Kapitel 41 - Stein um Stein

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Nachdem Magnus mit der heutigen Erzählung geendet hatte, herrschte eine angespannte Stille. Alec wusste nicht recht, was er tun oder denken sollte, denn erneut hatte ihn diese plötzliche Wendung der Geschichte des Hexenmeisters kalt erwischt.

Er hatte zwar schon damit gerechnet, dass irgendetwas Schlimmes passieren würde, aber das hätte er nie vorhergesehen. Hätter er gar nicht vorhersehen können.

Wieder spürte er eine brodelnde Wut in seinem Bauch, die sich gegen diesen Onkel Azazel richtete.
Er hätte sterben sollen und nicht der Vater des Hexenmeisters, der diesen nur schützen wollte. Das war nicht fair, aber das war das Schicksal ja meistens nicht. Das hatte Magnus mit dieser fiktiven Erzählung gut dargestellt.

Das Schicksal war ein mieser Verräter und dem Hexenmeister wohl nicht gerade zugetan, dabei war er so ein faszinierender und sanftmütiger Charakter, den man eigentlich nur mögen konnte. Er war liebevoll, sanft, kreativ und ein bisschen sonderbar. Alec hätte ihn sehr gerne kennengelernt, obwohl es ihn natürlich schmerzte zu erfahren, dass er so viel durchmachen musste.

Es war schon irgendwo unglaublich, dass eine einfache Geschichte seine harte Fassade aus kalter Unnahbarkeit so mühelos durchdringen konnte.

Wahrscheinlich lag das daran, dass Magnus sie erzählte und auch an der Art, wie er die Worte über seine Lippen brachte. Mit so viel Emotion, dass man eigentlich gar nicht anders konnte als mitzufühlen.

Wieder ein Beweis dafür, dass Magnus zu ihm durchgedrungen war und wieder ein Hinweis dafür, ihn zurückzustoßen. Alec konnte es sich nicht leisten, auch vor anderen schwach zu sein. Anderenfalls wäre er nur angreifbar für seine Feinde, weshalb er hart sein musste.

Das konnte er aber nur, wenn Magnus nicht da war oder ihn so ansah wie gerade.
Sein ganzer Körper war angespannt und er ballte die Hände immer mal wieder zu Fäusten, bevor er wieder lockerließ. Seine Atmung kam stockend, als müsse er sich zusammenreißen, um nicht irgendetwas zu tun, das er später vielleicht bereuen könnte.

Sein Kopf war leicht gesenkt, aber das hieß nicht, dass Alec nicht den Schmerz sehen konnte, der in seinen Augen pulsierte wie eine offene Wunde. Aber da waren auch noch andere Dinge wie Wut, Angst und Unsicherheit, die sie dunkel und getrübt aussehen ließen.

Die grünen und goldenen Tupfer wirkten matt und waren voller Trauer. Alec brach es das Herz bei diesem Anblick und nichts hätte er lieber getan, als ihn in seine Arme zu ziehen, wie nach anderen traumatischen Geschichten, die ihren Ursprung in Magnus' eigener Vergangenheit fanden.

Nichts lieber hätte er getan als ihm Trost zu spenden und ihm zu sagen, dass es ok und er nicht alleine war. Viel zu gerne hätte er ihn wieder gestützt, aber er konnte nicht.

Damit würde er seinen Vorsatz, sich von Magnus zu entfernen -für ihrer beider Wohl- brechen.
Es ist das beste für uns. Wir würden nur Zerstörung bringen. Es ist das beste, redete er sich ein, nur leider fühlte es sich eben nicht so an.

Im Gegenteil, sein Herz schrie auf vor Schmerz und rannte mit voller Wucht gegen die Mauer an, die sich gerade wieder mobilisierte und selbst aufbaute, Stein um Stein. Es wollte so gerne ausbrechen und Magnus einfach zu sich ziehen.

Sein Verstand jedoch, der wieder die Macht hatte, hielt ihn genau davon ab und ermahnte ihn dazu, an das Königreich zu denken, das Struktur brauchte. Diese Struktur wäre zu schwach, wenn er bei Magnzs bleiben würde. Er musste es tun und hatte keine Wahl.

Magnus beobachtete ihn still und mit in Tränen schwimmenden Augen, bevor er einen Entschluss zu fassen schien. Mit einem Mal wurde sein Gesicht ausdruckslos und seine Augen schimmerten dunkel, aber vollkommend befreit von jeglicher Emotion.

Er hatte sich zurückgezogen und beide schwiegen sich an, bis endlich das erlösende Klopfen an der Tür ertönte.
Alec bat sie herein und die Wachen schritten routiniert zu ihnen herüber und packten Magnus.

Wieder war die Zeit der Entscheidung gekommen und Alec hätte es sich jetzt leicht machen können. Er könnte das alles hier mit wenigen Worten beenden und Magnus wäre fort ... für immer.

Das Leid, dem er sich gerade aussetzte, könnte ein plötzliches Ende finden. Es wäre definitiv leichter, aber nichts am Leben war leicht und so war es diese Entscheidung auch nicht.

Denn so gerne er es auch wollte, er dachte nicht nur rational, er war auch verdammt egoistisch. Sein Egoismus wollte Magnus behalten und die Zeit solange genießen wie möglich. Er würde ihm nicht mehr richtig nah sein können, aber ihn schon allein zu sehen, machte große Dinge mit ihm, die er noch immer nicht recht verstand.

Er war wie ein wunderschöner Schmetterling, der zufälligerweise auf Alecs Hand gelandet war und dort ruhte. Er könnte sich nicht näher zu ihm hinabbeugen oder ihn anfassen und ihre Zeit miteinander wäre  begrenzt, aber es war besser als den Schmetterling einfach wieder zu verjagen. Also betrachtete er ihn vorsichtig aus der Ferne und erfeute sich an dem Anblick.

Sein Egoismus wollte diesen Schmetterling noch etwas länger anschauen, bis es dann zu Ende gehen würde. Dieses Ende war unvermeidlich und unumgänglich, aber verschiebbar.

Deshalb würde er es so weit hinausschieben wie nur möglich, auch wenn das weniger weit war wie ihm lieb war.
~Bringt ihn in sein Zimmer.~, sagte er lediglich.

Magnus' Blick blieb hart, als er abgeführt wurde, aber das war bestimmt auch gut so. Wenn Magnus ihn nämlich begann zu hassen, wäre es einfacher sich von ihm zu lösen.
Es ist das beste, wenn auch nicht das einfachste.

Magnus' Sicht

Es war furchtbar! Magnus fühlte sich einfach nur furchtbar nach dieser Nacht.

Was war nur mit Alexander los? Was war mit ihm passiert, dass er wieder so ... distanziert war? Hatte Magnus irgendetwas falsch gemacht? Hatte er irgendetwas getan, um seinen Unwillen auf sich zu ziehen?

Wenn ja wusste er beim besten Willen nicht, was das sein sollte. Magnus hatte nämlich sein bestes gegeben, sich fallen zu lassen und eine Zeit lang hatte es tatsächlich so ausgesehen, als hätte Alexander ihn sicher aufgefangen. Nun jedoch schien er ihn auf dem Boden abzusetzen und dort liegen zu lassen. Ohne ein Wort der Erklärung.

Deshalb war Magnus wütend, aber vor allem verletzt.

Als er diese Geschichte beendet hatte, hatte er sich wieder so verletzlich gefühlt, aber im Gegensatz zu den anderen Malen hatte Alexander ihn nicht zu sich gezogen und ihm eine starke Schulter zu Ausweinen geboten.

Stadessen hatte er ihn angesehen, als würde er ihn gar nicht kennen. Magnus hatte sich so gedemütigt gefühlt, dass er zum ersten Mal seid langem seine Schutzmauer auch vor dem König wieder hochgezogen hatte, Stein um Stein, um sich selbst zu schützen.

Er bekam kaum mit, wie sie wieder an seinem Zimmer ankamen, denn seine Beine schienen nur noch mechanisch zu funktionieren. Er öffnete die Tür und schleppte sich zu seinem Bett, wo er sich fallen ließ und zu einer Kugel zusammenrollte.

Er verstand einfach nicht, wieso Alexander ihm das antat. Wieso sprach er denn nicht einfach, wenn ihn etwas störte oder wenn er etwas ändern wollte? Magnus könnte mit allem umgehen, wenn er nur genau wusste, was vorging.

Da das aber nicht der Fall war, konnte er nicht damit aufhören nach dem Problem, dem Fehler, zu suchen und da ihm der König im Moment mehr als fremd schien, tat er das eben bei sich selbst.

Oder war es doch viel einfacher und Alexander hatte lediglich genug von ihm. Vielleicht überlegte er sich nur noch, wie er es Magnus am schonensten beibrachte? Aber wieso lebte er dann noch?

Die Unwissenheit quälte ihn und es brauchte lange, bis er in einen unruhigen Schlaf fiel. Sein letzter Gedanke war: Wieso nur Alexander?

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now