen verharrten.

Sie warteten auf ein Urteil und es wurde nicht einfacher. Alec stand mit beiden Beinen fest im Leben und hatte eine klare Schwarz-Weiß Sicht auf die Welt, aber nun musste er sich vom Zittern abhalten, denn er hatte keine Ahnung.

Er wusste nicht, was er tun sollte und war dieses Gefühl früher aufregend gewesen, so war es jetzt mehr als furchteinflößend. Er hasste es, unsicher zu sein, aber er konnte kaum anders.

Verschiedenste Gedanken und Emotionen kämpften in ihm und er hatte alle Hände voll damit zu tun, sich nichts davon anmerken zu lassen.

Sein Verstand riet ihm, das Leid endlich zu beenden.

Es wäre der einfache Weg zurück in seinen zuvor gelebten Alltag mit der kühlen Distanz eines Königs zu allem und jedem um sich herum. Er könnte die Verantwortung über so viele Menschen wieder müheloser tragen. Sie würde zwar nie ganz leicht sein, aber leichter als wenn er so zwiegespalten war wie jetzt.

Sein dummes Herz jedoch wollte einfach nicht loslassen und sich weiter quälen. Es wollte lieber leiden als wieder weggesperrt zu werden, denn das würde zweifellos passieren, sobald Magnus fort wäre.

Nein, lieber wollte es ihn weiter anschmachten, wissend wie unerreichbar er durch seine selbst auferlegten Schwüre war. Es wollte ihm nah in der Ferne sein und kämpfte mit allen Mitteln dafür.

Außerdem ... könnte er nicht ertragen, wenn Magnus seinetwegen nicht mehr da wäre. Das war keine gute Ausgangsposition, denn früher oder später würde er sich genau diesem Szenario stellen müssen, wenn er so weiter regieren wollte wie bisher.

Wenn er sich und Magnus schützen wollte, müsste er besagten irgendwann loslassen.

Alec unterdrückte ein freudloses Lachen bei dem Gedanken, dass er sich geschworen hatte, Magnus vor allem Übel der Welt zu schützen. Er hätte eher schwören sollen, ihn vor sich selbst zu bewahren, immerhin war er es, der ihm gerade den größten Kummer bereitete.

Verliebte waren blind mit ihrer rosaroten Brille und so waren es ihre Entscheidungen. Das war ein Fakt, an dem selbst er als König nicht rütteln konnte. Dazu schlug sein verliebtes Herz zu stark und presste die Worte quasi aus ihm heraus.

~Begleitet ihn in sein Zimmer.~, sagte er monoton und wandte sich ab, als die Soldaten mit Magnus im Schlepptau den Raum verließen.

Die Tür schlug zu und er ließ sich kraftlos aufs Bett fallen, bevor er das Gesicht in den Händen vergrub. Er war so töricht zu glauben, dass es hätte funktionieren können. Töricht und dumm und ...
verliebt.

Magnus' Sicht

Magnus atmete erleichtert durch, als er endlich wieder in seinem Zimmer stand. Es war furchtbar anstrengend gewesen seine Fassade aufrecht zu erhalten, obwohl er schon in deutlich heikleren Situationen gewesen war.

In diesen hatte er nie den Kopf verloren oder seine Emotionen beinahe überkochen lassen, aber bei dem König war das irgendwie ... schwerer.

Vielleicht lag das daran, dass er ihm sehr wichtig war und es ihm schwerfiel unberührt zu bleiben, wenn ein nicht zu geringer Teil von ihm noch immer hoffte, es sei alles bloß ein böser Traum. Dass in Wahrheit alles noch normal wäre und Alexander noch immer Alexander war.

Noch immer wollte sich ein Teil einfach in die starken Arme des Königs werfen und sich sagen lassen, dass alles schon gut werden würde.

Aber das würde es nicht. Das hatte Magnus schon vor einer Weile gelernt und dass dieser naive Glauben nun wieder auftrat, nervte ihn. Er hatte diese Lektion doch schon durch, wieso musste er sie dann wiederholen?

Oder war das Leben einfach ein endloses Rad und er musste alles Erfahrene regelmäßig wieder lernen, weil sich Räder nunmal drehen konnten. Er hatte keine Ahnung, aber er wusste, dass er diesen Gedanken entkommen wollte, denn sie waren zermürbend und führten zu nichts.

Mit neuer Entschlossenheit wandte er dem Bett mit den grausigen Erinnerungen den Rücken zu und versuchte sein Heil in der Flucht in die Welt der Fantasie zu finden.

Zehn und eine NachtNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ