Kapitel 47 - Vertrauen und Freundschaft

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Alec war ... verblüfft. Er hatte mit vielem gerechnet, aber mit so etwas? Niemals.

Er befürchtete auch, dass er seine Überraschung nicht so gut verbergen konnte wie er hoffte, aber der Gefangene, Ragnor Fell, hatte ihn schlichtweg eiskalt erwischt mit seinen Worten. Vor allem die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, mit der er über Magnus sprach und wie gut er ihn zu kennen schien, imponierten ihm.

Kurz tauchte ein Bild vor Alecs innerem Auge auf. Er hatte kaum Notiz davon genommen, da Magnus und sein Aussehen seine volle Aufmerksamkeit bei ihrer ersten Begegnung beansprucht hatte, aber Ragnor war ebenfalls dort gewesen, genau wie der Verurteilte von gerade eben.

Alec hatte dem keine große Beachtung geschenkt, aber nun vermutete er, dass Magnus und dieser Ragnor sich nahe stehen mussten. Man würde nicht auf diese Art über jemand anderen sprechen, wenn er einem komplett egal wäre, außer man war eiskalt und beherrschte die Fähigkeit der Manipulation perfekt.

Aber er bezweifelte, dass der Hehler vor ihm log, denn dazu erschien er ihm zu aufrichtig.
Aber vielleicht wollte Alec ihm auch einfach glauben, weil es um Magnus ging und dieser ihn bekanntermaßen alles andere als kalt ließ.

Er hatte ebenfalls bemerkt, dass Magnus es zwar schwerfiel anderen zu vertrauen, aber ein wahrer Engel sein konnte, sobald er sich denn mal bei jemandem wohl fühlte. Wenn Alec den Blick aufgefangen hatte, den er ihm noch vor wenigen Tagen zugeworfen hatte, hatte er sich besonders gefühlt, aber vor allem verstanden.

Magnus hatte ihn mit jeglichen Ecken und Kanten akzeptiert und ihn dennoch gemocht und das hatte man seinem liebevollen Blick angesehen.

Doch das war bevor Alec beschlossen hatte, seine Schulden zu begleichen und seinen Vorsatz zu erfüllen, der sie beide letzendlich schützen würde.

Sie taten sich einfach nicht gut und es war nur eine Frage der Zeit bis einem von beiden etwas geschah. Der Vorfall war Beweis genug.

Das war, bevor er sich abgewendet hatte, ohne Magnus die Situation darzulegen. Nun war der Blick kalt, den er ihm zuwarf, und doch war er in mancher Hinsicht schmerzerfüllter als alles, was Alec zuvor gesehen hatte und er hasste sich dafür.

Er hasste es, Magnus wehzutun und sein gutes Herz fallen zu lassen, aber es war nunmal das beste und wenn er es nur oft genug wiederholte, würde es irgendwann auch Wirklichkeit werden. Zumindest theoretisch.

~Und was ist, wenn ich das vielleicht bereits getan haben sollte?~

Ragnors Gesichtsausdruck wurde finsterer und er sah ein wenig so aus, als hätte man ihm gerade sein geliebtes Geld gestohlen, um es für nutzlosen Krimskrams auszugeben, den man ihm nun stolz präsentierte. Alec ließ sich davon nicht beeidnrucekn und wartete geduldig, auf eine mögliche Reaktion.

~Dann seid Ihr in der Tat sehr dumm, mein König, oder Ihr habt Magnus schlichtweg nicht verdient und seht seinen Wert nicht.~
~Und was ist, wenn es für unser beider Wohl wäre?~

~Dann solltet Ihr ihn einweihen und nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden, wie Ihr es anscheinend getan habt, denn so aufgewühlt habe ich ihn selten gesehen.~, entgegnete der Gefangene und sah ihn weiterhin ernst wie grimmig an.

Alec bezweifelte, dass er oft lächelte, denn dann wären die kleinen Fältchen in seinem Gesicht andere. Aber er konnte auch nicht so gramgebeugt sein wie er tat, denn der Ausdruck in seinem Gesicht war in gewisser Hinsicht durchaus liebevoll.

Er mochte Magnus offensichtlich und es schien ihm auch wichtig zu sein, wie es diesem erging. Gleichzeitig erwies er Alec Respekt, behielt seinen Standpunkt jedoch ruhig bei. Wenn er verängstigt wegen des bevorstehenden Urteils sein sollte, so versteckte er das gekonnt, denn er schien wie die Ruhe selbst.

Alec, der seelische Stärke schon immer bewundert hatte, war beeindruckt, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Vielleicht lag das auch nur daran, dass die Wirkung der Worte, die Magnus vorhin zu ihm gesagt hatte, noch nicht vollends abgeebbt war.

Hör nicht nur auf deinen Verstand, sondern auch auf dein Herz, denn nur das kann über die Grenzen des Sichtbaren hinaussehen. Nur dann sind Entscheidungen richtig.

Alec war von sich selbst erschrocken, als er feststellte, dass er es tatsächlich versuchte umzusetzen. In diesem Fall riet ihm sein Herz noch abzuwarten, denn vielleicht war Ragnor ja tatsächlich mehr als seine Taten.

~Seid ihr Freunde oder so?~
~Das kommt darauf an, wen Ihr fragt~, begann Ragnor und ein kaum merkbares Lächeln huschte über seine Lippen,~Wenn Ihr Magnus fragen würdet, würde er wahrscheinlich heftig verneinen. Stadessen würde er behaupten, dass er mir etwas schuldig ist, weil ich ihn aus mehreren kritischen Situationen befreit habe. Allerdings muss man auch erwähnen, dass er wegen des mangelnden Vertrauens in andere kaum jemanden wirklich seinen Freund nennt. Es ist ein großes, bedeutsames Wort.~

~Und wenn man Euch fragen würde?~
~Dann wurde ich bejahen, denn für mich ist Magnus ein Freund und Person des Vertrauens, auch wenn er viele Geheimnisse hütet und nur selten Menschen an sich heran lässt. Er ist mir nichts schuldig. Im Gegenteil, denn ich fühle mich nicht selten für ihn verantwortlich. Er ist noch so jung und hat doch schon so viel erlebt. Man sollte ihn davor bewahren, noch mehr durchzumachen. Er ist mir nicht egal, aber Ihr seht so aus, als wüsstet Ihr das bereits.~

Alec nickte, denn er verstand den Mann vor sich nur zu gut. Man merkte es anfangs kaum, aber Magnus war stets etwas reserviert und distanziert gewesen. Er hatte eine unsichtbare Grenze, die man nicht überqueren konnte.

Aber selbst aus der Ferne konnte man sehen, dass ihn das Leben auf vielerlei Weisen gezeichnet hatte. Das weckte, zumindest in Ragnor und ihm, den Wunsch ihn zu schützen, ob er das nun wollte oder nicht. Und genau deshalb musste Alec seinen Vorsatz ja weiter beibehalten, denn nur dann würde er dieses Ziel von Magnus' Schutz erreichen.

Dass er ihn dabei verletzte und vielleicht sogar unglücklich machte, versuchte er bestmöglich auszublenden, denn dann würde der Vorsatz nur bröckeln und sie beide nur noch mehr leiden.

~Ich sehe, dass Ihr mit Euch kämpft, ob das, was Ihr tut, richtig ist. Aus Erfahrung kann ich Euch sagen, dass die Entscheidung falsch ist, wenn Ihr Euch immer wieder selbst überzeugen müsst. Man steht hinter einer richtigen Entscheidung, auch wenn sie schlechte Konsequenzen nach sich zieht. Man zweifelt hingegen an einer falschen, selbst wenn die Absichten nur die besten sind.~

~Ich glaube, wir sollten langsam zu dem eigentlichen Urteil kommen~, meinte Alec nun defensiv, denn er fühlte sich ertappt,~Wir wollen immerhin nicht den ganzen Tag damit verschwenden.~
~Damit habt Ihr natürlich recht, mein König.~

Zehn und eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt