Kapitel 57 - Ein Gespräch mit der Königin

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Magnus' Sicht

Magnus erstarrte und ohne es zu bemerken, griff er nach hinten, aber der Dolch war nicht da. Ihm wurde eiskalt bewusst, dass er ihn auf dem Nachtschrank hatte liegen lassen, da er ihn normalerweise nicht mitnahm, wenn er zum König ging.

Auf dem Hin- und Rückweg wurde er von Wachen begleitet und in Alexanders Gegenwart hatte er sich bisher stets so wohl gefühlt, dass er nicht das Bedürfnis verspürte, sich schützen zu müssen. Zwar hatte sich das mittlerweile geändert, aber er nahm an, dass er den Dolch einfach aus Gewohnheit nicht mitgenommen hatte.

Allerdings musste er auch zugeben, dass die Frau alles andere als gefährlich aussah. Außerdem war da irgendetwas an ihr, das ihm bekannt vorkam, obwohl er die Frau selbst noch nie gesehen hatte.

Vielleicht waren es ihre stechend blauen Augen, die lockigen schwarzen Haare oder schlichtweg die aufrechte Haltung, die ihm so vertraut war. Es erinnerte ihn an Alexander und sofort spürte er einen stechenden Schmerz in seiner Brust.

Eigentlich hatte er allein sein wollen, um sich zu entspannen und vor allem, um neue Kraft zu tanken, denn urplötzlich war es mehr als anstrengend für ihn gewesen seine Fassade in Gegenwart von Alexander aufrecht zu erhalten. Doch er konnte und wollte es auch nicht ändern, denn er bezweifelte, dass es etwas verbessern würde und er wollte nicht wieder derjenige sein, der verletzt wurde.

Allerdings musste er sich jetzt wohl noch ein bisschen zusammenreißen und die Begegnung mit dieser Frau überstehen.

Mit möglichst beschwingtem Ton fragte er~Wer seid Ihr? Und was macht Ihr in meinem Gästezimmer?~
~Ich glaube, Ihr wisst, wer ich bin. Ihr müsstet nur nachdenken.~

Skeptisch kniff er die Augen zusammen, aber in seinem Kopf ratterte es und er setzte wahllos Puzzleteile zusammen und trennte sie wieder, bis er zu einer möglichen Lösung kam. Er konnte jedoch nicht genau sagen, ob sie ihm gefiel oder nicht.

Das änderte aber nichts an dem Lächeln, das er ihr daraufhin zuwarf oder an der ergeben Verbeugung. Selbst er besaß so etwas wie Anstand, auch wenn er diesen oft genug für seine Zwecke missbrauchte.
~Mrs Lightwood, ehemalige Königin von Idris, was verschafft mir die Ehre?~
~Setzt Euch doch.~, bot sie an.

Dass es ihn etwas überraschte, dass sie ihn noch immer mit der Höflichkeitsform ansprach, kaschierte er mit einem Lächeln. Ihm gefiel der Respekt, dem ihm die Frau zollte und er war sich gleichzeitig klar, dass er diesen erwiedern würde -und das nicht nur, weil er kaum eine Wahl hatte.

Behutsam setzte er sich neben sie auf die Bettkante, drehte sich aber so, dass er sie neugierig ansehen konnte, auch wenn er insgeheim schon bestimmte Vermutungen hegte, warum sie hier war.

Dennoch fragte er~Also, was macht Ihr hier?~
~Ich glaube, das wisst Ihr auch.~
~Vielleicht ja, vielleicht aber auch nein. Klärt mich auf.~
~Ich möchte mit Euch über Alec sprechen.~

Er nickte verstehend, aber auch leicht resigniert. Nicht schon wieder.

~Es tut mir leid, aber ich denke, ich habe schon genug über ihn gesprochen. Fragt doch Isabelle.~, schlug er vor.
~Das habe ich schon.~

~Und warum seid Ihr dann dennoch hier?~
~Izzy hat mich hergebeten, weil sie sich Sorgen macht~, gab Mrs Lightwood nun zu und kurz huschte ein trauriger Ausdruck über ihr Gesicht,~Sie bezweifelt, dass Alec sein Glück ergreift oder überhaupt auch nur erkennt, selbst wenn es direkt vor ihm steht. Wir wollen ihm genau dabei helfen.~

~Mrs Lightwood, ich bezweifle, dass ich dieses Glück bin.~
~Wieso?~, fragte sie und sah ihn mit einem durchdringenden Blick an.

Magnus schnappte hilflos nach Luft, denn was sollte er darauf schon antworten? Dass er es schlichtweg selbst nicht glaubte? Dass ihm allein die Hoffnung naiv erschien? Oder dass er es tatsächlich geglaubt hatte, bis Alec ihn erfolgreich vom Gegenteil überzeugt hatte und er sich so unsicher war wie schon lange nicht mehr?

Magnus wusste es nicht, aber er musste jetzt irgendwie improvisieren. So nett Mrs Lightwood auch zu sein schien, er konnte und würde sich ihr dahingehend nicht anvertrauen.

Er wollte sich keiner unnötigen Gefahr aussetzen, auch wenn vieles in ihm förmlich danach lechzte, sich endlich jemanden anzuvertrauen. Einfach jemanden, dem er all seine dummen Sorgen und Zweifel beichten konnte ohne Angst zu haben, dass dieser seine Ängste später gegen ihn verwenden würde. Doch das konnte er sich nicht leisten und Magnus hasste den Gedanken nun mehr als je zuvor.

~Wir passen einfach nicht wirklich zueinander.~, wich er aus.
~Machnmal sind es gerade die Gegensätze und Unterschiede, die dafür sorgen, dass solch eine Bindung ewig hält. Man muss sich nur versuchen darauf einzulassen.~

Magnus schwieg.
~Ihr scheint viel durchgemacht zu haben für Euer junges Alter~, fuhr sie unbeeindruckt fort,~Vielleicht könntet Ihr derjenige sein, der Alec aus seinem Tunnel herausholt. Wollt Ihr es denn gar nicht versuchen?~
~Seinen Tunnel?~, fragte er und überging ihre Frage dabei.

Vor allem weil er nicht zugeben wollte, dass er es durchaus versuchen wollte, aber bezweifelte, dass das einen Sinn haben würde, wenn Alec nicht wollte. Und ja, vielleicht war er auch immernoch gekränkt und nur zu stolz, um wieder einen Schritt auf den König zuzugehen. Sollte er doch kommen, wenn er ihm ja sooo wichtig war.

~Seid Jace' Tod ist Alec der Meinung, alles unter seine Kontrolle bringen zu müssen, damit das Leben nach seinen Vorstellungen von Recht und Ordnung funktioniert. Er will rechtschaffen handeln, denn seine Intensionen und Ziele sind nur die besten, aber dabei bemerkt er nicht das Leid, das er anderen auf dem Weg dorthin beschert. Er macht das nicht mit Absicht, so ist mein Sohn nicht, er sieht es lediglich nicht. Er ist blind wenn es um die Sorgen und das Leid anderer geht und vielleicht könntet Ihr das ändern.~
~Wieso? Weil ich selbst Leid ertragen habe?~

~Genau~, meinte sie schlicht,~Ich will und werde Euch zu nichts drängen, immerhin ist es zum Schluss immer noch Eure Entscheidung, aber ich bitte Euch, meinen Sohn nicht gleich aufzugeben. Er hat das Herz am richtigen Fleck, auch wenn er alles dafür tut, damit es niemand sieht, denn er ist immernoch ein Mensch, so gern er das auch manchmal ändern möchte. Er hat nunmal Gefühle, Ängste und manchmal verführen ihn diese zu schlechten Entscheidungen.
Ihr könntet ihm helfen, die Konsequenzen dieser zu sehen.~

Schließlich stand sie auf und strich ihren Rock glatt. Obwohl es eine simple Geste war, wirkte sie bei ihr sehr elegant, genau wie ihre Schritte zur Tür. Mit der Klinke in der Hand drehte wie sich nochmals zu Magnus um und schenkte ihm ein halbes Lächeln.

~Gib ihm eine Chance.~
~Und wenn ich es nicht schaffe?~, fragte er und ließ für einen Augenblick seine tatsächliche Unsicherheit durchschimmern. Natürlich verbarg er diese genauso schnell wieder, aber es war zu spät, denn Mrs Lightwood hatte es bereits gesehen.

~Dann hast du es zumindest versucht und nach mehr habe ich gar nicht verlangt.~
Mit diesen Worten verschwand sie und ließ Magnus aufgewühlt, aber vor allem verwirrt zurück.

Er fragte sich, was der Sinn dieses Gesprächs gewesen war, denn wieder war er voller Zweifel. Er zweifelte vor allem seinen Stolz an, der sich weigerte, den König anzuhören. Vielleicht war das ja falsch und er sollte ihm zumindest zuhören, bevor er sich abwandte.

Er müsste ihm ja nicht alles verzeihen, doch wenn er es dann doch vollkommend verstand, verzeihte er ihm dann nicht auch automatisch?

Er war sich nicht sicher, aber sein Kopf tat langsam weh vom vielen Denken. Außerdem war er müde.

Er konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, wann er das letzte Mal gut und lange geschlafen hatte. Es schien schon viel zu lange her.

Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, sich auf das Bett zu legen und sich seinen unruhigen Träumen hinzugeben. Vielleicht waren es ja die Erinnerungen an den Vorfall? Allerdings hatte er schon nach diesem Vorfall ein paar Mal hier geschlafen, also machte es keinen Sinn, dass er jetzt nicht hier schlafen wollte.

Doch er konnte sich keine andere Erklärung vorstellen, denn warum sonst sah er immer wieder Andrews hellgrüne Augen vor sich, wenn er seine eigenen schloss und sich zu entspannen versuchte? Es ergab einfach keinen Sinn, aber das ergab Angst ja nie.

Seufzend schleppte er sich also das Kissen und die Decke und rollte sich dann gezwungenermaßen auf dem minder weichen Teppichboden zusammen. Er war zu erschöpft, um noch länger mit sich zu diskutieren, wieso er nicht einfach auf dem Bett schlafen konnte, was viel leichter war. Mit diesen verwirrenden Gedanken versuchte er schließlich einzuschlafen.

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