Kapitel 51 - Unauffälliger Schmerz

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Stille umgab Alec, als er am Mittag in die Bibleothek trat. Ein Termin war kürzlich ausgefallen und er wollte seine gewonnene Freizeit damit nutzen, sich zu entspannen, vielleicht in einem Buch zu blättern und seine Gedanken schweifen zu lassen.

Er wollte endlich diese beständige Anspannung und vor allem das Ziehen in seiner Brust loswerden und die Bibleothek erschien ihm genau der richtige Ort dafür.

Im Gegensatz zum Rest des Palastes, der doch sehr hellhörig war, war es hier still. Die dicken Regale schienen jedes Geräusch zu schlucken, so wie jeden falschen Gedanken. Sie verströmten Frieden und eine Gewissheit, die Alec in letzter Zeit vermisst hatte.

Er fühlte sich einfach wohl hier und bedauerte es, nicht öfter hier sein zu können. Allerdings hatte er auch keine Lust, sich das zum Vorsatz zu machen, denn er hatte schon genug, die er einhalten musste. Er wollte es nicht komplizierter machen als es bereits war.

Also schlenderte er leise zwischen den deckenhohen Regalen umher und ließ seinen Blick über die verschiedenen Bücher gleiten. Vielleicht würde er ja etwas Interessantes finden, in dem er stöbern konnte.

Aufgrund der zeitfressenden, erschöpfenden Plfichten, die er zu erfüllen hatte, hatte er nämlich viel zu wenig Zeit, in der er hier sein konnte und so hatte er längst nicht alles gelesen. So blieb ihm allerdings stets etwas Neues, das er entdecken konnte. Also ließ er sich Zeit.

Doch als er um eine weitere Ecke bog, erstarrte er und wünschte sich nichts sehnlicher als im Boden zu versinken oder einfach ein Portal in eine andere Welt zu öffnen.

Vor ihm auf dem Boden steckte Magnus seine Nase in ein Buch und schien noch keine Notiz von ihm genommen zu haben.

Da die große Fensterfront direkt gegenüber war, drang die Sonne in dem sonst eher schummrigen Raum ein und versah ihn mit einem goldenen Schein, der den sanften Karamellton seiner Haut noch etwas weicher und heller zeichnete. Auch wirkten seine Haare wie schwarze Seide mit eingewebten Goldfäden, während sie ihm locker in die Stirn fielen.

Er hatte die Knie leicht angezogen und lehnte das Buch dagegen, während seine Augen konzentriert und fasziniert über die Zeilen flogen. Es schien als wäre er in seiner eigenen Welt und würde nichts mehr um sich herum mitbekommen.

Das gab Alec die Gelegenheit, sich kurz einen Moment zu gönnen und ihn ohne schlechtes Gewissen zu bewundern. Egal in welcher Position, Magnus sah immer wunderschön aus, doch gerade jetzt wirkte er förmlich wie ein Engel mit dem goldenem Sonnenlicht um ihn herum.

Er sah aus wie ein Heiliger und schien das noch nicht einmal mitzubekommen. Es versetzte Alec einen Stich, als er wieder erkannte, wie unerreichbar Magnus für ihn geworden war und daran war er selbst Schuld, immerhin hatte er sich diese Distanz selbst auferlegt.

Magnus selbst hatte ihn nie auch nur zu irgendetwas in dieser Hinsicht gedrängt. Das war er ganz alleine.

Gerade als er den Rückzug antreten und abhauen wollte, hob Magnus den Kopf und ihre Blicke trafen sich.

Alec erkannte Überraschung in seinem Blick, genau wie die Sehnsucht wieder in die Welt der Bücher zurückkehren zu wollen. Schließlich zeichnete sich Resignation in seinen Zügen ab, sowie ein altbekannter, aber unauffälliger Schmerz, den man vergessen könnte, wenn es nur laut genug war.

Alec kannte diese Art Schmerz aus verschiedenen Situationen seines Lebens und wusste daher, dass man versuchen konnte, ihn zu ignorieren. Man zwar hoffen konnte, er würde irgendwann verschwinden, aber eigentlich klar war, dass er ein bestäniger Begleiter bleiben würde. Egal, was man dagegen tat.

Als Alec wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte, bemerkte er, dass Magnus aufgestanden war und ein kalter, entschlossener Ausdruck den unauffälligen Schmerz überdeckte. Er hatte sich offensichtlich wieder gefangen.

Das sah er als Zeichen, dass es nun ein guter Zeitpunkt zu gehen war, denn er wollte nicht hier sein, wenn Magnus schon dort war. Distanz war das richtige Mittel, nicht Nähe.

~Entschuldige. Ich wusste nicht, dass du hier bist. Dann gehe ich lieber mal und ...~
~Wieso tust du das?~, platzte es aus ihm heraus.

Alec, der sich bereits abgewandt hatte, drehte sich wieder um.
~Was?~
~Das! Dieses Ich kann und will nicht in deiner Nähe sein, also tue ich so als seist du Luft. Diese Distanz eben! Wieso tust du das?~, fragte Magnus direkt, während er das Buch in seinen Händen fest gegen seine Brust drückte.

Als bräuchte er einen Anker, um nicht wie ein loses Blatt vom Winde verweht zu werden. Eine Konstante in einer sich ständig ändernden, feindlich gesinnten Welt. Eine weitere Barriere zwischen sich und Alec.

Wieso tust du das?

Für diese Frage sammelte er bereits seid einigen Tagen gute Gründe, aber keiner hatte ihn bisher wirklich übezeugt und zweifellos zurückgelassen.

Natürlich wollte Alec sich nicht das Herz brechen oder seine Herrschaft schwächen lassen. Natürlich wollte er nicht, dass Magnus Dank ihm zur Zielscheibe wurde.
Natürlich wollte das persönliche Risiko vermeiden, wenn das zwischen ihnen beiden eben nicht für die Ewigkeit bestimmt war.
Natürlich musste er seine Schuld begleichen.
Natürlich glaubte er, dass Magnus ohne ihn besser dran wäre, freier.

Doch wie zur Hölle sollte er das Magnus erklären? Er würde ihm doch nicht glauben oder seine Gründe als nichts abtun.

~Wir tun uns beiden nicht gut.~, entschied er sich für eine Halbwahrheit.

Er wollte Magnus nicht anlügen. Das fühlte sich falsch an, aber er konnte ihm genauso wenig die Wahrheit sagen. Vor allem, weil er ihn weder ernst nehmen noch glauben würde.

Dazu klang so vieles etwas sehr weit hergeholt, das war auch Alec selbst klar, obwohl er es sich nicht wirklich eingestehen wollte.

Er blickte wieder zu Magnus, der ihn sprachlos anstarrte und offensichtlich nicht mit einer Antwort gerechnet hatte. Nun musste er diese ersteinmal verarbeiten und er konnte förmlich sehen, wie es in seinem hübschen Kopf ratterte.

Schließlich zierte ein harter Zug seinen Mund.
~Und warum bemerkst du das erst jetzt? Warum nicht schon eher?~

~Es musste mir ersteinmal bewusst werden.~, wich er aus.
~Und wieso redest du dann nicht mit mir darüber? Wenn es etwas ist, das uns beide angeht, habe ich genauso ein Recht zu erfahren, um was es geht und was dich stört. Wir sind in dieser Hinsicht gleichberechtigt, schon vergessen?~

~Es gibt nichts, was mich an dir stört. Wir passen einfach nicht zueinander und ich habe nur gewartet, bis du das auch erkennst. Das ist alles.~

Sollte er Magnus mit seinen Worten verletzt haben, so ließ sich dieser das nicht anmerken. Alec hingegen fühlte sich furchtbar, denn jetzt log er doch und zwar komplett.

Zwar gab es nicht wirklich etwas, das ihn konkret an Magnus störte, aber er versuchte nunmal noch immer, sein Herz zu überzeugen, dass sie beide nicht zueinander passten und nur Unheil brachten. Sein Herz, der unbelehrbare Schüler, der es war, weigerte sich das zu akzeptieren.

Nervös beobachtete er, ob Magnus ihm das abkaufte, als dieser plötzlich die Fassung zu verlieren schien.
~Was ist nur los mit dir?!!~

Zehn und eine NachtWhere stories live. Discover now