Kapitel 9 - Die erste Freundschaft

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Magnus' Sicht

Der kindliche Hexenmeister flog nur so über die Erde und war zum ersten Mal dankbar, dass er so lange von den anderen ausgeschlossen worden war.

So hatte er nämlich seine Freizeit genutzt und das Dorf auf seine Art erkundet. Er hatte ungeahnte Schleichwege entdeckt, Kisten, mit denen er über Zäune und manchmal sogar über Hausdächer klettern konnte.

Deshalb fiel es ihm auch ersteinmal leicht, seine Verfolger abzuschütteln. Er hörte ihre wütenden Schreie, die nach ihm riefen und ihn verfluchten, bevor sie lautstark ausmachten, sich aufzuteilen.

Der von Panik getriebene Hexenmeister bemerkte nicht, wie sein Atem immer flacher wurde und wie sein rechter Fuß langsam begann zu schmerzen, denn viel zu kräftig rauschte das Adrenalin durch seinen kleinen Körper.

Dennoch baute sich langsam Hoffnung in ihm auf. Hoffnung, dass er seine Verfolger vielleicht doch hinter sich lassen und sich später im Schutz der Dunkelheit nach Hause zurückschleichen könnte. Vielleicht würde ja doch alles gut gehen.

Aber schon nach der nächsten Ecke wurde er enttäuscht, denn ein wuchtiger Karren, den irgendjemand wohl hier stehengelassen hatte, blockierte die komplette, ohnehin schon schmale, Straße.

Er würde sich nicht an ihm vorbeiquetschen können, denn so dünn war selbst er nicht. Er könnte noch versuchen darüber zu klettern, aber das würde Zeit brauchen und bestimmt nicht so lautlos funktioneren, wie er es sich erhoffte.

Vielleicht sollte er einfach umkehren und ...
~Da bist du ja!~

Der zierliche Körper des kindlichen Hexenmeisters erstarrte und er schluckte schwer, bevor er sich umdrehte. Vor ihm stand einer der Handlanger des Fieslings.

Er hatte ihm nie wirkliche Aufmerksamkeit geschenkt, da er immer stur das getan hatte, was ihm gesagt wurde und er auch sonst nicht gerade schlau erschien. Jetzt jedoch wirkte er mehr als bedrohlich und ihm klopfte das Herz bis zum Hals, während er zurückwich.

Der etwas mollige Junge folgte ihm und hatte dabei ein breites Grinsen im Gesicht.
~Es war gemein, dass du ihm einfach so mit einem Ball abgeworfen hast.~
~D-das tut mir leid.~, stammelte er ängstlich, aber ehrlich.

~Dafür wirst du bezahlen ... früher oder später.~
~Aber nicht jetzt!~, ertönte plötzlich eine weitere Stimme.

Der Blick des kindlichen Hexenmeisters zuckte zur Seite, wo ein Mädchen stand, das er noch nie zuvor gesehen hatte.

Sie war etwa so groß wie er und hatte ihre feuerroten Haare zu zwei Zöpfen zusammengebunden, womit sie ziemlich süß aussah. Dennoch verströmte sie eine beinahe bedrohliche Entschlossenheit und Sicherheit, die der kindliche Hexenmeister nur selten aufbringen konnte.

Sicheren Schrittes ging sie auf ihn zu und stellte sich breitbeinig vor den molligen Handlanger.
~Aus dem Weg, kleines Mädchen. Das hat nichts mit dir zu tun.~
~Doch, hat es, wenn du meinen Freund bedrohst.~

Freund? Er hatte dieses Mädchen noch nie in seinem Leben gesehen. Allerdings war seine Panik gerade zu groß, um das laut auszusprechen.

~Und was willst du dagegen machen?~
Das Mädchen antwortete nicht und der Hexenmeister glaubte schon fast, dass sie ihren Widerstand aufgegeben hatte, als plötzlich ihre Hand hochzuckte.

Innerhalb eines Wimpernschlags hatte sie dem molligen Handlager auf die Nase gehauen. Sogar so heftig, dass sie begann zu bluten. De Handlanger wimmerte erschrocken auf und fasste sich an die blutende Stelle, bevor er kehrtmachte und floh.

Zehn und eine NachtOù les histoires vivent. Découvrez maintenant